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Nutzungsrechte erwerbenGuten Morgen. Der Koalitionsvertrag ist unterzeichnet, das Kabinett benannt: Der Weg ist frei für die Kanzlerschaft von CDU-Chef Friedrich Merz. Um 9 Uhr tritt der Bundestag zusammen, um den neuen Bundeskanzler zu wählen. Merz braucht im ersten Wahlgang die sogenannte Kanzlermehrheit von 316 Stimmen – Union und SPD kommen auf 328.
Erreicht er sie, fährt er direkt weiter ins Schloss Bellevue. Dort wird ihm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Ernennungsurkunde überreichen. Erst dieses Dokument macht den Sauerländer zum zehnten Kanzler der bundesrepublikanischen Geschichte. Anschließend geht es zurück ins Parlament: Merz legt den Amtseid ab und stellt sein Kabinett vor. Die designierten Ministerinnen und Minister erhalten anschließend im Schloss Bellevue ihre Ernennungsurkunden.
Danach geht es für die Mitglieder des Kabinetts zurück in den Bundestag, wo auch sie ihren Amtseid ablegen werden. Im Laufe des Tages folgen die Amtsübergaben: im Kanzleramt, Bundespresseamt und vielen Ministerien. Und dann, am Abend, findet die erste Kabinettssitzung statt. Fest steht: Heute werden viele schwarze Limousinen durchs Regierungsviertel fahren.
Willkommen am Platz der Republik.
Was wichtig wird
Vertraute Blicke zwischen Klingbeil und Merz, handgeschriebene Notizen auf einem Entwurf, konzentrierte Verhandlungen in der Bayerischen Landesvertretung. Das sind einige der Eindrücke, die bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages im Berliner Gasometer auf zahlreichen Bildschirmen präsentiert wurden. Drei Fotografinnen und Fotografen hatten die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD begleitet, ihre Bilder wurden gestern gezeigt. Es war ein Hauch von Ampel.
Zukunft und Vergangenheit: Doch anders bei der Unterzeichnung der Vorgängerregierung waren die Fotos nicht schwarz-weiß, sondern in Farbe. Zudem wählten Friedrich Merz, Lars Klingbeil, Markus Söder und Saskia Esken einen anderen Ort: einen ehemaligen Gasspeicher, heute Industriemuseum und Unternehmenscampus. „Hier wird an der Zukunft gearbeitet, auf dem Boden eines industriellen Denkmals“, sagte der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz.
Das stehe auch für den Koalitionsvertrag. Sein Auftrag: „Auf dem Fundament einer erfolgreichen Industrienation die Zukunft zu gestalten, mit modernster Technologie und mit vielen Menschen, die daran interessiert sind, die Zukunft unseres Landes zu gestalten“, sagte Merz. Es passt zum Bild der Arbeitskoalition. Schwarz-Rot wolle Deutschland mit Reformen und Investitionen voranbringen. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass es uns gelingt, ab morgen unser Land kraftvoll, planvoll, vertrauenswürdig zu regieren.“
Klingbeil wählte noch größere Worte. „Umbrüche brauchen Entscheidungen“, sagte der designierte Vizekanzler, ehe er sehr konkret wurde. Das Motto des künftigen Finanzministers: „Jetzt investieren und morgen entlasten.“ Er führte aus, was mit dem Sondervermögen alles finanziert werden soll: etwa Schulen, Schienen, Sicherheit. „Deutschland braucht weniger Verwalter und mehr Möglichmacher“, sagte er. Und sonst: Kitas, Pflege, sichere Renten, Wohnraum. Nachdem er die Prioritäten der SPD aufgelistet hatte, sagte er, die neue Regierung brauche mehr denn je echtes Teamplay. „Als Politik, als Regierung sind wir in der Bringschuld“, sagte er.
Söder beschwor das Neue. Er forderte „Volldampf für Deutschland“, betonte erneut die „Verantwortungsgemeinschaft“ – und beschrieb die Unterzeichnung als „Notartermin“. „Der Geist, die Philosophie, die ist anders“, sagte Söder. Daraus werde sich ein „neues Deutschlandtempo“ ergeben. Das sei nicht Ampel 2.0, aber auch nicht die alte Groko. „Das ist was Neues, das sind neue Leute, eine neue Politik“, sagte Söder. Esken, die kurz vor der Unterzeichnung als letzte Parteivorsitzende sprach, bedankte sich bei Bundeskanzler Olaf Scholz, der den Weg für die neue Regierung geebnet hätte. Sie sprach davon, ihm am Abend einen würdigen Abschied zu gestalten (dazu unten mehr). Es könnte auch einer ihrer letzten Auftritte gewesen sein.
