Wer den Koalitionsvertrag unter den Gesichtspunkten zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine und der hybriden Bedrohung aus Moskau durchliest, findet nicht viele konkrete Passagen. „Dass die CDU in ihrem Koalitionsvertrag kein Wort über den Taurus verliert als Beispiel für moderne Waffensysteme, die hoch wirkungsvoll sind, die Olaf Scholz bisher aber verhindert hat, zeigt, dass die CDU-Anträge diesbezüglich im Bundestag nur Show waren“, sagte FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann SZ Dossier.
Bei Miosga klang Merz anders. „Ich bin nicht davon überzeugt, dass Putin auf Schwäche und Friedensangebote positiv reagiert“, sagte er auf die Frage nach einer Taurus-Lieferung. Nachdem er die europäischen Partner aufgeführt hatte, die bereits Marschflugkörper liefern, fügte er hinzu: „Wenn es abgestimmt wird, dann sollte Deutschland sich daran beteiligen.“ Möglicherweise könnte Merz eine solche Entscheidung als Bundeskanzler im Nationalen Sicherheitsrat – der laut Koalitionsvertrag geplanten Weiterentwicklung des Bundessicherheitsrats – per Richtlinienkompetenz herbeiführen.
Ein Blick in den Koalitionsvertrag: Man wolle die Ukraine „umfassend unterstützen“, damit sie sich gegen den russischen Aggressor „effektiv verteidigen und sich in Verhandlungen behaupten“ könne. Und: Man werde Deutschlands „militärische, zivile und politische Unterstützung der Ukraine gemeinsam mit Partnern substanziell stärken und zuverlässig fortsetzen“. Gemeinsam mit diesen will Deutschland sich auch für einen „echten und nachhaltigen Frieden“ einsetzen. Wenn es um ein Szenario nach dem Krieg geht, werden „materielle und politische Sicherheitsgarantien für eine souveräne Ukraine“ genannt – wohlgemerkt keine militärischen.
Offene Formulierung: Hybride Bedrohungen werden zwar ebenfalls genannt, sogar im Vorwort. Sie werden aber nicht weiter ausgeführt. „Wir werden Deutschland und seine Bevölkerung gegen jede Form hybrider und konventioneller Bedrohung resilienter machen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Dazu stärke man die Fähigkeiten im Bereich der Cybersicherheit, des Zivil- und Katastrophenschutzes sowie der zivilen Verteidigung. Wie genau, bleibt ebenfalls offen.
Europäische Abstimmung: Wie Strack-Zimmermann betont, sei es noch zu früh für eine Beurteilung der 144 Seiten – ein Koalitionsvertrag sei ohnehin immer nur eine Absichtserklärung. „Ich werde allerdings genau beobachten, was die Bundesregierung in Fragen der hybriden Angriffe und Cyberangriffe unternimmt, und wie eng sie sich mit den europäischen Staaten abspricht“, sagte sie.
Sie werde auch Merz genau beobachten. Der hatte zuletzt betont, er sei gegen eine Aufnahme der Ukraine in die Nato, solange dort Krieg herrsche. Dabei kann ein Land im Krieg grundsätzlich kein Mitglied des Verteidigungsbündnisses werden. „Er sollte also keine Selbstverständlichkeiten als Neuigkeit verkünden. Er sollte ganz deutlich zu verstehen geben, dass Deutschland der Ukraine die Sicherheitsgarantie gibt, ihren Einfluss in der Nato geltend zu machen, dass nach einem Friedensabschluss die Ukraine umgehend Mitglied der Nato wird“, fordert Strack-Zimmermann.