Digitalisierung in der Pflege: Gut gemeint ist nicht gut gemacht
Die Pflege soll auch durch Digitalisierung reformiert werden. Die Bund-Länder-AG „Zukunftspakt Pflege“ erarbeitet derzeit gemeinsame Vorschläge. Die Gesundheitsministerinnen und -minister haben den Facharbeitsgruppen eine lange Liste von Fragen gestellt, auf die sie Antworten finden sollen. Expertinnen und Experten zeigen sich im Austausch mit SZ Dossier skeptisch – und fordern finanzielle Nachhaltigkeit und strategische Weitsicht.
Im Fokus des „Zukunftspakt Pflege“ steht die Frage, wo und wie Geld gespart werden kann, um die immer größer werdende Finanzierungslücke in der Pflegeversicherung zu schließen. Bund und Länder suchen aber auch Ideen, um die Versorgung zu stärken.
Der Abbau von unnötiger Bürokratie und die Potenziale der Digitalisierung sollen laut Beschluss bei der Lösungsfindung als Querschnittsthema in allen Themenbereichen eine Rolle spielen. Die Mitglieder der Arbeitsgruppen sollen sich auch mit sehr konkreten Fragen mit Digitalbezug auseinandersetzen, etwa welche Daten zur Versorgung und Finanzen fehlen; oder welche Effizienz- und Entwicklungspotenziale der Einsatz von KI in der Langzeitpflege hat.
Beobachterinnen blicken zwiegespalten auf die Initiative: Die Einberufung des Zukunftspakts Pflege sei zwar ein „wichtiger und überfälliger“ Schritt, sagte Sophia Walczyk vom Digital Health Hub MV an der Universitätsmedizin Greifswald. Endlich würde Pflege systematisch gedacht und Versorgung, Finanzierung, Digitalisierung und Fachkräftesicherung gemeinsam betrachtet.
Gleichzeitig betonte Walczyk aber, dass aus dem Dialog auch „konkrete und umsetzbare Maßnahmen“ entstehen müssten. „Pflegekräfte, Angehörige und Träger brauchen keine weiteren Pilotprojekte, sondern strukturelle Lösungen, die im Alltag funktionieren.“
Die Arbeitsaufträge für die Fachgruppen beobachtet sie skeptisch: Es bleibe bei sehr allgemeinen Fragen. Ein klarer Transferansatz fehle. Besonders kleinere Träger im ländlichen Raum bräuchten finanzierbare und praxisnahe Wege in die digitale Versorgung – hier seien klare gesetzgeberische Antworten nötig – keine Prüfaufträge.
Richtig gemacht, kann Digitalisierung Pflegekräfte und Angehörige entlasten, Prozesse effizienter machen und die Versorgung für die Pflegenden verbessern, sind sich Expertinnen sicher. Etwa wenn Künstliche Intelligenz Zeit bei der Dokumentation spart, Apps an Medikamente erinnern – oder automatisch den Herd von Demenzpatienten ausschalten.
Um die Potenziale der Digitalisierung in der Pflege am besten zu nutzen, müsse die Wirksamkeit von Anwendungen aber gezielt auf Entlastung geprüft und die Erkenntnisse der Praxis in der Pflege zugänglich gemacht werden – damit neue Systeme nicht zu noch mehr Stress und Mehrarbeit führen.
Was Expertinnen und Experten kritisch sehen: Digitalisierung soll laut Arbeitsauftrag Kosten sparen, aber keine verursachen. Die Arbeitsgruppen sollen keine Vorschläge unterbreiten, die zu Mehrausgaben führen, „die nicht ausschließlich auf die demografische Entwicklung zurückzuführen sind“ – eine echte Modernisierung könnte so schwierig werden. Ohnehin stehen alle Vorschläge, die die Arbeitsgruppen ausarbeiten werden, unter Finanzierungsvorbehalt.
„So geht Innovation nicht“, sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Investitionen in bauliche und digitale Infrastruktur seien unerlässlich, denn „innovative Versorgungskonzepte können nicht in Uraltgemäuern umgesetzt werden“.
Die Bund-Länder-Initiative soll das Pflegesystem in die Zukunft führen. Sie wird am Ende auch daran gemessen werden, wie viel Digitales mit Mehrwert wirklich herausgekommen ist.
Eine Version dieses Textes konnten Abonnentinnen und Abonnenten unseres Dossiers Digitalwende bereits am Montag lesen.