Drohnen werden das prägende Waffensystem kommender Kriege. Europa muss eigene Systeme entwickeln – schnell, in großer Zahl und möglichst unabhängig von außereuropäischen Lieferketten.
Noch ist die Bundeswehr auf Partner angewiesen. Seit 2024 fliegt sie mit geleasten israelischen Heron-TP-Aufklärungsdrohnen, die bis zur Einführung der Eurodrohne ab 2030 im Einsatz sein sollen. Im April schloss die Bundeswehr zudem Verträge mit zwei Herstellern sogenannter Loitering Munition ab.
Loitering Munition, auch Kamikazedrohne genannt, kreist länger über einer Zielregion – und stürzt sich auf das Ziel, sobald sie es mithilfe bordeigener Sensoren und intelligenter Software ausgemacht hat. Dabei zerstört sie das Ziel und sich selbst. Man habe genug beschafft, um „umfassende Tests und Erprobungen für einen längeren Zeitraum in der Truppe“ durchführen zu können, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums SZ Dossier. Bis 2029 sollen außerdem Deep-Strike-Drohnen folgen, die wie unbemannte Kampfflugzeuge Ziele weit hinter der Front angreifen können.
Parallel formiert sich eine neue Drohnen-Industrie in Europa – und sie wächst mit hohem Tempo. Mehrere deutsche Start-ups wie Helsing¸ Tytan, Stark und Quantum entwickeln in Konkurrenz zu den traditionellen Rüstungskonzernen Kampf- und Aufklärungsdrohnen.
Alle vier Startups sind in der Ukraine aktiv, wo ihre Drohnen im Einsatz an der Front sind oder live getestet werden, auch für Europas Militär. Helsing produziert etwa die KI-Drohne HX-2, die die Ukraine nutzt, und Tytan KI-gestützte Drohnenabwehrsysteme. Stark hat eine Senkrechtstarter-Kamikazedrohne namens Virtus mit KI-unterstützter Software entwickelt und in der Ukraine getestet.
„Der Fokus liegt klar auf dem europäischen und Nato-Markt“, sagt Stark-Manager Josef Kranawetvogl – und betont die strategische Bedeutung lokaler Lieferketten: Der Datenlink kommt von Radionor aus Norwegen, der Gefechtskopf kommt von TDW in Deutschland. Mit TDW gab Stark am Freitag einen Vertrag zur gemeinsamen Entwicklung neuer Hochleistungs-Gefechtsköpfe bekannt.
Die Grundidee: europäische Produktion mit kurzen Wegen und verlässlichen Partnern. München sei ein starkes Luftfahrtzentrum, sagt Kranawetvogl. „Da nutzen wir die Expertise und den Arbeitsmarkt.“ Gleichzeitig kündigte Stark jüngst Investitionen in Großbritannien an.
Ziel ist eine resiliente europäische Drohnenproduktion – und der Bruch mit der jahrzehntelangen Abhängigkeit von außereuropäischen Technologien. Ganz ohne China geht es allerdings nicht. Bei Rohstoffen wie Seltenen Erden oder bei Mikrochips gibt es bislang keine vollständige Alternative. „Europa versucht aber, mehr dieser Grundstoffe für die Elektronik etwa aus Australien oder Indien zu beziehen“, sagt Kranawetvogl.
Für die Chips gibt es auf dem Weltmarkt nicht so viele Hersteller. Die meisten nutzen laut Kranawetvogl Nvidia-Chips. „Wir sind an Alternativen dran, zum Beispiel vom Zentrum für Luft- und Raumfahrt, die eine eigene Chip-Herstellung haben – oder von MBDA, die für ihre Lenkflugkörper eigene Chips entwickeln können.“ Doch das dauere Jahre. „Es ist also nicht möglich, darauf zu warten, wenn man schnell ein Produkt auf den Markt bringen will.“
Schnelligkeit ist das, was alle Militärs derzeit nachfragen, denn der Krieg verlangt nach ständiger Neuerung. Die Innovationszyklen seien geradezu schwindelerregend, sagt Marie-Christine von Hahn, Hauptgeschäftsführerin vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI).
Die Nachfrage wird auch nicht plötzlich versiegen. Wegen der schnellen Innovation kann man Drohnen nicht einfach in großer Menge einlagern wie Artilleriemunition. Sie veralten viel zu schnell. Bei vielen Manövern wird zudem mit scharfer Loitering-Munition geübt, wobei sich die Kamikazedrohnen eben auftragsgemäß zerstören – und daher immer wieder ersetzt werden müssen.
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