Sechs Frauen, drei Männer. Ein Minister, älter als 60 Jahre, zwei Ministerinnen und zwei Staatsministerinnen unter 40. Die SPD hat bekanntgegeben, wen sie ins Kabinett schickt. In der vergangenen Woche hatten CDU und CSU ihre künftigen Minister vorgestellt.
Beauftragt damit, die Regierungsmannschaft der Partei aufzustellen, hatte das SPD-Präsidium Lars Klingbeil. Mit dem Team der SPD zeigt er nun, wie weit sein Einfluss in der Partei reicht. Klingbeil hat offensichtlich die Macht, erfahrene Minister wie Hubertus Heil nicht im Kabinett zu berücksichtigen. Auch für Nancy Faeser, Klara Geywitz und Svenja Schulze sah er keine weitere Verwendung.
Stattdessen hat er ein Team aufgestellt, in dem sich viele junge und bisweilen unbekannte Gesichter finden. Anders als Friedrich Merz verzichtet Klingbeil aber auf Quereinsteiger. Bis auf Verena Hubertz haben alle SPD-Ministerinnen und Minister Erfahrung in Bundes- oder Landesministerien. Das gilt auch für die beiden Staatsministerinnen, die Klingbeil nominiert hat.
Auf die Frage, was aus Saskia Esken wird, hat Klingbeil ebenfalls eine Antwort gegeben: nichts. Sie hat gestern kein Amt in der neuen Bundesregierung bekommen, dass sie Parteivorsitzende bleibt, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Leni Breymaier, ehemals Vorsitzende in Eskens Landesverband Baden-Württemberg, hatte sich kürzlich noch öffentlich vor Esken gestellt. Gestern sagte Breymaier SZ Dossier: „Ich habe mit ihr gesprochen und den Eindruck, Saskia ist mit dem Tableau fein.“ Esken habe schließlich vier Frauen im Kabinett gefordert „und nicht drei Frauen plus sie selbst“, sagte Breymaier. „Ihre Forderung ist erfüllt.“
Lars Klingbeil hat sein Personaltableau also mit dem klaren Fokus auf das Jahr 2029 aufgestellt – und sich selbst dabei in die beste Ausgangslage für die Kanzlerkandidatur manövriert. Er wird Finanzminister und Vizekanzler. Seine mangelnde Erfahrung in den Themen, die er künftig verantworten wird, versucht er durch die Besetzung der beiden parlamentarischen Staatssekretäre auszugleichen. Da hat Klingbeil den ehemaligen SPD-Chefhaushälter der Ampel, Dennis Rohde, und den finanzpolitischen Sprecher der Fraktion, Michael Schrodi, berufen. Rohde gehört dem eher konservativen Flügel in der SPD, dem Seeheimer Kreis an, Schrodi ist Mitglied der Parlamentarischen Linken (PL).
Bärbel Bas, bis vor kurzem als Bundestagspräsidentin noch die mächtigste Frau im Staat, führt ab sofort das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Neben dem großen Budget, das sie dort verwalten wird, könnte insbesondere die Reform des Bürgergeldes ein Test für Bas werden. Die Union hatte das Ende der Sozialhilfe in dieser Form der SPD abgerungen, nun ist es an Bas, den Punkt aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Die 57-Jährige aus Duisburg hat eine klassische Aufsteigerinnen-Karriere hingelegt: Mit Hauptschulabschluss und Fachoberschulreife wurde Bas zunächst Bürogehilfin bei den Duisburger Verkehrsgesellschaft, bildete sich weiter und sammelte Erfahrung als Betriebsrätin. Sie kennt also die Arbeitnehmerinnenperspektive der Arbeitswelt sehr gut. Nicht nur deshalb ist ihre Personalie ein kluger Zug der SPD, wenn diese ihre Kernthemen in der schwarz-roten Koalition verteidigen will. Parlamentarische Staatssekretärinnen im BMAS werden die ehemalige PGF Katja Mast und Kerstin Griese.
Boris Pistorius galt schon im Vorfeld als gesetzt. Der 65-jährige Verteidigungsminister ist nach wie vor der beliebteste Politiker im Land. Bereits in seiner ersten Amtszeit hat er viele Baustellen innerhalb der Bundeswehr angestoßen, jetzt steht ihm dank der Reform der Schuldenbremse deutlich mehr Geld zur Verfügung. Er gilt als Freund der klaren Sprache, was ihm im linken Flügel der SPD gelegentlich auch Kritik eingebracht hat. Seine Aufgaben sind enorm: Pistorius muss Deutschland in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten verteidigungsfähig machen. Dafür will er das Thema ganzheitlicher angehen, was auch die neuen Parlamentarischen Staatssekretäre zeigen: Nils Schmid war bislang Außenpolitiker, Sebastian Hartmann war Innenpolitiker.
