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Briefing

Platz der Republik,

Merz bei Trump: Die Suche nach Gemeinsamkeiten

Guten Morgen. Bundeskanzler Friedrich Merz reist gestärkt nach Washington D.C. Laut des neuen ARD-Deutschlandtrends konnte Merz in seinem ersten Monat im neuen Amt stärker Vertrauen unter den Wahlberechtigten gewinnen als alle anderen Kabinettsmitglieder. Sein Zufriedenheitswert steigt von 25 Prozent im April auf aktuell 39 Prozent.

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Was die Reise selbst betrifft, sind die Deutschen zwiegespalten: 46 Prozent trauen Merz zu, eine gute Ebene mit US-Präsident Donald Trump zu finden – 47 Prozent sagen, dass Merz für die außenpolitischen Herausforderungen zu wenig diplomatisches Geschick mitbringe. Hinzu kommt: Nur 18 Prozent der Befragten haben noch Vertrauen in die USA als Partner, unter Anhängerinnen und Anhängern von CDU und CSU sind es sogar 14 Prozent.

In Berlin hat das Kabinett gestern noch den gern so genannten Investitions-Booster beschlossen sowie eine weitere Reform in der Migrationspolitik: Künftig sollen sichere Herkunftsländer ohne Zustimmung von Bundesrat und Bundestag per Rechtsverordnung von der Regierung festgelegt werden.

Willkommen am Platz der Republik.

1.

Heute trifft Bundeskanzler Friedrich Merz zum ersten Mal auf US-Präsident Donald Trump. Die beiden haben bereits mehrfach telefoniert und Handynummern ausgetauscht. Getroffen haben sie sich aber noch nicht, auch wenn sie sich wohl schon beim Vornamen nennen. Es geht also auch um ein persönliches Kennenlernen, um den ersten Eindruck. „Ich brauche keinen Baldrian, um ruhig zu bleiben und mit dem amerikanischen Präsidenten ein vernünftiges Gespräch zu führen“, sagte Merz kürzlich im ZDF. Worauf kommt es im Weißen Haus an?

Der Zeitplan: Der Regierungsflieger ist am späten Mittwochabend gegen 22 Uhr abgehoben. Los mit dem Programm geht es heute um 17:30 Uhr deutscher Zeit. Es gibt zunächst ein gemeinsames Mittagessen und anschließend ein rund einstündiges Gespräch unter vier Augen. Vor dem Gespräch findet ein Pressetermin im Oval Office statt. Trump hatte an der Stelle zuletzt den ein oder anderen Gast zurechtgewiesen. Zudem könnten Merz brisante Fragen von MAGA-Bloggern erwarten, etwa zur AfD oder der angeblich bedrohten Meinungsfreiheit in Deutschland. Die könnten dann wiederum Trump anstacheln. Merz wird im Anschluss auch bei CNN und Fox News interviewt.

In der Union gab man sich zuletzt optimistisch. Der Kanzler darf im Gästehaus des US-Präsidenten nächtigen – eine Ehre, die nicht jedem Staatsgast zuteilwird (Olaf Scholz musste unter Joe Biden ins Hotel). Das Verhältnis zwischen Trump und Merz sei „ein Verhältnis auf Augenhöhe, ein partnerschaftliches, ein freundschaftliches“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann in der Vorbereitung. Hinter den Kulissen aber: Nervosität. Nicht zu provozieren, sich nicht provozieren zu lassen, das lehrt anderer Leute Erfahrung im Oval Office. Merz will Gemeinsamkeiten betonen.

Einen Rat gab es von Johann Wadephul. Der CDU-Außenminister hatte vor einigen Tagen seinen US-amerikanischen Amtskollegen Marco Rubio besucht. Auch in Fragen, in denen es Meinungsverschiedenheiten gebe, könne man zu Einigungen im beiderseitigen Interesse kommen, sagte Wadephul bei einer Veranstaltung in Berlin. Der Schlüssel liege darin, auch als Deutsche und Europäer „unsere eigenen Interessen klar und mit Selbstbewusstsein“ zu artikulieren.

Gemeinsame Prioritäten? Auch Washington könne kein Interesse daran haben – und hier nannte er die entscheidenden Themen – dass Russland den Krieg gegen die Ukraine gewinne, die Nato an Glaubwürdigkeit verliere, Europa weiter durch Russland destabilisiert und bedroht werde sowie China „lachender Dritter eines transatlantischen Handelskonfliktes“ werde. „Das weiß man am Ende auch in Washington“, sagte Wadephul. Die Liste der Themen ist aber lang – und nicht bei jedem werden sich ausschließlich Gemeinsamkeiten finden lassen.