Zu den Vorbereitungen auf die neue Regierung gehört diesmal aufgrund der Postenvergabe auch, das Fraktionspersonal neu zu wählen. Morgen soll SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zum Fraktionschef der SPD gewählt werden. Gestern schon wurden die Posten in der Union verteilt: Jens Spahn ist neuer Fraktionschef, Steffen Bilger neuer PGF. Für die CSU wurde Alexander Hoffmann zum neuen Landesgruppenchef gewählt, neuer PGF ist Reinhard Brandl.
Gute Ergebnisse: Mit 91,3 Prozent der Stimmen wurde Spahn während der gestrigen Fraktionssitzung gewählt, Bilger vereinte gar 93,5 Prozent der Stimmen auf sich. Der 44-jährige Spahn sitzt seit mehr als 20 Jahren im Bundestag. Er wird als Vorsitzender der Fraktion dafür verantwortlich sein, die Abgeordneten auf Linie zu halten. Zudem wird er auf die Reden von Oppositionsführerin Alice Weidel antworten. Bilger folgt auf Thorsten Frei, der Kanzleramtschef wird. In der CSU-Landesgruppe wurde der ehemalige PGF Alexander Hoffmann einstimmig als Nachfolger des designierten Innenministers Alexander Dobrindt gewählt.
Keine Ausreden: Bei der Wahl Spahns hätten einige Abgeordnete krankheitsbedingt gefehlt, sagte Merz nach der Sitzung. „Aber es werden morgen alle an Bord sein, ausnahmslos alle“, sagte Merz. Er gehe davon aus, dass „sowohl bei den Sozialdemokraten als auch bei uns erstens alle da sein werden und zweitens auch alle zustimmen werden“, fügte er hinzu. „Ich rechne damit, dass alle mit Ja stimmen für Merz, ich habe zumindest keine Hinweise darauf, dass es anders kommt“, sagte Klingbeil. Das Ergebnis des Mitgliedervotums sei ein deutliches Signal der Parteimitglieder für die Koalition gewesen.
Neues SPD-Personal: Gestern hat die SPD zudem die Köpfe des geschäftsführenden Fraktionsvorstands bekannt gegeben. Das Team um den designierten Fraktionschef Miersch soll aus Siemtje Möller, Armand Zorn, Wiebke Esdar, Sonja Eichwede, Dagmar Schmidt und Esra Limbacher bestehen. Neuer PGF soll Dirk Wiese werden, sein Team komplementieren Derya Türk-Nachbaur, Marja-Liisa Völlers und Johannes Fechner. Die Parteispitze soll auf einem Parteitag Ende Juni gewählt werden. Zum Personal äußerte sich Klingbeil auf Nachfrage gestern nicht. Es wird erwartet, dass er als Parteichef weitermachen will. Mit wem zusammen, ist aber offen.
Vertreterinnen und Vertreter von Grünen und Linken fordern, der AfD die Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung zu streichen. Marcel Emmerich, innenpolitischer Sprecher der Grünen, sagte dem Tagesspiegel, die Streichung staatlicher Gelder sei als Instrument Teil der wehrhaften Demokratie und müsse jetzt genutzt werden. Linken-Politikerin Clara Bünger sagte, die Demokratie dürfe nicht zulassen, dass sie mit Mitteln aus der Staatskasse ihre eigene Abschaffung finanziert. Tim Frehler berichtet.
Comeback der Ideen: Seit der Verfassungsschutz die AfD am Freitag als gesichert rechtsextrem eingestuft hat, hat die Debatte über den Umgang mit der Partei Fahrt aufgenommen, etwa die Forderung nach einem Parteiverbot. Auch die Idee, der AfD das Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung zu streichen, kursiert schon länger. Es geht um einen nicht unerheblichen Betrag: 2023 erhielt die AfD laut Rechenschaftsbericht etwa 11,6 Millionen Euro aus staatlichen Mitteln, das waren fast 30 Prozent ihrer gesamten Einnahmen. Weil sich die Höhe des Betrages an Wahlergebnissen, Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträgen und Spenden orientiert, wird die Zahl steigen.
