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Briefing

Platz der Republik,

Die SPD diskutiert über Russland

Guten Morgen. Polens Ministerpräsident Donald Tusk hat die von ihm gestellte Vertrauensfrage gewonnen. Zehn Tage nach der Niederlage seines politischen Lagers bei der Präsidentschaftswahl sprach ihm eine Mehrheit der Abgeordneten das Vertrauen aus.

Im Juli will er sein Kabinett umbilden, die Regierung soll kleiner werden. Es bleibt aber kompliziert: Schon der noch amtierende Präsident Andrzej Duda blockierte viele Vorhaben der Regierung – sein Nachfolger Karol Nawrocki hat bereits angekündigt, nach seinem Amtsantritt am 6. August könne Tusk sich auf „starken Widerstand aus dem Präsidentenpalast“ gefasst machen.

Der wollte mit seiner Vertrauensfrage vor allem zeigen, dass seine Koalition zusammensteht. Man werde „keinen Schritt zurückweichen“, sagte er. Tusk berichtete zudem von einem Notfallplan, um mit Blockaden des neuen Präsidenten umzugehen. Mehr verriet er bislang nicht. Dafür kündigte er an, dass voraussichtlich noch im Sommer Teilkontrollen an der Grenze zu Deutschland eingeführt werden sollen.

Willkommen am Platz der Republik.

1.

In einem Papier haben prominente Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten eine Abkehr von der Aufrüstungspolitik sowie Gespräche mit Russland gefordert. Vor dem wichtigen Parteitag in knapp zwei Wochen tut sich in der SPD damit eine außenpolitische Debatte auf, innerhalb der Bundestagsfraktion herrscht Unverständnis. „Ein inhaltlich in weiten Teilen fragwürdiges Papier ist nicht Beschlusslage in der Fraktion oder Partei und würde im Falle einer Einbringung auf dem Bundesparteitag auch keine Mehrheit finden“, sagte Adis Ahmetović, außenpolitischer Sprecher der Fraktion, SZ Dossier.

Was zuvor geschah: Der Stern berichtete zuerst über ein „Manifest“ des SPD-Friedenskreises, das SZ Dossier vorliegt. In dem vierseitigen Dokument fordern SPD-Politiker wie Rolf Mützenich, Ralf Stegner und Norbert Walter-Borjans unter anderem eine „schrittweise Rückkehr zur Entspannung der Beziehungen und einer Zusammenarbeit mit Russland“ und die „behutsame Wiederaufnahme diplomatischer Kontakte“. Ebenso bezeichnen sie eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben als „irrational“ und sprechen von einem „Zwang zu immer mehr Rüstung und zur Vorbereitung auf einen angeblich drohenden Krieg“.

Ebenfalls gefordert: Die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland lehnen sie ab. Die Unterzeichnenden schreiben, „militärische Alarmrhetorik und riesige Aufrüstungsprogramme“ führten nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu einer noch stärkeren „Bedrohungswahrnehmung“ zwischen der Nato und Moskau. Eine Beteiligung Deutschlands oder der EU an einer „militärischen Eskalation in Südost-Asien“ wird vorsorglich abgelehnt.

Einzelmeinung: SPD-Abgeordnete unterstrichen, dass lediglich fünf der 120 SPD-MdBs unterschrieben hätten. „Es spiegelt weder die aktuelle Beschlusslage der SPD noch die mehrheitliche Position unserer Bundestagsfraktion wider“, sagte die Außenpolitikerin und Parlamentarische Geschäftsführerin Derya Türk-Nachbaur SZ Dossier. „In einigen Punkten halte ich es für politisch unklug – etwa in der Forderung nach einer schrittweisen Wiederaufnahme diplomatischer Kontakte zu Russland unter den derzeitigen Bedingungen“, fügte sie hinzu. Eine solche Forderung sei nicht zielführend, solange Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg fortsetze.