Worauf wir achten: Der Krieg in der Ukraine wird besonders viel Raum einnehmen – dort geht es vor allem um neue Sanktionen gegen Russland, die Trump kritisch sieht. Gestern sagte er nach einem Telefonat mit Putin, er sehe keine Chance auf eine sofortige Lösung. Was die Zukunft der Nato betrifft, hatte Deutschland bereits Bewegung signalisiert (dazu mehr im Tiefgang). Ein weiteres Thema ist die Lage im Gazastreifen: Merz hatte sich zuletzt vom Vorgehen Israels distanziert, ging damit weiter als Trump. Bei den Handelsfragen – hier geht es vor allem um die Zölle – stimmt sich Merz laufend mit der Europäischen Kommission ab.

2.

Vor seinem Abflug in die USA hat der Bundeskanzler gestern die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder zum Abendessen empfangen. Heute treffen sich die Länderchefs im Bundesrat zur MPK, das im Anschluss geplante Treffen mit dem Kanzler wurde wegen seiner USA-Reise vorverlegt.

Besonders beim Thema Geld besteht Redebedarf. Und zwar aus mehreren Gründen: Da ist einerseits der Gesetzentwurf von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) für ein steuerliches Investitionssofortprogramm, mit dem Unternehmen entlastet werden sollen. Den hat das Kabinett gestern beschlossen. Insgesamt rechnet das BMF bis einschließlich 2029 mit Einnahmeausfällen von gut 46 Milliarden Euro, fast 28 Milliarden davon entfallen auf Länder und Kommunen.

Vetomacht Bundesrat: SPD-Fraktionschef Matthias Miersch kündigte am Dienstag an, das Vorhaben solle noch vor der Sommerpause den Bundesrat „erreichen“. Dort ist das Gesetz zustimmungspflichtig. Miersch gab sich aber zuversichtlich: Im Gegensatz zu anderen steuerlichen Entlastungen hätten die Länder ja ein Interesse daran, dass ein Signal an die Wirtschaft gehe.

Wer bestellt, bezahlt: Die Länder haben aber auch ein Interesse an einer Kompensation der Kosten. Sie verweisen auf den Koalitionsvertrag und auf das Prinzip: Wer bestellt, bezahlt. Es brauche Wachstum, sagte Alexander Schweitzer, SPD-Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, gestern im Deutschlandfunk. Und fügte hinzu: „Aber es darf eben nicht so sein, dass es nur auf den Deckel der Länder und Kommunen geht.“ Ein Booster für die Unternehmen könne nicht dadurch eingekauft werden, dass auf der anderen Seite die kommunale Auftragslage einbreche, betonte Schweitzer. Das sei sonst ein Nullsummenspiel. „Das können wir nicht wollen“, sagte Schweitzer.

Taschenrechner raus: Und dann sind da noch die anderen steuerlichen Entlastungen, von denen Miersch gesprochen hat. Gemeint haben dürfte er die Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie oder die Erhöhung der Pendlerpauschale. Dagegen kündigten Vertreter der Länder (mit Ausnahme von Bayern) erst vor kurzem Widerstand an. Zwar fließen 100 Milliarden aus dem Sondervermögen in die Landeshauptstädte. Dort wird man aber genau nachrechnen, ob und wie viel davon angesichts der Einnahmeausfälle übrigbleibt.

3.

Noch vor der Sommerpause will die Regierung Entlastungen beim Strompreis auf den Weg bringen. Das kündigte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) gestern auf dem Branchenkongress des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Berlin an. Das Paket werde die Absenkung der Stromsteuer, die Reduzierung der Netzentgelte und die Abschaffung der Gasspeicherumlage beinhalten, sagte Reiche. Bastian Mühling war vor Ort.

Heimspiel: In der Station Berlin am Gleisdreieckpark wurde Reiche von vielen Ex-Kolleginnen und -Kollegen empfangen, war die Wirtschaftsministerin doch zuvor Geschäftsführerin der Eon-Tochter Westenergie. „Vielleicht darf ich auch sagen, liebe Ex-Kollegen, aber dann schreit wieder Lobbycontrol auf“, sagte Reiche zu Beginn ihrer Rede, für die sie vor allem für zwei Versprechen Applaus bekam: verlässliche Rahmenbedingungen und ein Festhalten an den Klimaschutzzielen.

