Kommunalen Kassen leer, Besserung nicht in Sicht
Anfang April bekamen sie es in den Städten und Gemeinden schriftlich: Das Loch in den kommunalen Haushalten ist so groß wie noch nie seit der Wiedervereinigung, gut 25 Milliarden Euro beträgt es. Und laut dem Kommunalen Finanzreport der Bertelsmann Stiftung sollten sich die Kämmerer auch keine allzu großen Hoffnungen machen, dass sich daran schnell etwas ändert. „Der Ausblick für die kommunalen Finanzen ist pessimistisch“, heißt es in der Studie, die heute veröffentlicht wird.
Die Analyse der Fachleute zeigt gleich mehrere beunruhigende Tendenzen: So fallen Regionen, um die es ohnehin schon nicht gut bestellt ist, weiter zurück. Hart errungene Konsolidierungserfolge aus der Vergangenheit drohen verloren zu gehen. Und dann ist da noch der Umstand, dass Städte und Gemeinden in Zukunft Milliarden für Klimaschutz und Klimaanpassung ausgeben müssten, gleichzeitig aber einen Investitionsstau von gut 216 Milliarden Euro vor sich herschieben.
Die Ursache für die Krise der Kommunalfinanzen sehen die Autoren des Berichts – anders als in früheren Jahren – weniger auf der Einnahmen- als auf der Ausgabenseite: Allein die Personalkosten hätten sich in den vergangenen zehn Jahren „nahezu verdoppelt“. Verantwortlich dafür seien der Stellenzuwachs und die Tariferhöhungen. Durch die Inflation stiegen zudem die Ausgaben, um Gebäude zu bewirtschaften, Dienstleister zu bezahlen und Büros auszustatten; der Anstieg in diesem Bereich belaufe sich in den vergangenen beiden Jahren auf 26 Prozent, heißt es in dem Bericht. Im gleichen Zeitraum stiegen auch die Sozialausgaben – um ein Viertel auf 85 Milliarden Euro. Die Steuereinnahmen hingegen stagnierten wegen der schwachen Konjunktur.
Wie hoch die Lebensqualität in einem Ort ist, hängt auch damit zusammen, wie viel die Stadt oder die Gemeinde in Kitas, Schulen, Straßen oder Sportanlagen investieren kann. Bayerische Kommunen führen diese Liste seit Jahren an – gefolgt von Baden-Württemberg. Die Autoren des Berichts beobachten über die Zeit aber, dass sich eine Gruppe von Ländern herauskristallisiert, die „im Investitionsverhalten den Anschluss verlieren“. Dazu zählen sie das Saarland, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.
Als wichtiger Krisenindikator der kommunalen Haushaltslage gelten sogenannte Kassenkredite. Denn die Kommunen nutzen sie nicht, um damit Investitionen zu tätigen, sondern um laufende Ausgaben zu bezahlen. Wie sich die Kassenkredite gerade entwickeln, bereitet den Fachleuten allerdings Sorgen: „Nach sieben Jahren des Abbaus steigen diese seit 2023 bundesweit wieder an“, teilt René Geißler mit, er ist Mitautor der Studie und Professor für öffentliche Verwaltung an der TH Wildau. Die Kassenkredite sind zwar vorrangig ein Problem in Nordrhein-Westfalen, allerdings drohen laut Geißler in Ländern, die wie das Saarland oder Rheinland-Pfalz zuletzt Hilfsprogramme für ihre Kommunen aufgelegt haben, „die hart errungenen Erfolge der vergangenen Jahre angesichts neuer Defizite verloren zu gehen.“
Die Autoren der Studie formulieren aber auch Ansätze, um die Situation zu verbessern. Wichtig sei etwa, dass die Bundesländer die Mittel aus dem Sondervermögen Infrastruktur „möglichst umfassend und unbürokratisch an die Kommunen weiterreichen“. Um außerdem privates Kapital zu mobilisieren, schlagen sie einen öffentlich-privaten Investitionsfonds vor. Außerdem plädieren sie dafür, die Umsatzsteuer anzupassen und so die „strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen dauerhaft zu entschärfen“. Zudem müsse das Konnexitätsprinzip strikter eingehalten werden.
Diese Vorschläge, so die Autoren, sollten schnell angegangen werden. Eher langfristiger Natur seien hingegen Ansätze wie die Übernahme zusätzlicher Soziallasten durch den Bund, eine Reform der Gewerbesteuer oder die Bundesbeteiligung an der Übernahme der Altschulden.