Als Finanzminister muss man Nein sagen können, zumindest wenn es um den Haushalt geht. Jede Partei, jedes Ministerium, jedes Bundesland, jeder Verband hat stets Ideen, wofür man Geld braucht. Lars Klingbeil (SPD) hat in den vergangenen Wochen das Neinsagen geübt und wird es noch öfter tun: Im Finanzplan 2027 bis 2029 fehlen 172,1 Milliarden Euro. Mehr als zehn Prozent der geplanten Ausgaben im Kernhaushalt sind nicht gedeckt. „Die Beliebtheit des Finanzministers im Kabinett wird sich nicht erhöhen“, sagte Klingbeil gestern nach dem Beschluss über den Haushaltsentwurf 2026. Aber allen Ministerinnen und Ministern sei klar, dass sie ab dem nächsten Jahr über größere Einsparungen reden müssen. Aber an welchen Stellschrauben kann die Bundesregierung drehen?
Subventionen: Wie die meisten Regierungen vor ihr hat sich auch die jetzige vorgenommen, Subventionen zu überprüfen. Die erreichten im Jahr 2023 nach Beginn des Ukrainekriegs einen Höchststand von 104 Milliarden, nach Auslaufen einmaliger Energiehilfen sind es deutlich weniger. Koalitionsbeschlüsse wie die Senkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie zählen aber als Steuersubvention. Zwar sind immer große Mehrheiten für Subventionsabbau, aber wenn wirklich etwas gestrichen werden soll, ist der Ärger groß. Zuletzt erkämpften die Bauern mit Massenprotesten und Traktor-Blockaden den Erhalt des verbilligten Agrardiesels. Anders als Landwirte und Gastronomen ging gestern die Luftfahrtbranche leer aus: Die im Koalitionsvertrag erwähnte Senkung der Steuer auf Flugtickets bleibt aus.
Gebühren: Die Kosten für die Infrastruktur zahlen im Prinzip die Nutzer. Bei der Bahn geschieht das über Fahrkarten, bei Strom- und Gasleitungen über Netzgebühren. Auch wenn der Staat wie jetzt einen Teil der Investitionskosten übernimmt, sollen sich Netze auf Dauer selbst tragen. In einigen Jahren wird daher die Pkw-Maut wieder auf den Tisch kommen. Heute zahlen die meisten Autofahrer Mineralölsteuer. Je mehr Wagen aber Elektroantrieb haben, desto weniger Mineralölsteuer geht ein. Eine Autobahngebühr würde diejenigen stärker belasten, die mehr fahren. Und ähnlich wie die Lkw-Maut auch für ausländische Wagen gelten.
Sozialsystem: Der größte Einzelposten im Bundehaushalt sind die Zuschüsse zur Rentenversicherung. Der Staat zahlt vor allem für Leistungen, für die keine Beiträge gezahlt wurden. Ein Beispiel ist die Mütterrente. Trotz der Steuerzuschüsse kritisieren Fachleute wie die von der Industrieländerorganisation OECD die im internationalen Vergleich hohe Belastung der Arbeitseinkommen durch Sozialbeiträge. Die Beitragszahler der Krankenversicherung etwa tragen auch Kosten für Bürgergeldempfänger. Eigentlich müsste der Bund also sogar mehr zuschießen, was Klingbeil aber ablehnt.
Die Koalition will nun in mehreren Kommissionen untersuchen, wie die Sozialausgaben gesenkt werden können, im Gesundheitssystem etwa durch mehr Effizienz. Karenztage, weniger Apotheken, weniger Krankenkassen – in anderen EU-Ländern gibt es für alles Beispiele. Mit der CDU nicht zu machen sein dürfte eine Reform, die die Zweiteilung in private und öffentliche Krankenversicherung verändert. Weil eventuelle Einsparungen nicht sofort wirken, schloss auch Klingbeil eine erneute Erhöhung der Kassenbeiträge im Jahr 2026 nicht aus.
Rentenausgaben und Beiträge werden angesichts des Rentenbeginns der Babyboomer in den nächsten Jahren weiter steigen. Die Renten ein Jahr nicht zu erhöhen, wie es gerade die französische Regierung vorgeschlagen hat, würde das Rentenniveau senken. Da stehen aber SPD und Gewerkschaften dagegen, zumal die Haltelinie von 48 Prozent des Einkommensdurchschnitts im Vergleich zu Nachbarn wie Frankreich oder Österreich schon niedrig ist. Auch ein höheres Renteneintrittsalter lehnt die SPD ab. Alle Beamten und Selbständigen einzahlen zu lassen, kostet kurzfristig mehr, weil die bestehenden Pensionsansprüche bleiben würden. Bleibt das Vorhaben, Frauen mehr Vollzeitarbeit zu erleichtern und mehr Rentner zur Weiterarbeit zu motivieren.
Steuern: Im Vergleich zu den USA, Großbritannien oder Frankreich sind die sogenannten Substanzsteuern niedrig. Die Parteien links der Mitte würden gerne die Vermögenssteuer wieder einführen, mit der Union dürften aber allenfalls Änderungen bei der Erbschaftsteuer zu machen sein. Die von der Koalition versprochenen Entlastungen bei der Lohnsteuer für untere und mittlere Einkommen könnte nach dem Willen der SPD durch einen höheren Spitzensteuersatz kompensiert werden – dazu ist die Union aber noch nicht bereit. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat eine Digitalsteuer vorgeschlagen. Wenn es am Ende eng wird, könnte auch die Mehrwertsteuer erhöht werden – das geschah zuletzt 2006 am Anfang der Regierungszeit von Angela Merkel.
Kredite. Anders als in den Jahren bis 2020 wird ein großer Teil der Ausgaben durch Kredite finanziert. Investitionen sollen die Produktivität steigern und das Land attraktiver machen. Für Kredite werden aber Zinsen fällig. Wenn nicht irgendwann gegengesteuert wird, könnte die Gesamtverschuldung von heute gut 60 auf rund 90 Prozent Anfang der 2040er Jahre steigen. Das würde das Kapitalmarkt-Rating der Bundesanleihen als absolut sicher (Triple A) wohl nicht gefährden, aber dann müssten nach einer Berechnung des Finanzministeriums Zinsen in Höhe von 2,7 Prozent des BIP gezahlt werden. Für Zinsen würde dann fast so viel ausgegeben wie für Verteidigung oder Soziales.
Die Regierung will daher das Defizit in der 2030er Jahren wieder verringern, um den Schuldenstand zumindest zu stabilisieren. Von den 500 Milliarden für die Infrastruktur will der Bund möglichst schnell viel verbauen, so dass ab 2030 weniger Kredite für das Sondervermögen aufgenommen werden müssen.
Stellschrauben gibt es also viele, aber daran zu drehen, tut meist irgendwo weh. Man braucht Entschlossenheit, klare Mehrheiten und gute Begründungen. Nein allein recht nicht.