Außenpolitische Grundsätze: Wie Ahmetović ausführte, bleibe die außen- und sicherheitspolitische Neuausrichtung der SPD klar. „Wir stehen fest an der Seite der Ukraine und betonen mit aller Deutlichkeit, dass wir eine neue Sicherheitsarchitektur nicht mit, sondern vor Russland entwickeln müssen, solange Russland an seiner aggressiv-imperialistischen Außenpolitik festhält“, sagte er. Als wesentliche Grundsätze nannte er Europa, das transatlantische Bündnis, den Multilateralismus und das Völkerrecht. „Die SPD ist eine Friedenspartei und bleibt diese auch, wenn sie klar erkennt, dass es neue Realitäten gibt, die neben Diplomatie auch militärische Stärke bedingen“, sagte Ahmetović.

Pistorius vs. Mützenich: Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte gestern der dpa, das Papier sei „Realitätsverweigerung“. „Es missbraucht den Wunsch der Menschen in unserem Land nach Ende des furchtbaren Krieges in der Ukraine. Nach Frieden“, sagte er. Mützenich, einer der Unterzeichner, sagte dem Tagesspiegel, die Reflexe, die kommen, seien leider nicht neu. Das Dokument allein auf Russland zu verengen, werde den Gedanken und Forderungen nicht gerecht. „Daher hoffe ich auf angemessene und ernsthafte Auseinandersetzung mit unseren Ideen“, sagte er. Der Zeitpunkt der Fertigstellung vor dem Parteitag habe auch damit zu tun, dass sich die SPD ein neues Grundsatzprogramm geben wolle.

Ärger vor dem Parteitag? Das „Manifest“ liest sich als Angriff auf die außenpolitische Linie von Parteichef und Vizekanzler Lars Klingbeil. Diese Lesart teilen aber nicht alle in der Partei: „Einen außenpolitischen Richtungsstreit innerhalb der SPD sehe ich nicht“, sagte Türk-Nachbaur. Kontroverse Meinungen seien kein Zeichen von Spaltung, sondern „gelebte innerparteiliche Demokratie“. Das Papier sei aus ihrer Sicht keine „substanzielle Kritik“ an der aktuellen außenpolitischen Linie der Parteiführung. Vielmehr zeige es, dass Einzelne eine andere Lesart vertreten. Die Debatte dürfte allerdings spätestens auf dem Parteitag weitergehen.

2.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) und andere Bundestagsabgeordnete waren vor einigen Jahren Mitglied im Beirat der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft (DPG). Die Organisation hat sich vom Massaker der Hamas auf Israel distanziert und hält laut ihrer Grundsätze an der Zwei-Staaten-Lösung fest, unterstützt aber offen die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall geführte BDS-Bewegung. Was hat es mit Wadephuls Engagement auf sich?

„Eine Zeit lang“ Mitglied: „Als Mitglied des Deutschen Bundestags und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss war Herr Wadephul Berichterstatter für verschiedene arabische Staaten und auch für die Palästinensischen Gebiete“, heißt es aus Wadephuls Bundestagsbüro. In dieser Funktion sei er „eine Zeit lang“ Mitglied im Beirat der DPG gewesen, so wie die Berichterstatter der anderen demokratischen Fraktionen auch. In der Tat werden neben anderen Personen auch Aydan Özoğuz (SPD) und Omid Nouripour (Grüne) auf der Seite der Organisation als ehemalige Beiratsmitglieder geführt.

Gemeinsame Entscheidung: „Als sich abzeichnete, dass die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft Positionen vertrat, die nicht mit den eigenen Überzeugungen vereinbar waren, haben die Mitglieder des Bundestags gemeinsam entschieden, den Beirat zu verlassen“, heißt es aus dem Büro Wadephul. In einem Rundbrief der DPG aus dem Jahr 2017 wird der CDU-Politiker gemeinsam mit weiteren Politikern und Persönlichkeiten begrüßt, die eine Berufung „dankenswerterweise“ angenommen haben – das Gremium wird als „kritisches und unterstützendes Organ“ beschrieben.

Eindeutige Positionen: So manche Position der DPG, die nicht nur in der CDU als problematisch gelten dürfte, war aber schon damals klar. Im Grußwort desselben Rundbriefs etwa heißt es, weltweit wackle „das Konstrukt der zionistischen Lobby“ und „die zionistische politische Elite wird immer deutlicher in ihren wahren Absichten, sie wird zunehmend rassistischer und fundamentalistischer.“ Nur wenige Zeilen oberhalb der Begrüßung der Beiratsmitglieder erklärt die DPG, sie unterstütze die BDS-Bewegung. Diese Bewegung richtet sich unter anderem gegen Waren aus Israel sowie die Zusammenarbeit in Kultur und Wissenschaft.

