Es wäre gar nicht so schwer, entscheidende Nachteile des Standorts Deutschland auszugleichen. Bertram Kawlath, Familienunternehmer und neuer Präsident des Maschinenbauverbandes VDMA, braucht im Gespräch mit SZ Dossier keine zwei Hände für die Aufzählung dessen, was nötig wäre.
Er nennt „eine Absenz von Überregulierung, ein gewisses Vertrauen in Marktkräfte, ein Wissen darum, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen einer leistungsfähigen Wirtschaft und einer Bezahlbarkeit der Sozialsysteme“. Dazu noch: „Gute Bildung, ein Blick auf Entwicklungen außerhalb dieser Republik, das Abschließen von Freihandelsabkommen.“ Fertig.
Der Maschinen- und Anlagenbau, eine Vorzeigebranche der exportorientierten deutschen Industrie, wünscht sich günstigere Bedingungen daheim, da er es in der Welt gerade schwer hat.
Energie ist nicht mehr günstig. China ist nicht mehr nur ein riesiger Absatzmarkt: Das Land ist „zu einem starken Wettbewerber geworden“, sagte Kawlath. „Es ist nicht immer nur der Preis. Chinesische Firmen bauen auch gute Maschinen.“ Und Freihandel generell ist nicht mehr sehr en vogue, mit Donald Trump im Weißen Haus bald noch weniger.
Europa droht aufgerieben zu werden in einer Auseinandersetzung zwischen den USA und China. „Kein Handelskrieg kann in unserem Sinn sein, egal zwischen wem“, sagte Kawlath. „Dass zwischen den USA und China solche Spannungen herrschen, ist schlecht für alle. Wir müssen als Maschinenbauer damit umgehen und damit leben.“
Für eine Branche, die eine Exportquote von gut 80 Prozent hat, „ist jeder Handelskrieg Gift“. Zu den Zöllen, mit denen Trump zum Schutz der US-Industrie droht, sagte Kawlath: „Zölle sind nie ein gutes Mittel der Handelspolitik, sie richten immer irgendwo Schaden an, der am Ende bei Verbrauchern landet. Regierungen neigen dazu, sich mit Zöllen gegenseitig hochzuschaukeln.“
Handelsabkommen sind zuletzt in Europa oft gescheitert – an Bedenken zu Umweltstandards, Arbeitsschutz, sauberen Lieferketten. Dringend nötig, sagen Verfechter einer von Moral geleiteten Handelspolitik. Eine „völlige Überfrachtung mit zusätzlichen Anforderungen“ nannte Kawlath das und plädierte dafür, in Handelsabkommen wieder Handelspolitik zu regeln und „zu schlankeren Abkommen zu finden“. Zudem fand sich immer mindestens ein Land, um die ganze EU zu blockieren. Noch ist die Not nicht groß genug dafür, dass sich das in der EU grundlegend ändern würde.
Deutsche Standortpolitik liegt Kawlath umso mehr am Herzen. Eine zentrale Frage des Wahlkampfs wird die Wirtschaftspolitik sein – aber Punkte, die in der politischen Debatte den größten Raum einnehmen, stehen gar nicht auf seiner Liste: Subventionen, Schuldenbremse.
Er sei „vorsichtig mit der Vorstellung, wir müssten nur endlich alle Schleusen des Geldes aufmachen, dann wären wir super wettbewerbsfähig“, sagte Kawlath, der in Ingolstadt ein Familienunternehmen führt und in diesem Monat zum VDMA-Präsidenten gewählt wurde. „Wir müssen vor allem einen international wettbewerbsfähigen Standort schaffen.“ Die Aushebelung der Schuldenbremse „ist nicht das Allheilmittel für eine gut laufende Wirtschaft“, sagte er. „Es sind grundsätzliche Standortfaktoren, die wir hier in Ordnung bringen müssen.“
Besonders dieser: „Wir in Europa haben eine Perfektion entwickelt darin, Regeln zu schaffen, die Geschwindigkeit von Unternehmen im Markt bremsen. Und heute geht sehr, sehr viel über Geschwindigkeit.“
Deutsche Unternehmen haben es mit hohen Lohnkosten zu tun, mit hohen Lohnnebenkosten, „wir haben hohe Bürokratiekosten, wir haben hohe Energiekosten, hohe Steuern“, sagte Kawlath im Gespräch in Berlin. „Wir sind ganz gut in der Forschung. Aber wir sind nicht so gut im Sprung von Forschung in die Produktion, weil uns da diese ganzen kostentreibenden Faktoren bremsen.“
Ein Hochlohnland sollte besser andere Vorteile haben. „Über viele Jahre konnten wir uns in Deutschland hohe Löhne leisten, weil andere Faktoren gut waren“, sagte Kawlath – und zählt auf, was die To-do-Liste der nächsten Bundesregierung dann doch erheblich verlängern würde.
Zeitweise war das Steuersystem auch schon einmal günstiger als anderswo, die Energiepreise sowieso. „Wir hatten früher auch immer eine sehr leistungsfähige Verwaltung“, sagte Kawlath, Vergangenheitsform. „Alle Kosten hoch zu halten, manchmal auch bewusst, und dann auf die Chinesen oder Amerikaner zu deuten und Subventionen zu beklagen, ist zu kurz gesprungen.“