Digitales Durcheinander – mit Ansage
Alles sollte diesmal anders werden. Und doch werden Union und SPD Fragen der Digitalisierung und der Staatsmodernisierung erneut getrennt voneinander verhandeln – wie es 2021 bereits die Ampel-Parteien gemacht haben.
In den 16 Arbeitsgruppen wird Digitalisierung als Querschnittsmaterie zwangsläufig fast überall eine Rolle spielen. Es gibt aber auch eine eigene, allerdings nicht näher definierte „AG Digitales“. Geleitet wird sie vom baden-württembergischen CDU-Chef Manuel Hagel.
Für die CDU sind zusätzlich die Abgeordneten Ronja Kemmer und Catarina dos Santos-Wintz, die Noch-Abgeordnete Nadine Schön, der schleswig-holsteinische Staatskanzleichef Dirk Schrödter und die hessische Digitalministerin Kristina Sinemus dabei. Die CSU vertreten die Abgeordneten Reinhard Brandl und Jonas Geissler sowie Bayerns Gesundheits- und frühere Digitalministerin Judith Gerlach. Für die SPD verhandeln die Abgeordneten Armand Zorn, Metin Hakverdi und Carolin Wagner sowie Europaparlamentarier Tiemo Wölken, SPD-Bayern-Chefin Ronja Endres, MV-Digitalminister Christian Pegel und der rheinland-pfälzische Staatskanzleichef Fedor Ruhose.
Beteiligte erzählen, dass in der AG Digitales das „digitalpolitische Gesamtpaket“ verhandelt wird: Von KI über Datennutzung und digitale Souveränität bis hin zu europäischer Digitalgesetzgebung. Aber eben auch: Verwaltungsdigitalisierung. Was heißt, dass es massive Überschneidungen mit der AG Staatsmodernisierung geben wird, die Philipp Amthor (CDU) leitet.
Bei Großvorhaben wie der Registermodernisierung, dem Onlinezugangsgesetz oder auch elektronischen Identitäten geht es immer um komplexe föderale Zuständigkeitsfragen. Ein Beteiligter erzählte auch, dass Cybersicherheit in der AG Digitales eine Rolle spielen soll. Dort gäbe es nicht nur Überschneidungen mit den AGs für Inneres und Äußeres, sondern ebenfalls mit der AG Staatsmodernisierung (Stichwort BSI-Zentralstelle).
In Gesprächen zeigten sich Beteiligte nicht zu hundert Prozent glücklich mit der Struktur, wollen nun aber das Beste daraus machen. Am Ende komme es auf die Koordinierung der AGs an, sagten mehrere künftige Verhandler.
Expertinnen und Experten sind deutlich skeptischer. „Es wird wieder die politische Priorisierung für Verwaltungsdigitalisierung fehlen, wenn man das Thema in zwei Arbeitsgruppen verhandelt“, sagte Beraterin Julia Borggräfe, die früher im Bundesministerium für Arbeit und Soziales tätig war und dort eine Digitalabteilung aufgebaut hat.
Das Ganze könne auch rein praktisch nicht funktionieren, glaubt sie: „Wenn in der AG Digitales über Standardisierung gesprochen wird, sind das auch föderale Fragen, die ebenso in der AG Staatsmodernisierung verhandelt werden müssen.“ Am Ende werde die AG Digitales immer auch bei Zuständigkeitsfragen landen. Die liegen dann aber voraussichtlich in der AG Staatsmodernisierung. „Ich glaube nicht, dass man das im Nachhinein sinnvoll übereinanderlegen kann“, sagte Borggräfe.
Das Vorgehen sei zudem nicht konsistent mit dem Sondierungspapier, sagte Stefan Heumann, Geschäftsführer der Denkfabrik Agora Digitale Transformation. Dort hieß es noch, Digitalisierung sei zentral für die Modernisierung des Staates. Beide Bereiche müssten in einem künftigen Digitalministerium zusammengebracht werden, sagte Heumann. Die Trennung der Themen in den AGs dürfe nicht heißen, dass in der kommenden Bundesregierung auch mit einer institutionellen Trennung gerechnet werden dürfe.
Henriette Litta, Geschäftsführerin der Open Knowledge Foundation, versucht es diplomatisch: „Die Verhandelnden haben jetzt die Chance, bereits in den Koalitionsverhandlungen zu zeigen, wie Modernisierung aussehen könnte.“ Etwa, indem beide Arbeitsgruppen einen guten Mechanismus fänden, um sich zielführend auszutauschen und zusammenzuarbeiten. Zudem sollte externer Rat gesucht werden. Kurzum: „Agilität, kein Silodenken, Mut für langfristige Änderungen, kluge Köpfe.“ Matthias Punz
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