Mit Behinderung im Bundestag: Zwei Politikerinnen überwinden Hürden
Die eine ist Fachfrau für Gesundheit und Pflege, die andere Expertin für Bauen und Wohnen. Simone Fischer (Grüne) und Heike Heubach (SPD) sind Fachpolitikerinnen mit viel Erfahrung auf ihrem Gebiet, im Bundestag erarbeiten sie Gesetze oder kontrollieren die Regierung.
Bekannter sind die beiden als Abgeordnete aber in der Öffentlichkeit außerhalb ihrer Wahlkreise – noch – aufgrund ihrer körperlichen Behinderungen. Mit SZ Dossier haben sie über Sichtbarkeit in der Politik, Hindernisse im Hohen Haus und ihre politischen Pläne gesprochen.
Heike Heubach ist die erste taube Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Sie rückte im März 2024 in die SPD-Fraktion nach, als ihr Parteikollege Uli Grötsch das Amt des Polizeibeauftragten übernahm, und wurde im Frühjahr wiedergewählt. Simone Fischer von den Grünen hat Ende März 2025 ihre erste Legislaturperiode angetreten. Sie ist der erste kleinwüchsige Mensch mit einem Bundestagsmandat.
Auch wenn beide Frauen betonen, dass ihre Behinderung nicht ihr Alleinstellungsmerkmal als Politikerin sein soll, sind sie sich in einem Punkt einig: Dass sie als Abgeordnete in den Deutschen Bundestag gewählt wurden, ist ein ermutigendes Signal für Menschen mit Behinderung. Denn deren Perspektiven und Anliegen finden in der politischen Debatte bis heute nicht die Aufmerksamkeit, die ihnen zusteht.
„Mich ärgert, dass viel zu häufig ohne Menschen mit Behinderung über Menschen mit Behinderung geredet wird“, sagt Heubach. Sie habe sich zuerst gesträubt, die Aufgabe der Politik für Menschen mit Behinderungzu übernehmen, berichtet sie, wollte sie doch Fachpolitik machen, zum Beispiel im Bereich Stadtplanung und Klimaschutz. „Mir ist bewusst geworden, wie viel ich in dieser Position für die Communitys erreichen kann. Diese Chance wollte ich ergreifen.“
Wie beeinflusst ihre Behinderung den Alltag im Parlament? Heubach berichtet, dass der Bundestag sehr gut auf ihre Ankunft vorbereitet war. So waren die Schichtpläne der Gebärdensprachendolmetscherinnen schon fertig, als sie ihr Mandat aufnahm; und die Finanzierung für diesen Dienst der Dolmetschenden gesichert.
Das ist keine Kleinigkeit: Die Parlamentarierin wird bei Terminen immer von zwei Dolmetscherinnen begleitet, die sich alle 15 Minuten abwechseln. Auch die Reden im Plenum werden simultan übersetzt – egal ob Heubach selbst spricht oder zuhört.
Bei Fischer sah die Sache etwas anders aus. Auch wenn sie auf sehr viel Offenheit und Unterstützung in der Bundestagsverwaltung getroffen sei – es hat doch einige Zeit gedauert, bis das Arbeitsumfeld für sie ideal war. „Das geht schon bei den Waschräumen los“, sagt Fischer.
Dort seien die Waschbecken meist in massiven Steinblöcken verbaut – für die Grüne ein großes Hindernis beim Händewaschen. Im Toilettenraum in der Nähe ihres Büros steht jetzt ein kleiner Hocker unter dem Waschbecken, auf den sie sich stellen kann. Doch der war in den ersten Wochen immer wieder mal verschwunden.
Ihre Fraktion habe sie dabei unterstützt, ein Büro zu bekommen, das nahe an einem Ausgang liegt – für Fischer sind die langen Wege in den Gebäuden des Bundestages eine Herausforderung. Sie müsse ganz genau planen, wie sie ihre Termine lege, um zusätzliche Wege zu vermeiden. „Oder ich muss meine Mitarbeiterinnen bitten, die Strecken in den Reichstag zurückzulegen.“
Überhaupt Mobilität und Reisen: Das sei für kleinwüchsige Menschen eine besondere Hürde, erzählt Fischer. Jede höhere Stufe, sei es im Zug oder im öffentlichen Raum, kann für sie zum Problem werden. Sie möchte sich deshalb neben dem Thema Pflege auch für eine bessere Mobilität von Menschen mit Behinderung einsetzen. Denn Mobilität bedeutet Teilhabe – auch daran scheitert es heute noch häufig.
Barrierefreiheit werde zudem noch immer viel zu kurz gedacht; da ist sie sich mit ihrer Kollegin Heubach einig: „Nur weil es einen Aufzug und eine Rampe gibt, ist ein Gebäude noch lange nicht barrierefrei“, sagt Heubach. In ihrem Fachgebiet Bauen und Wohnen will sie also insbesondere die Perspektive der Menschen mit Behinderung einbringen. „Wenn ein Haus erstmal gebaut ist und später festgestellt wird, dass etwas nicht passt, ist es meist zu spät.“
Beiden Abgeordneten ist sehr daran gelegen, die Belange möglichst vieler Betroffener in die politischen Entscheidungsprozesse einzubringen. Damit das noch besser gelingt, wollen sie mit den Beauftragten der anderen Fraktionen ein Netzwerk aufbauen. Nach der Sommerpause wollen sich Fischer und Heubach aber erstmal gegenseitig kennenlernen.