Was den Smart-Meter-Rollout bremst
Helen Bielawa
Der Smart-Meter-Rollout in Deutschland geht nur langsam voran. Das zeigen Zahlen der Bundesnetzagentur (BNetzA) zum Stichtag 31. März. Seit Anfang des Jahres gilt für Haushalte ab einem Jahresverbrauch von 6000 Kilowattstunden eine Einbaupflicht für intelligente Messsysteme. Bis Ende 2025 müssen die grundzuständigen Messstellenbetreiber 20 Prozent davon eingebaut haben.
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, wie eine Datenauswertung von SZ Dossier ergibt. Demnach haben 264 der 851 grundzuständigen Messstellenbetreiber eine Quote von null Prozent gemeldet. Eine Umfrage von SZ Dossier unter einigen grundzuständigen Messstellenbetreibern zeigt, woran der Rollout im Kleinen scheitert: am schlechten Mobilfunknetz in Kellern, an langen Lieferzeiten und fehlender Hardware.

Insgesamt sind erst 15,1 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher, bei denen der Einbau von Smart Metern vorgeschrieben ist, versorgt. Ende 2024 lag der Anteil bei 13,9 Prozent. Bis 2032 sollen deutschlandweit 90 Prozent mit einem Smart Meter ausgestattet sein – ein Wert, den viele europäische Nachbarländer längst erreicht haben.
Die Zahlen der BNetzA bereiten auch dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWE) Sorgen. Smart Meter sind schließlich essenziell für die Energiewende. Ein BMWE-Sprecher verweist auf Anfrage auf den Koalitionsvertrag, demzufolge die Regierung den Rollout beschleunigen und vereinfachen will – „ohne Abstriche bei der Cybersicherheit oder der Interoperabilität“. Zeitnah werde man hierzu Vorschläge präsentieren.

Während größere Messstellenbetreiber die 20 Prozent im Schnitt schon erfüllen, stellt der Rollout kleinere vor Probleme.
Zum Beispiel die Stadtwerke im baden-württembergischen Crailsheim, die gerundet bei null Prozent stehen. Fünf Smart Meter seien bisher verbaut, 300 müssen es bis Ende des Jahres sein.
Die zur Steuerung nötigen Geräte (Lastschaltboxen) seien zudem noch nicht in ausreichender Menge lieferbar, sagte Günter Kochendörfer, der den Fachbereich Mess- und Zählerwesen in Crailsheim leitet. „Das bedeutet für uns, dass wir zweimal zum Kunden fahren müssen: einmal zum Einbau der Smart Meter und ein zweites Mal zum Einbau der Steuerung.“
Wenn dann noch schlechter Empfang bei der Installation sei, zum Teil auch ein drittes Mal – denn um das Gateway in Betrieb zu nehmen, braucht es eine stabile Internetverbindung.
Ein Systemwechsel beim Smart-Meter-Gateway-Administrator, der den Rollout für die Stadtwerke plant, habe den Einbau zusätzlich verzögert. „Wir können die Smart Meter aktuell noch nicht abrechnen“, so Kochendörfer. Erst müssten die Daten auf das neue System übertragen werden.
Und auch die Kundinnen und Kunden können zum Problem werden: „Viele sagen: Für was brauche ich Smart Meter überhaupt? Der normale Zähler hat es doch auch getan.“ Kochendörfer versucht dann zu überzeugen, was aber eigentlich Aufgabe der Politik sei.
Die Stadtwerke Schlitz, die auch bei null Prozent liegen, nennen ebenfalls lange Lieferzeiten und Hardwaremangel als Problem beim Ausbau. „Die erste Hardware-Charge trifft laut Lieferplan im Juli oder August 2025 ein“, sagte ein Sprecher. Der Markt sei ausgelastet, weil nur wenige Gateway-Hersteller vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert seien. Den Rollout schaffe man trotzdem, glaubt er.
„Seit Anfang des Jahres dauert es deutlich länger, bis wir die Gateways bekommen, da die Nachfrage sehr gestiegen ist“, sagte auch Oliver Werner von den Stadtwerken Freudenstadt, eigentlich ein Positivbeispiel. Ende vergangenen Jahres hatten die Stadtwerke lediglich 50 Smart Meter verbaut, mittlerweile sind sie bei 200 Smart Metern. Zum Stichtag 31. März hatten sie schon fast die Hälfte ihrer Pflichteinbaufälle versorgt.

Bei den Stadtwerken Freudenstadt zeigt sich, wie sehr der Ausbau auch an den personellen Ressourcen liegt. Sie gehören mittlerweile zu den zehn besten Betreibern in der Statistik. Auch, weil sich ein neuer Mitarbeiter nun ausschließlich um den Einbau kümmert. „Wenn es gut läuft, schafft ein Mitarbeiter sieben Installationen am Tag“, sagte Werner. Bei 700 Pflichteinbauten sei er damit hochgerechnet das ganze Jahr beschäftigt.
Fast ausnahmslos wünschen sich die befragten Messstellenbetreiber eine Reduzierung des personellen und finanziellen Aufwands sowie der komplexen Regulatorik. Weniger Bürokratie und mehr Flexibilität sind die Stichworte in den Gesprächen mit SZ Dossier. Die Stadtwerke Bayreuth zum Beispiel unterstützen die Initiative „Simplify Smart Metering“.
Selbst die Spitzenreiter unter den Messstellenbetreibern beklagen sich über die gesetzlichen Vorgaben. Von „Regelungen und Technik, die nicht überzeugen“ spricht Frank Nickel, Geschäftsführer der Netze Bad Langensalza (90,67 Prozent). „In unserem Land wird die Regulatorik gerne auf die Spitze getrieben und das macht vieles schwerer“, sagte Olaf Beck, Geschäftsführer der Stadtwerke Lübz. Seine Stadtwerke liegen bei 100 Prozent, allerdings betrifft das nur 22 Messlokationen.
Insgesamt gab es im ersten Quartal 2024 keine großen Sprünge, 233 Betreiber konnten ihre Quote gar nicht verbessern. Das zeigt, dass es für viele grundzuständige Messstellenbetreiber eng wird, die 20 Prozent bis Ende des Jahres zu erreichen. Wie soll das noch klappen mit dem Pflichteinbau?
Zum Beispiel mithilfe der wettbewerblichen Messstellenbetreiber, die den Rollout ebenfalls vorantreiben. Im Gegensatz zu den Grundzuständigen sind sie dazu aber nicht gesetzlich verpflichtet. Ihre Situation zu verbessern, fordert unter anderem der Bundesverband der Neuen Energiewirtschaft.
Die BNetzA und das Bundeswirtschaftsministerium sehen mehr Kooperation der grundzuständigen und wettbewerblichen Messstellenbetreiber als Lösung. Erstere sollten stärker mit anderen Messstellenbetreibern kooperieren, so der Wunsch.
Konkret müsste der Gesetzgeber dafür aber einen Rahmen schaffen, der es den wettbewerblichen Messstellenbetreibern erlaubt, im Auftrag kleiner grundzuständiger Betreiber Pflichteinbaufälle zu übernehmen, sagte Erwan Taillanter von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft.
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