Auf der Suche nach handelspolitischen Möglichkeiten für einen Gegenschlag gegen die 20-prozentigen US-Pauschalzölle ist die EU sehr schnell bei einer Digitalsteuer gelandet. Dieses Instrument würde vor allem US-Tech-Konzerne wie Apple, Amazon, Meta und Alphabet treffen – und damit auch einige der reichsten Trump-Unterstützer.
Eine EU-Digitalsteuer ist bereits seit 2018 im Gespräch und hat einige bestechende Vorteile. Denn bisher zahlen die Tech-Konzerne trotz ihrer Milliardengewinne in der EU kaum Abgaben. Leider verteuert sie als Nebenwirkung aber auch ausgerechnet die Digitalisierung. Trotzdem spricht einiges für die Digitalsteuer als Gegenmaßnahme zu Trumps Zollpolitik.
Möglich wären folgende Varianten:
Digitalzoll: Das wäre ein Aufschlag auf importierte Software oder deren Bereitstellung in Echtzeit in der Cloud. So würde man digitale Abhängigkeiten bepreisen und europäische Eigenentwicklungen fördern. Der Digitalzoll hätte am ehesten den Charakter eines Handelsinstruments, weil er ausländische Anbieter trifft und einheimische Firmen verschont. Es bleiben aber zahlreiche ungeklärte Fragen. Was ist zum Beispiel, wenn die Software von der europäischen Tochter eines US-Konzerns bereitgestellt wird?
Digitalmaut: Auch eine Gebühr für den Zugang zu digitalen Infrastrukturen, also dem Netz, wird diskutiert. Dieses Instrument trifft die ohnehin schwache europäische Digitalindustrie aber gleichermaßen und könnte sogar international zum Wettbewerbsnachteil werden.
Abschöpfung der digitalen Wertschöpfung: Dabei wird der Umsatz besteuert, der durch den Beitrag der Nutzer zur Wertschöpfung digitaler Dienste erzeugt wird. Schließlich sind es gerade auf den sozialen Medien die Videos, Posts, Memes und sonstigen Beiträge, mit denen die Konzerne Kasse machen. Dieser Beitrag lässt sich allerdings kaum beziffern. Es handelt sich dabei auch um eine Abweichung der üblichen Steuerlogik, derzufolge Erträge da besteuert werden, wo das Unternehmen seinen Sitz hat – und nicht dort, wo die Wertschöpfung stattfindet.
Die Europäische Union hat eine Reihe guter Argumente für die Digitalsteuer. Die Tech-Konzerne gehören zu den profitabelsten Unternehmen der Welt, zahlen aber gerade in Europa kaum Steuern auf ihre gewaltigen Gewinne. So hat Apple am Standort Irland lange Zeit von einer Million Euro Gewinn nur 50 Euro an den Staat abgeführt. Da keine physischen Güter und keine Fabriken im Spiel sind, können Digitalkonzerne ihre Gewinne besonders geschickt dorthin verschieben, wo Ihnen die niedrigsten Unternehmenssteuern winken.
Schon seit 2018 liegen daher Vorschläge für eine europäische Richtlinie in Brüssel vor. Beispielsweise soll eine Digitalsteuer von drei Prozent dort ansetzen, wo digitale Geschäftsmodelle besonders profitieren: beim Handel mit Nutzerdaten, bei Online-Werbung und auf digitalen Marktplätzen. Blechen sollen nur die Großen.
Eine Digitalsteuer hat aber auch eine Reihe von Nachteilen:
Bremse für die Digitalisierung: Der Digitalverband Bitkom warnt, dass Europa bei der Modernisierung ohnehin hinterherhinke und sich eine Verteuerung digitaler Dienste daher nicht leisten könne. Die stärksten Anbieter kommen nun einmal derzeit aus Amerika, so die Logik: „Kosten würden erhöht, wo sie gegenwärtig eigentlich gesenkt werden müssten. Die Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung würde gebremst, wo sie doch dringend beschleunigt werden müsste“, sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.
Europäische Digitalanbieter wären ebenfalls betroffen. Zwar würde die Digitalsteuer nach den vorliegenden Richtlinienvorschlägen etwa zur Hälfte die US-Anbieter treffen, aber immerhin 40 Prozent der digitalsteuerpflichtigen Umsätze betreffen EU-Unternehmen.
Die Zeche zahlen EU-Bürger. Digitalfirmen könnten die höheren Kosten an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben, etwa durch eine Erhöhung der Netflix-Tarife. So wie vor allem die US-Konsumenten unter Trumps Zöllen leiden, könnte auch dieses Instrument die eigene Bevölkerung treffen.
Große mit Vorteilen: Die verschiedenen Varianten der Digitalsteuer setzen vor allem bei Transaktionen an, nicht bei den tatsächlichen Gewinnen. Die größten Konzerne mit den üppigsten Margen können sie am ehesten wegstecken. Das sind aber ausgerechnet Microsoft, Meta (Facebook), Alphabet (Google), Apple und Amazon.
Das Ifo-Institut hatte in einer Bewertung aus dem Jahr 2018 vor allem deshalb vor einer Digitalsteuer gewarnt, weil sie vor allem amerikanische Firmen trifft und somit den Handelskonflikt mit den USA anheizen könnte. Dieses Argument ist nun hinfällig, weil die USA den Konflikt bereits maximal eskaliert haben – und die EU nur noch nach Möglichkeiten sucht, Stärke zu demonstrieren.
Ohne den Handelskrieg, den Trump vom Zaun gebrochen hat, würden die Argumente gegen eine zusätzliche, komplizierte Steuer überwiegen. Die EU würde damit vor allem Steuervorteile ausgleichen, die den Digitalunternehmen an anderer Stelle eingeräumt wurden. Etwa durch das Niedrigsteuerland Irland oder durch Abschreibungen auf Sachinvestitionen. Das ließe sich an anderer Stelle eleganter korrigieren.
Als Handelsinstrument erhält die Digitalsteuer allerdings Rückenwind. Eine Amazon-Steuer ist ein Signal, das in Washington deutlich verstanden wird. In einem so heftigen Handelskonflikt, wie er aktuell tobt, steigt die Toleranz für Nebeneffekte. Finn Mayer-Kuckuk
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