Bitte aus dem Haushalt: Der gastgebende BDEW forderte von der Bundesregierung, die Strompreisentlastungen aus dem Kernhaushalt und nicht aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu finanzieren. „Wenn Strompreisentlastungen in zweistelliger Milliardenhöhe in den Raum gestellt werden, dann muss das aus dem Haushalt finanziert werden“, sagte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae.

Tempo für Gaskraftwerke: Zudem kündigte Reiche die ersten Ausschreibungen für den Bau neuer Gaskraftwerke für Ende des Jahres an. Im Koalitionsvertrag ist der Bau von bis zu 20 Gigawatt an Kraftwerksleistung festgehalten. Diese sollen einspringen, wenn der schwankende Strombedarf durch erneuerbare Energien nicht zu decken ist. Geplant ist eine staatliche Förderung, deshalb muss die EU-Kommission zustimmen. Mit Brüssel sei sie bereits in Gesprächen, sagte Reiche.

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Wenn sich heute die Verteidigungsminister der Nato in Brüssel treffen, werden sie voraussichtlich das größte Aufrüstungsprogramm in der Geschichte der Allianz auf den Weg bringen. Bei der Vorbereitung für den Nato-Gipfel in Den Haag Ende Juni sollen sich alle Mitgliedsstaaten verpflichten, bis 2032 direkte und indirekte Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, obwohl viele die zwei Prozent bei den direkten Verteidigungsausgaben noch gar nicht erreicht haben.

Zum anderen dürften laut einem Bericht der dpa die internen Zielvorgaben für die militärischen Fähigkeiten einschließlich Soldaten um 30 Prozent erhöht werden. „Wir benötigen mehr Ressourcen, Truppen und Fähigkeiten“, sagte Nato-Generalsekretär Mark Rutte gestern.

Schon vor einiger Zeit hat sich Rutte die Forderung von US-Präsident Donald Trump nach einem Beitrag in Höhe von fünf Prozent zu eigen gemacht. Das Ziel soll bis 2032 erreicht werden. Da nicht alle Staaten die gleichen finanziellen Möglichkeiten haben, plant Rutte eine Untergrenze: Die Verteidigungsausgaben sollten jedes Jahr um mindestens 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen.

„Wir brauchen das, denn andernfalls werden wir die Fähigkeitsziele, die wir erreichen müssen, niemals, wirklich niemals erreichen“, sagte Rutte vor wenigen Tagen auf der Parlamentarischen Versammlung der Nato in Dayton, Ohio.

Trump besänftigen und militärische Fähigkeiten stärken: Beide Ziele sind eng miteinander verbunden. Trump droht immer wieder mit einem Rückzug aus der Nato oder der US-Truppen aus Europa. Die Allianz würde dadurch wohl vor dem Aus stehen, zumindest aber dramatisch an Gewicht verlieren – politisch wie auch militärisch.

„Einzelne Fähigkeiten der USA sind einzigartig in der Nato, etwa die nukleare Abschreckung für alle Mitgliedsländer, ihre Weltraumfähigkeiten oder die strategische Luftverlegbarkeit“, sagt Stefan Bayer SZ Dossier. Der Militärökonom am German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS) warnt: „Die Kompensation in Fähigkeitskategorien würde locker mindestens zehn Jahre benötigen. Diese Situation sollte die Nato dringend vermeiden.“

Doch nicht alle Länder teilen diese Einschätzung. Es ist, als würde in Europa eine Bruchlinie zwischen Nordost und Südwest verlaufen: Länder, die eine unmittelbare Betroffenheit durch den russischen Angriff auf die Ukraine empfinden, zeigen eine höhere Zahlungsbereitschaft. Hinzu kommt fiskalischer Druck: In vielen Nato-Staaten herrscht Wachstumsflaute. Rutte hat die neue Fünf-Prozent-Klausel daher mit einem Trick entschärft. 3,5 Prozent für die echten Militärausgaben plus 1,5 Prozent für indirekte oder „weiche“ Ausgaben, etwa für Transportwege für Truppen und Waffen.