Die Sache hat einen Haken: Die Voraussetzungen, um der AfD das Geld zu entziehen, seien im Wesentlichen identisch mit denen eines Parteiverbotsverfahrens, sagte Sophie Schönberger, Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, vor gut einem Jahr SZ Dossier. Der AfD muss nachgewiesen werden, dass sie verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und ihr Handeln planvoll darauf ausgerichtet ist, diese Ziele in die Tat umzusetzen.
Der Unterschied zu einem Parteiverbot liegt im Kriterium der sogenannten Potenzialität. Dabei geht es um die Frage, ob ausreichend Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele erreichen kann. Um ihr die Finanzierung abzuschneiden, muss das nicht gegeben sein. Das sagte auch Linken-Politikerin Clara Bünger, die selbst Juristin ist: „Eine tatsächliche Gefährdung muss nicht nachgewiesen werden.“ So war es zum Beispiel im vergangenen Jahr möglich, die NPD, die sich heute „Die Heimat“ nennt, für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Ein Parteiverbot war Jahre zuvor gescheitert, den Ausschlag gab die fehlende Potenzialität.
Geringerer Eingriff: Clara Bünger zufolge sei ein Finanzierungsausschluss eher erreichbar als ein Parteiverbot. „Beide schließen sich nicht aus, aber es ist rechtlich und politisch sinnvoll, zuerst diesen Weg zu beschreiten“, sagte Bünger SZ Dossier.
Das Problem dabei: Die AfD hat bei der vergangenen Bundestagswahl mehr als 20 Prozent der Stimmen erhalten. Das Kriterium der Potenzialität würde sie wohl erfüllen – und damit genau jenes Kriterium, das den Unterschied zwischen Parteiverbot und dem Ausschluss von der Parteienfinanzierung markiert. Stellt sich also die Frage, warum man nicht gleich ein Verbot beantragt.
Die Meinungen gehen auseinander: Gefragt, was er vor diesem Hintergrund von dem Vorstoß hält, den Ausschluss der AfD von der Parteienfinanzierung zu beantragen, antwortete der Grünen-Abgeordnete Till Steffen: „Nichts.“ Steffen war einer der Initiatoren eines Antrages, mit dem Ziel, die Verfassungswidrigkeit der AfD durch das Bundesverfassungsgericht feststellen zu lassen. Auch die SPD-Politikerin Carmen Wegge gehörte dazu. Weil die Maßstäbe nahezu identisch sind, schlägt sie vor, die Entziehung der staatlichen Finanzierung einfach als Hilfsantrag zur Prüfung der Verfassungswidrigkeit zu stellen.
Tiefgang
Sechs Frauen, drei Männer. Ein Minister, älter als 60 Jahre, zwei Ministerinnen und zwei Staatsministerinnen unter 40. Die SPD hat bekanntgegeben, wen sie ins Kabinett schickt. In der vergangenen Woche hatten CDU und CSU ihre künftigen Minister vorgestellt.
Beauftragt damit, die Regierungsmannschaft der Partei aufzustellen, hatte das SPD-Präsidium Lars Klingbeil. Mit dem Team der SPD zeigt er nun, wie weit sein Einfluss in der Partei reicht. Klingbeil hat offensichtlich die Macht, erfahrene Minister wie Hubertus Heil nicht im Kabinett zu berücksichtigen. Auch für Nancy Faeser, Klara Geywitz und Svenja Schulze sah er keine weitere Verwendung.
Stattdessen hat er ein Team aufgestellt, in dem sich viele junge und bisweilen unbekannte Gesichter finden. Anders als Friedrich Merz verzichtet Klingbeil aber auf Quereinsteiger. Bis auf Verena Hubertz haben alle SPD-Ministerinnen und Minister Erfahrung in Bundes- oder Landesministerien. Das gilt auch für die beiden Staatsministerinnen, die Klingbeil nominiert hat.