Extremistischer Verdachtsfall: Wadephuls Bundestagsbüro nannte auf die Nachfrage, wann genau die Abgeordneten den Beirat verlassen haben, keinen Zeitpunkt. Der CDU-Politiker sei „schon seit Jahren“ nicht mehr im Beirat, hieß es. Die BDS-Bewegung ist seit Jahren umstritten. Laut Antisemitismusbericht des Bundestags von 2017 dient sie als „Plattform für antisemitische Haltungen“. 2019 bewertete der Bundestag ihre Methoden als antisemitisch. Sie wird zudem vom Bundesverfassungsschutz als extremistischer Verdachtsfall eingestuft. Im Verfassungsschutzbericht 2023 heißt es, die Bewegung verlange ein Ende der Besatzung „allen arabischen Landes“, was laut Verfassungsschutz als Infragestellung des Existenzrechts Israels zu werten ist.

3.

Seiner Studie über die „grüne Regierungspraxis in der Ampel-Koalition“ stellt Autor Arne Jungjohann eine persönliche Wahrnehmung voran: Demnach würden strukturelle Faktoren in der öffentlichen Debatte unterschätzt, also Fragen wie: Welche Verfahren, Abläufe und Gremien nutzt eine Regierung, nutzt eine Partei, „um zu regieren und Konflikte zu managen“. Personelle Faktoren, „also wie gut ein Minister oder eine Ministerin vorgehen“, würden dagegen überschätzt. Also hat sich Jungjohann diese strukturellen Faktoren mit Blick auf die Grünen näher angeschaut. Die Studie wurde von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung herausgegeben und gestern veröffentlicht.

Wer übernimmt welche Rolle? Jungjohann hat für seine Untersuchung mit 32 Personen aus dem Umfeld der Grünen gesprochen, darunter Vertreterinnen und Vertreter der Parteispitze, Bundes- und Landesminister. Herausgekommen ist etwa, dass der Partei in der Ampelkoalition eine genaue Vorstellung davon gefehlt habe, wie eine gute Rollenverteilung zwischen den Grünen in der Bundesregierung, der Bundestagsfraktion, der Bundespartei und ihren Vertretern in den Landesregierungen hätte aussehen können. Wer gibt den Wadenbeißer? Wer kommuniziert welche Erfolge? Was ist das übergeordnete Ziel der Regierungsbeteiligung? Solche Fragen sollten die Grünen klären, schreibt der Autor.

Ran an die Strukturen: Während in anderen Parteien Generalsekretäre streitlustige Köpfe seien und das Vertrauen der Parteivorsitzenden hätten, sei die Bundesgeschäftsführung der Grünen „hingegen eine Position, die stärker nach innen gerichtet ist und wenig Beinfreiheit hat“. Wenn es bei den Grünen ein strategisches Zentrum gäbe, „dann wäre es die Sechserrunde“, schreibt Jungjohann – jenes informelle Gremium, in dem zu Ampel-Zeiten die beiden Parteivorsitzenden, die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion sowie die Minister Habeck und Baerbock zusammenkamen.

Strategisches Zentrum: Diese Runde könnte ein strategisches Zentrum sein, analysiert der Autor, „wenn sich die Akteure über ihre Rolle einig wären“. Eine Reform des Gremiums sei also eine Chance, um die Strategiefähigkeit der Partei in einer Regierung zu erhöhen. Der Vorsitzende der NRW-Grünen, Tim Achtermeyer, sagte in einer ersten Reaktion, ihn überzeuge die These nicht, die Grünen hätten zu viele Sprecher. „Viele Stimmen müssen ja gar nicht zwangsläufig gegeneinander ansingen, sondern können auch einen mehrstimmigen Chor ergeben“, sagte Achtermeyer SZ Dossier. Wie gefährlich die maximale Ausrichtung auf nur eine Person sei, habe man gerade an der FDP und Christian Lindner gesehen.