Auch weltweit steigen die Militärausgaben so stark wie noch nie seit dem Ende des Kalten Krieges. 2024 haben dem Friedensforschungsinstitut Sipri zufolge 18 Nato-Staaten zumindest das Zwei-Prozent-Versprechen eingehalten – 2023 waren es nur elf gewesen. Ganz vorn liegen Polen (rund 4,2 Prozent des BIP), Estland (3,43 Prozent), die USA (3,38 Prozent), Lettland (3,15 Prozent) und Griechenland (3,08 Prozent). Deutschland kommt dank Sondervermögen auf 2,12 Prozent des BIP, laut Rechnung der Statistikbehörde Destatis waren es allerdings nur 1,89 Prozent.

Was Ruttes fünf Prozent für Deutschland bedeuten: Deutschland will vorangehen, Kanzler Merz verspricht gar: „Whatever it takes.“ Dafür hat Berlin eigens die Schuldenbremse für die Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben ausgesetzt – und zwar für alle Ausgaben, die über ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinausgehen. Nun kann man theoretisch unbegrenzt viel Geld in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit investieren.

Rein rechnerisch sind die Folgen des Rutte-Plans für Deutschland einfach zu beziffern: zwischen 210 und 215 Milliarden Euro für Verteidigung – jedes Jahr. Derzeit gibt der Bund insgesamt etwa 500 Milliarden Euro im Jahr aus.

1. Harte Verteidigungsausgaben: Ausgaben, die seit Jahrzehnten im klassischen Sinn der Verteidigung zugeordnet werden – Waffen und Munition, aber auch die Pensionen militärischer und ziviler Beschäftigter der Streitkräfte. Ebenfalls anrechnungsfähig wäre hier die militärische Unterstützung der Ukraine. Diese würden sich in Deutschland binnen zehn Jahren fast verdreifachen: von 1,35 Prozent in 2022 auf die 3,5 Prozent in 2032. Auch das gab es schon, zum Beispiel in Westdeutschland Ende der 60er Jahre, als Willy Brandt erst Außenminister und dann Kanzler war (der Rekord lag bei 4,88 Prozent im Jahr 1963).

2. Weiche Verteidigungsausgaben: Eine neue Kategorie, über deren genaue Ausgestaltung verhandelt werden müsste. Einbezogen werden voraussichtlich Maßnahmen zur militärtauglichen Verstärkung der Infrastruktur – also Straßen, Brücken, Tunnel, Schienen und Häfen. Natürlich kann es sich dabei nur um Strecken und Einrichtungen handeln, die auch militärisch relevant sind.

Denkbar wären in der zweiten Kategorie auch Ausgaben, um die Außengrenze zu schützen. Davon würde Polen profitieren, aber auch Länder wie Spanien und Italien. Sie wollten diese Kosten ursprünglich als „harte Ausgaben“ anrechnen lassen, konnten sich damit aber bislang nicht durchsetzen.

Alle Nato-Mitglieder müssen zustimmen. Die offizielle Entscheidung über die 5 Prozent soll bei der Arbeitssitzung des Nato-Gipfels am 25. Juni in Den Haag fallen. Bis dahin wird noch manche Regierung überzeugt werden müssen – und dann muss sich noch die Hoffnung bestätigen, dass Trump sich in Den Haag wieder zur Nato bekennt.

von Michael Radunski

4.

Antisemitische Angriffe nehmen zu: Deutschlandweit hat die Zahl der Übergriffe auf Jüdinnen und Juden im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) zählte im vergangenen Jahr gut 8 600 antisemitische Vorfälle. Das sind 77 Prozent mehr als 2023, wie der gestern vorgestellte Jahresbericht zeigt.

Hintergrund der vermehrten Anfeindungen und Übergriffe seien der Hamas-Überfall auf Israel im Oktober 2023 und der danach begonnene Krieg im Gazastreifen, erläuterte Rias-Geschäftsführer Benjamin Steinitz: „Die Gefahr, als Jude und Jüdin in Deutschland angefeindet zu werden, hat sich seit dem 7. Oktober objektiv erhöht.“

In einem gesonderten Bericht hatte Rias Berlin bereits vor zwei Wochen die Fallzahlen für die Hauptstadt vorgestellt, die ebenfalls so hoch waren wie nie zuvor (SZ Dossier berichtete).

5.

Unternehmer Otto verteidigt Nachhaltigkeitsregulierung: „Wer Richtlinien zur Lieferkette abschaffen will, erweist der Wirtschaft einen Bärendienst“, sagte er im Interview mit Fabian Löhe von unserem Dossier Nachhaltigkeit. Otto war bis März 2025 Aufsichtsratschef der Otto Group, heute leitet er die Stiftung KlimaWirtschaft und den Stiftungsrat der Michael Otto Stiftung.