Auf die Frage, was aus Saskia Esken wird, hat Klingbeil ebenfalls eine Antwort gegeben: nichts. Sie hat gestern kein Amt in der neuen Bundesregierung bekommen, dass sie Parteivorsitzende bleibt, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Leni Breymaier, ehemals Vorsitzende in Eskens Landesverband Baden-Württemberg, hatte sich kürzlich noch öffentlich vor Esken gestellt. Gestern sagte Breymaier SZ Dossier: „Ich habe mit ihr gesprochen und den Eindruck, Saskia ist mit dem Tableau fein.“ Esken habe schließlich vier Frauen im Kabinett gefordert „und nicht drei Frauen plus sie selbst“, sagte Breymaier. „Ihre Forderung ist erfüllt.“
Lars Klingbeil hat sein Personaltableau also mit dem klaren Fokus auf das Jahr 2029 aufgestellt – und sich selbst dabei in die beste Ausgangslage für die Kanzlerkandidatur manövriert. Er wird Finanzminister und Vizekanzler. Seine mangelnde Erfahrung in den Themen, die er künftig verantworten wird, versucht er durch die Besetzung der beiden parlamentarischen Staatssekretäre auszugleichen. Da hat Klingbeil den ehemaligen SPD-Chefhaushälter der Ampel, Dennis Rohde, und den finanzpolitischen Sprecher der Fraktion, Michael Schrodi, berufen. Rohde gehört dem eher konservativen Flügel in der SPD, dem Seeheimer Kreis an, Schrodi ist Mitglied der Parlamentarischen Linken (PL).
Bärbel Bas, bis vor kurzem als Bundestagspräsidentin noch die mächtigste Frau im Staat, führt ab sofort das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Neben dem großen Budget, das sie dort verwalten wird, könnte insbesondere die Reform des Bürgergeldes ein Test für Bas werden. Die Union hatte das Ende der Sozialhilfe in dieser Form der SPD abgerungen, nun ist es an Bas, den Punkt aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Die 57-Jährige aus Duisburg hat eine klassische Aufsteigerinnen-Karriere hingelegt: Mit Hauptschulabschluss und Fachoberschulreife wurde Bas zunächst Bürogehilfin bei den Duisburger Verkehrsgesellschaft, bildete sich weiter und sammelte Erfahrung als Betriebsrätin. Sie kennt also die Arbeitnehmerinnenperspektive der Arbeitswelt sehr gut. Nicht nur deshalb ist ihre Personalie ein kluger Zug der SPD, wenn diese ihre Kernthemen in der schwarz-roten Koalition verteidigen will. Parlamentarische Staatssekretärinnen im BMAS werden die ehemalige PGF Katja Mast und Kerstin Griese.
Boris Pistorius galt schon im Vorfeld als gesetzt. Der 65-jährige Verteidigungsminister ist nach wie vor der beliebteste Politiker im Land. Bereits in seiner ersten Amtszeit hat er viele Baustellen innerhalb der Bundeswehr angestoßen, jetzt steht ihm dank der Reform der Schuldenbremse deutlich mehr Geld zur Verfügung. Er gilt als Freund der klaren Sprache, was ihm im linken Flügel der SPD gelegentlich auch Kritik eingebracht hat. Seine Aufgaben sind enorm: Pistorius muss Deutschland in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten verteidigungsfähig machen. Dafür will er das Thema ganzheitlicher angehen, was auch die neuen Parlamentarischen Staatssekretäre zeigen: Nils Schmid war bislang Außenpolitiker, Sebastian Hartmann war Innenpolitiker.
Stefanie Hubig wird Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz. Die 56-Jährige ist bislang Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz, verhandelte in den Koalitionsverhandlungen auch das Thema Bildung, Forschung und Innovation. Das Haus, das sie nun übernehmen wird, kennt Hubig bestens: Von 2014 bis 2016 war die promovierte Juristin beamtete Staatssekretärin und Amtschefin im BMJV, damals unter Heiko Maas. Zwischen 2005 und 2008 leitete sie bereits das Kabinetts- und Parlamentsreferat im Bundesjustizministerium. Parlamentarische Staatssekretäre werden Anette Kramme und Frank Schwabe.
Verena Hubertz übernimmt das Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Die gebürtige Triererin ist erst 37, hat aber schon eine beachtliche Karriere vorzuweisen: Direkt nach dem Master gründete Hubertz das Unternehmen Kitchen Stories, eine App-basierten Kochplattform, deren Geschäftsführerin sie bis 2020 war. Danach zog sie nahtlos in den Bundestag ein und übernahm direkt Führungsaufgaben; sie war in der vergangenen Wahlperiode stellvertretende Fraktionsvorsitzende für die Bereiche Wirtschaft, Bauen & Wohnen und Tourismus sowie Klima & Energie. Auch wenn sie die einzige Ministerin ohne Regierungserfahrung ist, bringt sie Erfahrung aus der (Digital)-Wirtschaft, was ihr im neuen Amt zupasskommen wird. Als Parlamentarische Staatssekretäre werden ihr Sören Bartol und Sabine Poschmann zuarbeiten.