Beziehungsarbeit: Mit Blick auf die Arbeit der Ampel schlussfolgert der Autor, der vergleichsweise guten Zusammenarbeit in der Regierung habe überwiegend „ein konfliktbeladener und von Misstrauen und Abneigung geprägter Austausch der Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP“ gegenübergestanden. Auf der Ebene der Abgeordneten habe es an Beziehungsarbeit gefehlt, auf der Ebene der Parteivorsitzenden sei es erst gar nicht gelungen, „einen strukturierten Austausch zu etablieren“. Mehr zu der Studie gibt es hier auch vom SZ-Kollegen Markus Balser.

Mehr Überraschungen: Achtermeyer forderte die Grünen auf Bundesebene auf, als Opposition auch einmal „ein bisschen frech“ sein zu können: „Wir brauchen als Grüne auch mal Überraschungsmomente. Und wir sollten vielleicht nicht ununterbrochen den Eindruck erwecken, wir seien staatstragender als die Koalitionsparteien.“

Ohne große öffentliche Aufmerksamkeit hat das neue Bundesdigitalministerium vergangene Woche den Auftakt für eines seiner zentralen Vorhaben gemacht: den Deutschland-Stack, kurz D-Stack. Mehr als hundert Mitarbeitende aus den künftigen Abteilungen des Ressorts kamen dazu am Dienstag zusammen. Ein Sprecher des BMDS bestätigte Informationen von SZ Dossier und nannte erstmals ein konkretes Ziel: Bis 2028 soll der D-Stack stehen.

Der Aufbaustab III („Tech Stack“) stellte laut Beteiligten einen ersten Zwischenstand und Konzepte vor. Geleitet wird er von Martin von Simson, der formal noch im Bundesinnenministerium angestellt ist und dort die Abteilung Digitale Gesellschaft und Informationstechnik leitete, die ins neue Ressort wechselt. Die Teilaufbaustäbe orientieren sich an den künftigen Zuständigkeiten: Im BMDS könnte also eine Tech-Stack-Abteilung entstehen, die von Simson leitet. Das Organigramm soll diesen Monat fertig werden und Klarheit bringen.

Der D-Stack hört sich zwar modern und neu an, verfolgt aber eigentlich ein altes Ziel: Schluss mit dem Flickenteppich unterschiedlichster Technik und Software in der Verwaltung. Das Ganze ist ein Zielbild für ein technisches Schichtenmodell. Die Schichten setzen sich aus einzelnen Elementen und Blöcken zusammen, die erstmals bundesweit ineinandergreifen sollen. Das Gesamtsystem soll zudem interoperabel mit anderen EU-Systemen sein und für die Wirtschaft zugänglich werden. Ein Megaprojekt also, das mehrere Baustellen zugleich angeht.

Von Simson habe den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Ziele des Deutschland-Stack und die ersten sogenannten Missionen vorgestellt, sagte der Sprecher des BMDS. Demnach war Personal aus den Aufgabenbereichen IT-Architektur, Rechenzentren, Cloud, Netze, Sicherheit, Applikationen und IT-Einkauf mit dabei.

Aus dem nachgelagerten Bereich des Bundes nahmen Vertreter des ITZBund, des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), des Bundesverwaltungsamts (BVA), des Digitalservice und des Zentrums für digitale Souveränität (Zendis) teil. Einziger Akteur ohne reinen Bundeshintergrund war die Bund-Länder-Anstalt Föderale IT-Kooperation (Fitko).

Die Länder und die Privatwirtschaft blieben bei dem Treffen außen vor. Das kam besonders in manchen Ländern nicht gut an. Denn bei dem Vorhaben geht es um viel Geld. Bezahlt werden soll es vor allem aus dem Sondervermögen Infrastruktur. Der Bund hat den Ländern bisher wenig Einblicke in den D-Stack gewährt.

Bei der Klausur des Bund-Länder-Gremiums IT-Planungsrats stellte eine Bundesvertreterin kürzlich lediglich vage Ideen vor (SZ Dossier berichtete). Gestern trafen sich die Abteilungsleiter von Bund und Ländern, um die kommende Sitzung des IT-Planungsrats Ende Juni vorzubereiten.