Warnung vor einem Rollback: „Wir brauchen ein starkes europäisches Lieferkettengesetz, damit alle Unternehmen nach denselben Regeln arbeiten. Nur dann entsteht Fairness im Wettbewerb.“ Nur eine solche gesetzliche Verpflichtung würde dafür sorgen, dass sich Unternehmen ernsthaft mit den Bedingungen ihrer Produktion beschäftigen. „Natürlich ist das mit Bürokratie verbunden. Aber vieles davon ist sinnvoll.“

Wie viele andere Unternehmerinnen und Unternehmer plädiert er für eine Vereinheitlichung deutscher und europäischer Regulatorik und die Vereinfachung von Berichtspflichten. Für große Unternehmen wie die Otto Group ist der Aufwand groß, aber machbar. Schwieriger ist es für den Mittelstand.“

Das komplette Interview lesen Sie heute ab 12 Uhr im Dossier Nachhaltigkeit.

6.

Der Euro-Raum wird größer: Bulgarien wird aller Voraussicht nach zum 1. Januar den Euro einführen. Dann kann in 21 der 27 EU-Staaten mit der Gemeinschaftswährung gezahlt werden; begonnen hatte der Euro 1999 mit elf Ländern. Bulgarien hatte sich seit Jahren um die Mitgliedschaft bemüht, zuletzt machte eine im Vergleich zu hohe Inflation einen Strich durch die Rechnung. Das pro Kopf ärmste Land der EU erfüllt 2025 mit einer voraussichtlichen Inflationsrate von 2,7 Prozent im April gerade so die aktuellen Anforderungen.

Intern umstritten: Die Erfüllung der Kriterien erlaubt den EU-Gremien, noch vor der Sommerpause dem Beitritt zuzustimmen. Seit 2020 bereits werden die bulgarischen Großbanken von der EZB-Bankenaufsicht kontrolliert. Im Land selbst ist die prorussische Partei Wasraschdane gegen die Aufgabe der Landeswährung Lew, die allerdings schon seit 1999 fest an den Euro gekoppelt war. Auch Präsident Rumen Radev wollte die Einführung verzögern, setzte sich damit aber nicht durch. Die Bevölkerung ist laut Umfragen gespalten.

Rumänien als nächstes: Nach Bulgarien könnte als nächstes Rumänien einen Beitritt anstreben. Tschechien und Schweden könnten die Bedingungen leichter erfüllen, in beiden Ländern fehlt aber bisher eine politische Mehrheit.

Dass ich jetzt nicht PKGr-Mitglied werde, ist der Preis, den ich für meine Haltung bezahle.

CDU-Politiker Roderich Kiesewetter wurde nicht wieder in das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) gewählt – wie die SZ berichtet, soll aus dem Merz-Umfeld signalisiert worden sein, dass man ihn nicht im PKGr haben wolle

Nach der Kufiya jetzt das Palestine-Shirt: Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat in der gestrigen Sitzung des Bundestags ein Mitglied der Linksfraktion wegen eines Kleidungsstücks des Plenums verwiesen. Die Abgeordnete Cansın Köktürk war in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Palestine“ im Plenum erschienen. Klöckner wies darauf hin, dass im Plenum „weder Aufkleber noch sonstige Bekenntnisse auf T-Shirts eine Rolle spielen“.

Sie habe Köktürk bereits vorher unter vier Augen aufgefordert, das Oberteil zu wechseln. „Sie lehnen das anscheinend ab“, sagte Klöckner zur Abgeordneten, und weiter: „Dann würde ich Sie bitten, die Sitzung zu verlassen.“ Auf X kommentierte die Abgeordnete ihren Rauswurf unter anderem mit den Worten „Ihr habt alle dermaßen versagt“. Es ist nicht das erste Mal, dass Köktürk im Plenarsaal provoziert: Bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags trug sie eine Kufiya, was bereits für Diskussionen sorgte.

Eine weitere Provokation ereignete sich während der Befragung von Außenminister Johann Wadephul (CDU): Eine junge Frau schrie auf der Besuchertribüne propalästinensische Parolen. Weil sie sich weigerte, auf Anweisung von Klöckner die Tribüne zu verlassen, wurde sie von einem Wachmann nach draußen gezerrt.

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