Reem Alabali-Radovan wird Entwicklungsministerin. Die 35-Jährige, die erst 2021 in die Partei eintrat und direkt in den Bundestag einzog, steht ebenfalls für den Generationenwechsel bei der SPD. Als Staatsministerin war sie im Kanzleramt von Olaf Scholz für Migration, Flüchtlinge und Integration zuständig. Künftig wird sie als jüngstes Kabinettsmitglied das Haus für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung leiten, das die Union mit dem Auswärtigen Amt zusammenlegen wollte. Alabali-Radovan gilt als Protegé von Manuela Schwesig. Ihre Eltern stammen aus dem Irak und erhielten 1996 Asyl in Mecklenburg-Vorpommern. Ihre Parlamentarische Staatssekretäre sind Johann Saathoff und Bärbel Kofler.
Carsten Schneider wird künftig das Ressort für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit verantworten. Der 49-jährige Erfurter sitzt bereits seit 1998 im Bundestag und ist einer der dienstältesten Abgeordneten. Schneider galt bislang nicht als Umweltpolitiker, ihm wird jedoch ein freundschaftliches Verhältnis zu Klingbeil nachgesagt. Er zählt zum Seeheimer Kreis und hat innerhalb der Fraktion schon viele Aufgaben wahrgenommen. Zuletzt war er Ostbeauftragter im Kabinett Scholz. Eine besondere Herausforderung wird der Klimaschutz, der aus dem BMWK zurück ins Umweltministerium wandert. Parlamentarische Staatssekretäre werden Rita Schwarzelühr-Sutter und Carsten Träger.
Elisabeth Kaiser übernimmt die Nachfolge von Carsten Schneider als Ostbeauftragte der Bundesregierung. Anders als Schneider wird Kaiser nicht im Bundeskanzleramt, sondern im Finanzministerium arbeiten. Dafür hat Schwarz-Rot noch kurzfristig den Koalitionsvertrag geändert. Die 38-jährige Thüringerin war bislang Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium. Kaiser ist seit 2017 Abgeordnete, sie gehört dem linken Flügel der SPD an, ist Schatzmeisterin der PL.
Natalie Pawlik wird Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration im BMAS. Die 32-Jährige ist im sibirischen Wostok geboren und war seit 2022 die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Pawlik kam 1999 mit ihrer Familie als Spätaussiedlerin nach Deutschland und wuchs in Hessen auf. Sie studierte Geschichts- und Kulturwissenschaften in Gießen und wurde 2011 Stadtverordnete in Bad Nauheim und 2016 Kreistagsabgeordnete im hessischen Wetteraukreis. Tim Frehler, Elena Müller, Gabriel Rinaldi
Fast übersehen
Schlankere Strukturen: In der neuen Regierung sollen insgesamt 25 Posten wegfallen: 12 in der Bundesregierung und 13 in den Ministerien. Die Zahl der Beauftragten, Sonderbeauftragten und Koordinatoren soll sich dadurch erheblich reduzieren. So sollen unter anderem folgende Posten „mit sofortiger Wirkung“ abgeschafft werden: Koordinator der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt, der Beauftragte für Informationstechnik, der Sonderbevollmächtigte für Migrationsabkommen, der Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik.
Eine der ersten Amtshandlungen: In den Ressorts sind dies etwa der Botschafter für feministische Außenpolitik und Beauftragte für Menschenrechte und globale Gesundheit im Auswärtigen Amt. Das ergibt sich aus einer Kabinettsvorlage, die SZ Dossier vorliegt und über die zuerst mein Kollege Nicolas Richter berichtete. Über den Beschlussvorschlag soll heute in der ersten Kabinettssitzung von Schwarz-Rot abgestimmt werden. Die Bundesregierung beschäftigt nach eigenen Angaben bisher 43 eigene Beauftragte und Koordinatoren. Hinzu kommen weitere Posten dieser Art in den einzelnen Ministerien. Mehr hier.