Der D-Stack werde aus einer einheitlichen IT-Infrastruktur mit Basiskomponenten wie Cloud- und IT-Diensten, Fachplattformen sowie klar definierten Schnittstellen mit Fokus auf IT- und Cybersicherheit bestehen, sagte der Sprecher des Ressorts. Er soll sowohl für Bund und Länder als auch für die Kommunen bereitstehen und zur bundesweiten Verwaltungsinfrastruktur werden. Da bestehende Strukturen so konsolidiert und Standards gesetzt werden könnten, würden sowohl Ressourcen gespart als auch die Anwendungen verbessert.

Einige Bausteine sind gesetzt. Die Wallet etwa, die jeder EU-Staat bis Ende 2026 anbieten muss und die in Deutschland derzeit von der Bundesagentur für Sprunginnovationen (Sprind) entwickelt wird. In ihr können künftig Ausweise, Nachweise und Dokumente abgelegt werden, die Bürgerinnen und Bürger nach Bedarf mit Behörden oder privatwirtschaftlichen Akteuren teilen. Eine erste Version der Anwendung soll bis Ende dieses Jahres stehen.

Gesucht wird allerdings noch eine Plattform, die bundesweit anschlussfähig ist und von den Ländern akzeptiert wird. Wie SZ Dossier berichtete, bevorzugt der Bund hier wohl die sogenannte Wasserstoffplattform. Hier geht es um eine KI-gestützte Plattform zur beschleunigten Planung des Wasserstoff-Kernnetzes, wie das Bundeswirtschaftsministerium das Vorhaben im vergangenen Dezember ankündigte. Die Idee: Sie sollte für alle Genehmigungsprozesse genutzt werden, nicht nur in diesem engen Bereich.

Aus Kreisen des Govtech Campus Deutschland, der an dem Projekt beteiligt ist, heißt es, dass zeitnah eine Ausschreibung für eine zugehörige Cloudinfrastruktur veröffentlicht wird, auf der die Komponenten der Plattform laufen können. Neben der Wallet und der H2-Plattform nannte der Sprecher des BMDS das KI-Portal des Bundes (Kipitz) und das National-Once-Only-Technical-System (Noots). Letzteres soll zur „Datenautobahn“ von Bund und Ländern werden und erstmals einen ebenen- und behördenübergreifenden Datenaustausch ermöglichen.

Ein Staatsvertrag zum Thema muss von allen Landesparlamenten und dem Bundestag beschlossen werden. Das Bundeskabinett nickte den Entwurf vergangene Woche ab. Nach Informationen von SZ Dossier soll nun zudem ein Zielbild für eine Digitalagentur des Bundes entworfen werden, die künftig eine zentrale Rolle beim Deutschland-Stack und anderen Digitalprojekten spielen wird. Ob für diese Einheit andere Stellen aus dem nachgelagerten Bereich miteinander verschmelzen oder eine Holding steuernd über sie gelegt wird, ist eine der offenen Fragen.


Diesen Text konnten Abonnentinnen und Abonnenten des Dossiers Digitalwende bereits vorab lesen.

von Matthias Punz

4.

Wüst ist bereit: Auch im Länderkreis gibt es mittlerweile die Bereitschaft, Kompetenzen und Zuständigkeiten abzugeben. Öffentlich am klarsten hat sich bisher NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) dazu bekannt. Auf Nachfrage von SZ Dossier präzisierte eine Sprecherin der dortigen Staatskanzlei, dass es insbesondere um Zuständigkeiten gehe, „bei denen alle Länder die gleichen Leistungen erbringen und dabei auf die gleichen Daten des Bundes zurückgreifen“. Als Beispiele nannte sie das Kfz- und das Meldewesen.

Aufschlag: Die Länder müssten auch „mal loslassen, Macht abgeben und Veränderungen zulassen“, sagte Wüst vergangene Woche in einer bemerkenswerten Rede auf der Breitbandmesse Angacom in Köln (unser Dossier Digitalwende berichtete). „Ich will gar nicht wissen, wie viele Milliarden in den letzten wenigen Jahrzehnten in Digitalisierungsprojekten der öffentlichen Hand verbrannt worden sind, weil jeder sein eigenes Ding macht“, sagte er. Digitalisierung könne in dezentralen Strukturen gar nicht funktionieren. „Wir müssen das überwinden.“

Einfach mal machen: Konkret bezieht sich Wüst auf eine Empfehlung des Zwischenberichts der Initiative für einen handlungsfähigen Staat: Länder sollen Zuständigkeiten per Mehrheitsentscheid abgeben können. „Ich schlage ein, ja, machen wir“, sagte Wüst. Wenn die Mehrheit der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten sich in bestimmten Fragen einig sei, werde er das akzeptieren – selbst wenn es in der Sache Restvorbehalte gebe.