Stefanie Hubig wird Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz. Die 56-Jährige ist bislang Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz, verhandelte in den Koalitionsverhandlungen auch das Thema Bildung, Forschung und Innovation. Das Haus, das sie nun übernehmen wird, kennt Hubig bestens: Von 2014 bis 2016 war die promovierte Juristin beamtete Staatssekretärin und Amtschefin im BMJV, damals unter Heiko Maas. Zwischen 2005 und 2008 leitete sie bereits das Kabinetts- und Parlamentsreferat im Bundesjustizministerium. Parlamentarische Staatssekretäre werden Anette Kramme und Frank Schwabe.
Verena Hubertz übernimmt das Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Die gebürtige Triererin ist erst 37, hat aber schon eine beachtliche Karriere vorzuweisen: Direkt nach dem Master gründete Hubertz das Unternehmen Kitchen Stories, eine App-basierten Kochplattform, deren Geschäftsführerin sie bis 2020 war. Danach zog sie nahtlos in den Bundestag ein und übernahm direkt Führungsaufgaben; sie war in der vergangenen Wahlperiode stellvertretende Fraktionsvorsitzende für die Bereiche Wirtschaft, Bauen & Wohnen und Tourismus sowie Klima & Energie. Auch wenn sie die einzige Ministerin ohne Regierungserfahrung ist, bringt sie Erfahrung aus der (Digital)-Wirtschaft, was ihr im neuen Amt zupasskommen wird. Als Parlamentarische Staatssekretäre werden ihr Sören Bartol und Sabine Poschmann zuarbeiten.
Reem Alabali-Radovan wird Entwicklungsministerin. Die 35-Jährige, die erst 2021 in die Partei eintrat und direkt in den Bundestag einzog, steht ebenfalls für den Generationenwechsel bei der SPD. Als Staatsministerin war sie im Kanzleramt von Olaf Scholz für Migration, Flüchtlinge und Integration zuständig. Künftig wird sie als jüngstes Kabinettsmitglied das Haus für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung leiten, das die Union mit dem Auswärtigen Amt zusammenlegen wollte. Alabali-Radovan gilt als Protegé von Manuela Schwesig. Ihre Eltern stammen aus dem Irak und erhielten 1996 Asyl in Mecklenburg-Vorpommern. Ihre Parlamentarische Staatssekretäre sind Johann Saathoff und Bärbel Kofler.
Carsten Schneider wird künftig das Ressort für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit verantworten. Der 49-jährige Erfurter sitzt bereits seit 1998 im Bundestag und ist einer der dienstältesten Abgeordneten. Schneider galt bislang nicht als Umweltpolitiker, ihm wird jedoch ein freundschaftliches Verhältnis zu Klingbeil nachgesagt. Er zählt zum Seeheimer Kreis und hat innerhalb der Fraktion schon viele Aufgaben wahrgenommen. Zuletzt war er Ostbeauftragter im Kabinett Scholz. Eine besondere Herausforderung wird der Klimaschutz, der aus dem BMWK zurück ins Umweltministerium wandert. Parlamentarische Staatssekretäre werden Rita Schwarzelühr-Sutter und Carsten Träger.
Elisabeth Kaiser übernimmt die Nachfolge von Carsten Schneider als Ostbeauftragte der Bundesregierung. Anders als Schneider wird Kaiser nicht im Bundeskanzleramt, sondern im Finanzministerium arbeiten. Dafür hat Schwarz-Rot noch kurzfristig den Koalitionsvertrag geändert. Die 38-jährige Thüringerin war bislang Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium. Kaiser ist seit 2017 Abgeordnete, sie gehört dem linken Flügel der SPD an, ist Schatzmeisterin der PL.
Natalie Pawlik wird Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration im BMAS. Die 32-Jährige ist im sibirischen Wostok geboren und war seit 2022 die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Pawlik kam 1999 mit ihrer Familie als Spätaussiedlerin nach Deutschland und wuchs in Hessen auf. Sie studierte Geschichts- und Kulturwissenschaften in Gießen und wurde 2011 Stadtverordnete in Bad Nauheim und 2016 Kreistagsabgeordnete im hessischen Wetteraukreis. Tim Frehler, Elena Müller, Gabriel Rinaldi