Klage ist raus: Gegen die Hochstufung durch den Verfassungsschutz hat die AfD gestern Klage beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht. Derweil hat der Bundestagsabgeordnete Sieghard Knodel aus dem Wahlkreis Reutlingen gestern sowohl die Partei als auch die Fraktion der AfD wieder verlassen. Darüber berichteten die Südwest Presse und das ZDF. Knodel war bei der vergangenen Bundestagswahl erstmals ins Parlament eingezogen, über die Landesliste Baden-Württemberg. Als Grund gab er die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem durch den Verfassungsschutz an. Sein Mandat will Knodel behalten und künftig als fraktionsloser Abgeordneter arbeiten.
Wieder ausgeladen: In Hessen hat die Entscheidung des Bundesamtes Konsequenzen für Landtagsabgeordnete der AfD. Europaminister Manfred Pentz (CDU) erklärte, er werde zunächst keine Politikerinnen und Politiker der AfD mehr zu seinen Dienstreisen in andere Staaten einladen. Er könne es Gesprächspartnern nicht zumuten, mit Vertretern einer gesichert rechtsextremistischen Partei am Tisch zu sitzen, sagte Pentz. Zuerst hatte die Bild darüber berichtet. Zwei Landtagsabgeordnete der AfD wurden demnach am Sonntag von einer Reise nach Serbien und Kroatien ausgeladen.
Neuer Ärger um ePA: Die Probleme mit der elektronischen Patientenakte (ePA) reißen nicht ab. Dieses Mal geht es um den Datenschutz: Mit einem Brief und einer willkürlichen Unterschrift ist es nach Berichten des Handelsblatts einem Sicherheitsforscher gelungen, die digitale Patientenakte einer anderen Person unbefugt zu löschen. Damit werden auch alle Inhalte gelöscht. Miriam Dahlinger berichtet in unserem Dossier Digitalwende.
Schlechter Start: Erst vergangene Woche hatten Sicherheitsexperten des Chaos Computer Clubs auf neue technische Sicherheitslücken bei der elektronischen Patientenakte aufmerksam gemacht (SZ Dossier berichtete). Der scheidende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte tags zuvor den Startschuss für die bundesweite Ausdehnung der ePA gegeben.
Widerspruch wider Willen: Der Sicherheitsforscher hatte laut Bericht Ende April mit einem Formular auf der Webseite der Barmer Widerspruch gegen die ePA einer Versicherten eingelegt. Dafür musste er demnach lediglich ihren Namen und die Anschrift kennen, eine Identitätsprüfung war nicht nötig. Versicherte können einer bestehenden Akte über die ePA-App widersprechen, dafür müssten sie diese aber erst einrichten. Leichter funktioniert der Widerspruch direkt über die Krankenkassen, die ein „bürgerfreundliches Verfahren“ für den Widerspruch aufsetzen sollten. Dieses mussten sie offenbar auch nicht mit der Bundesdatenschutzbeauftragten abstimmen.
Unter eins
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) im Gespräch mit der FAZ
Zu guter Letzt
Um 22:15 Uhr stieg Olaf Scholz in die Kanzlerlimousine mit dem Kennzeichen 0-2. Kurz war er noch zu sehen, bevor sich der Konvoi mit ihm und seiner Frau Britta Ernst in Bewegung setzte. Es war Scholz’ letzter voller Tag als Bundeskanzler, der Schlussakkord seiner Amtszeit. Am späten Abend wurde er gestern mit einem Großen Zapfenstreich im Bendlerblock verabschiedet.
Der scheidende Kanzler ließ sich seine Emotionen dabei kaum anmerken. Das Amt sei für ihn die Ehre seines Lebens gewesen, sagte Scholz. „Ich habe diese große Verantwortung immer gern getragen und spreche dies auch deshalb aus, weil man das einem Norddeutschen wie mir vielleicht nicht immer gleich im Gesicht ablesen kann“, sagte er. In seiner Rede wandte er sich an die Menschen im Land: Gerade in Krisenzeiten stehe Deutschland zusammen und wachse dadurch über sich hinaus. „Vergessen wir nicht, welche Kraft in Deutschland steckt, wenn es zusammenhält“, sagte Scholz.
Was er als Kanzler a.D. vorhat? „Ich werde nicht reich werden. Ich werde keinen Lobbyismus machen. Ich werde nicht ständig morgens im Radio sagen, was die Regierung falsch macht“, verriet Scholz am Montagmorgen bei einer Podiumsdiskussion an einer Schule in Brandenburg. Er wolle einen Beitrag dazu leisten, dass es mit dem Land „gut weitergeht“. Dazu habe er die Mittel – und die Möglichkeiten.