Unter den Menschen, die in Pakistan auf eine Ausreise nach Deutschland warten, befinden sich einerseits Ortskräfte. Es geht aber auch um Afghanen, die in ihrem Land Verfolgung durch die islamistischen Taliban fürchten müssen. Doch die Ansichten darüber, wie groß die Gefährdungslage in Afghanistan ist, gehen auseinander. „Eine besondere Verfolgung bestimmter Gruppen ist in Afghanistan nicht nachzuweisen“, sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Jürgen Hardt SZ Dossier. Für das Bundesaufnahmeprogramm gebe es daher keine Grundlage. Die Taliban seien „hochproblematisch, aber im internationalen Vergleich gibt es zig andere Länder mit schlechterer Menschenrechtslage“.
Im Außenministerium sieht man das anders. Ein Sprecher teilte SZ Dossier mit, die Menschenrechtssituation in Afghanistan habe sich „seit der Machtübernahme des De-facto-Regimes“ deutlich verschlechtert – und gehe „immer weiter bergab“. „Die systematische Diskriminierung und Unterdrückung hat Afghanistan zu einem der weltweit gefährlichsten Orte für Frauen und Mädchen werden lassen“, heißt es aus dem Außenministerium. Kritikerinnen und Kritiker der Taliban seien starker Repression ausgesetzt.
Wer gekommen ist: Die Bundesregierung habe in den vergangenen Jahren über verschiedene Aufnahmeverfahren bereits mehr als 36 000 besonders gefährdeten Afghaninnen und Afghanen die Einreise nach Deutschland ermöglicht. Darunter sind knapp 21 000 ehemalige Ortskräfte und ihre Familienangehörigen, aber laut Angaben des Außenamts mehr als 1400 Menschen, die über das sogenannte Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BPA) eingereist sind. Die weiteren 14 000 Personen sind über zwei weitere Programme eingereist.
Wer noch kommen soll: Nach Angaben des Außenministeriums befinden sich in Pakistan noch etwa 2600 Personen mit einer Aufnahmezusage in einem der drei Aufnahmeverfahren. Eine Aufnahmezusage bedeutet allerdings noch nicht, dass die Person auch wirklich einreisen darf. Dafür braucht es noch ein Visum. Außerdem muss die Person eine Sicherheitsüberprüfung bestehen. Beides findet in Pakistan statt. Falls eine Aufnahme erklärt wird, umfasst sie die Hauptperson und etwaige Begleitpersonen.
Was die CDU plant: Laut CDU-Außenpolitiker Hardt solle Deutschland der Verantwortung für Afghanistan durch eine „transparente und auf Fortschritte bedachte Afghanistanpolitik“ nachkommen, nicht durch „ein undurchsichtiges, korruptionsanfälliges Aufnahmeprogramm für einige wenige“. Er kündigte an, die neue Bundesregierung werde die Zusagen genau auf ihren Rechtscharakter prüfen. „In jedem Fall stehen diese Zusagen unter dem Vorbehalt der Visumserteilung, auf die es regelmäßig keinen Anspruch gibt“, sagte Hardt.
Wer genau sitzt in den Fliegern? Das Auswärtige Amt teilte SZ Dossier mit, die Mehrheit der Personen auf den letzten Flügen seien Frauen und Minderjährige gewesen. Auf dem Flug vom 27. März seien insgesamt mehr als 80 Frauen und Mädchen gewesen, hieß es. Für weitere Flüge aus der jüngeren Vergangenheit nannte das Außenamt ähnliche Zahlen: Am 24. Februar etwa hätten sich ebenfalls 80 Frauen und Mädchen an Bord befunden – und über 60 Minderjährige, darunter mehr als 40 Kinder unter zehn Jahren.