Der Bauturbo soll es richten
Um der Öffentlichkeit den „Bauturbo“ vorzustellen, haben sich Bauministerin Verena Hubertz und Finanzminister Lars Klingbeil (beide SPD) eine Baustelle in Berlin-Mitte ausgesucht. Da stehen sie nun – im Hintergrund ein Gerüst – und kündigen an, was das Kabinett gestern Morgen beschlossen hat. Vereinfacht gesagt, bedeutet das: „Bauen, bauen, bauen.“ So jedenfalls wünscht es sich Ministerin Hubertz. Und damit alle sehen, dass sie es ernst meint, sagt sie „Ärmel hochkrempeln“, als sie sich mit Klingbeil zum Foto aufstellt.
Die Symbolik ist klar: Hubertz will anpacken, „einfach mal machen“, wie sie sagt. Und der „Bauturbo“ soll es richten. Im Kern sollen Kommunen dadurch die Möglichkeit erhalten, von bisher geltenden Vorschriften des Planungsrechts abzuweichen – etwa davon, einen Bebauungsplan zu erstellen. Hubertz‘ Ministerium argumentiert, auf diese Weise könne ein Haus oder ein ganzer Straßenzug über die vom Bebauungsplan vorgesehenen Maße hinaus aufgestockt werden, „ohne dass der Plan zuvor geändert werden müsste“. In innerstädtischen Bereichen, in denen es keinen Bebauungsplan gebe, könne in Zukunft ohne einen solchen gebaut werden.
Das soll Tempo machen. Baupläne aufzustellen oder zu ändern, dauere in „einer großen deutschen Stadt im Durchschnitt fünf Jahre“, heißt es aus dem Bauministerium. Jetzt könne die Bauaufsichtsbehörde das Vorhaben zulassen – vorausgesetzt die Gemeinde stimmt zu, dafür hat sie zwei Monate Zeit. „Wir werden aus den fünf Jahren jetzt zwei Monate machen“, kündigt Hubertz an. Die neue Regel soll befristet bis zum 31. Dezember 2030 gelten.
Leichter werden soll aber nicht nur der Neubau, sondern auch die Erweiterung von Wohngebäuden und die Umwidmung von Gewerbe zu Wohnraum. Der sogenannte Umwandlungsschutz soll um fünf Jahre verlängert werden. In angespannten Wohnmärkten sollen Mietwohnungen damit nicht ohne Weiteres in Eigentumswohnungen umgewandelt werden können.
Neu ist, dass für die Anwendung des Gesetzes keine Mindestanzahl an Wohneinheiten mehr notwendig ist und infolgedessen Einfamilienhäuser genehmigt werden können. Das war der Union ein Anliegen. Im Referentenentwurf war noch von „mindestens sechs Wohnungen“ die Rede.
Bauministerin Hubertz geht es aber nicht nur ums Tempo, sie will mit dem Gesetz auch Kosten senken: „2,5 Milliarden werden wir jährlich einsparen“, sagt sie auf der Baustelle. Laut Angaben aus ihrem Ministerium entfallen davon 1,7 Milliarden Euro auf die Verwaltung, 505 Millionen auf die Bürgerinnen und Bürger und 334 auf die Wirtschaft.
Dass Hubertz das Vorhaben gemeinsam mit Finanzminister Klingbeil vorstellt, zeigt, dass man dem Projekt innerhalb der SPD offenbar große Bedeutung zumisst. Aufzuholen gibt es jedenfalls einiges: Olaf Scholz ließ sich 2021 als „Kanzler für bezahlbares Wohnen“ plakatieren, seine Bauministerin Klara Geywitz sollte sich daran versuchen, 400 000 neue Wohnungen pro Jahr zu organisieren – und scheiterte jedes Jahr. Am Ende entwickelte sich aus dem Themenkomplex Mieten, Bauen, Wohnen vor allem ein Wahlkampfbooster für die Linke.
Jetzt soll es Hubertz richten. Den Fehler, sich auf eine Zahl festzulegen, an der sie Jahr für Jahr gemessen wird, beging sie gestern nicht. Sie sprach lieber davon, „agile Ziele“ festzulegen: Man arbeite eher an Zahlen wie Quadratmeterpreisen, Bauzeiten und Baukosten, sagte sie. Ein Ziel aber gab auch die neue Ministerin aus: „Man wird uns nachher daran messen können, ob bezahlbarer Wohnraum essenzieller Natur entstanden ist.“
In der Opposition bestehen allerdings Zweifel daran, ob der „Bauturbo“ dafür geeignet ist. „Der Entwurf enthält keine konkreten Vorgaben, was gebaut werden soll“, sagt Kassem Taher Saleh, der baupolitische Sprecher der Grünen: Wie etwa werde sichergestellt, dass nicht Luxusappartements oder Villen auf der grünen Wiese gebaut würden? Auch, dass es für die Kommunen durch das Gesetz einfacher wird, glaubt Taher Saleh nicht. Er befürchtet vielmehr einen „Eingriff in das Planungsrecht, der zu komplexen Folgen führt“ – und für die Behörden am Ende vor allem viele Einzelfallentscheidungen bedeute.
Erst einmal muss der „Bauturbo“ nun aber das parlamentarische Verfahren durchlaufen. In Kraft treten soll er im Herbst.