5.

Maskenaffäre im BMG: Die Linken-Abgeordnete Tamara Mazzi fordert von der Bundesregierung die Herausgabe des vollständigen Berichts der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof an den Haushaltsausschuss des Bundestages. Eine entsprechende Berichtsanforderung „bis zur nächsten Ausschusssitzung“ hat Mazzi gestern beim Haushaltsausschuss eingereicht. Sie liegt SZ Dossier vor.

Verschlusssache: Sonderermittlerin Sudhof war vom damaligen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) damit beauftragt worden, die Maskenbestellungen und die Vergabe des Logistikauftrages durch Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn (CDU) während der Corona-Pandemie zu untersuchen. Die Frage ist nun, ob ihr Bericht weiter unter Verschluss bleibt.

Was macht Warken? Derzeit sieht es so aus, als würde Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) den Abgeordneten den Bericht jedenfalls nicht in Gänze zugänglich machen. Allerdings, so berichtete Zeit Online am Dienstag, sei aus Warkens Ministerium zu hören, der Haushaltsausschuss habe den Bericht bislang überhaupt nicht angefordert.

6.

Wechsel an BND-Spitze: Martin Jäger soll neuer Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) werden. Das berichtet der Spiegel. Der deutsche Botschafter in Kyiv soll demnach den BND neu ausrichten, während sein Vorgänger Bruno Kahl deutscher Botschafter im Vatikan werden soll. Da der Dienst dem Kanzleramt direkt unterstellt ist, geht die Entscheidung auf Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zurück. Offiziell wurde der Wechsel bislang nicht bestätigt. Die neue Bundesregierung will dem Dienst bei der Spionage im Ausland und der technischen Aufklärung mehr Flexibilität einräumen.

Abstimmung vertagt: Eigentlich hätte die Personalie gestern als Teil eines Personalpakets zur Besetzung diplomatischer Top-Posten im Bundeskabinett beschlossen werden sollen. Die Abstimmung wurde nach SZ-Informationen aber kurz vor der Kabinettssitzung von der Tagesordnung genommen. Das Paket scheint insgesamt aber nicht infrage zu stehen, auch nicht die Berufung Jägers, der wie Kahl früher ein enger Mitarbeiter des CDU-Finanzministers Wolfgang Schäuble war. Teil des Personalpakets ist auch der Botschafterposten in Washington, den der frühere VW-Lobbyist Jens Hanefeld übernehmen soll. Mehr hier von Daniel Brössler.

Ich bedauere einige meiner Posts über Präsident Donald Trump vergangene Woche. Sie gingen zu weit.

Elon Musk über seine X-Aktivitäten

Wie sein Vorgänger Olaf Scholz beantwortet auch Kanzler Friedrich Merz Fragen von Userinnen und Usern in sozialen Netzwerken. Zuletzt ging es dabei um eine besonders persönliche Angelegenheit: Merz wurde gefragt, ob er seine Frisur erklären könne.

Der Kanzler reagierte darauf scherzhaft mit der Gegenfrage, ob das überhaupt eine Frisur sei. Er trage seine Haare seit ungefähr 30 Jahren so kurz – es seien ja auch weniger geworden als früher, daher fühle er sich mit kurzen Haaren „ausgesprochen wohl“. Und „pflegeleicht“ sei das Ganze auch.

Merz bewies also durchaus die Fähigkeit zur Selbstironie, wenngleich er sich in dieser Disziplin nicht so weit vorwagte wie Foodblogger und CSU-Chef Markus Söder. Und schon nach dem kurzen Exkurs über des Kanzlers Haarpracht war es mit der Selbstironie auch wieder vorbei, da sprach Merz über den Umgang der Bevölkerung mit der Polizei.

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