US-Rückzug aus der Entwicklungspolitik bietet Deutschland Chancen
Die deutsche Entwicklungspolitik könnte stark an internationaler Bedeutung gewinnen. Nicht, weil die Deutschen mehr in ihre sogenannte Soft Power investieren – auch hierzulande wird gespart. Sondern, weil die USA ihr eigenes Engagement stark zurückfahren.
Einer der weltgrößten Player in der Entwicklungszusammenarbeit ist die GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit), mit einem Umsatz von gut vier Milliarden Euro pro Jahr. Nun hat die Trump-Regierung die mehr als zehnmal so große amerikanische Agentur USAID radikal geschrumpft. „Damit richten sich die Blicke noch mehr auf uns“, sagt Thorsten Schäfer-Gümbel, GIZ-Vorstandssprecher, im Gespräch mit SZ Dossier. Allerdings: „Es ist völlig klar, dass die Summe, die USAID zur Verfügung hatte, von niemandem ersetzt werden wird.“
China drängt in die entstehende Lücke. Die Volksrepublik nutzt „Soft Power“ offensichtlich als Strategie, um ihren globalen Einfluss zu vergrößern. Der Economist schätzte schon vor Jahren, dass die Volksrepublik dafür jährlich zehn Milliarden Dollar ausgab.
Deutschland hat seine bilaterale Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Entwicklungsland China laut Schäfer-Gümbel schon 2010 beendet. Das GIZ-Büro in Peking kümmert sich heute vor allem um Fragen wie die Kooperation beim Klimaschutz, sowie um Dreieckskooperationen, bei denen beide Länder gemeinsam als Geber auftreten. „Zum Beispiel haben wir in Äthiopien die Arbeitsstandards im Textilsektor verbessert“, sagt Schäfer-Gümbel. „Derartige Dreieckskooperationen könnten an Bedeutung gewinnen.“ Dahinter steht offenbar auch, dass eine wachsende Zahl an Staaten in Afrika und anderen Teilen der Erde nicht zu abhängig nur von China werden wollen.
Eine Chance für Deutschland? Die sieht der Bericht einer Expertenkommission unter dem Vorsitz der ehemaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, der kürzlich vorgestellt wurde. Er fordert eine grundlegende Neuausrichtung der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik zu Ländern des Globalen Südens. Diese gewännen an Bedeutung, während der Westen in die Defensive gerate.
Unterdessen ziehen sich die USA zurück. Nach Schätzungen der Berliner Entwicklungsberatung SEEK Development werden die Ausgaben der USA für internationale Entwicklung einschließlich der Zuschüsse an internationale Organisationen im laufenden Jahr von mehr als 60 auf 38 Milliarden Dollar schrumpfen. Zum Vergleich: Deutschland hat 2024 gut 32 Milliarden für öffentliche Entwicklungsleistungen ausgegeben und liegt seit Jahren auf Platz zwei.
Doch nun könnten laut SEEK die USA in wenigen Jahren auf Platz 12 rutschen und Deutschland trotz seiner Einsparungen auf den ersten Platz klettern.
Auf der Suche nach der neuen Rolle: Der Haushalt des deutschen Entwicklungsministeriums ist bereits gekürzt, das Auftragsvolumen der GIZ geschrumpft. Aus den Reihen von CDU und CSU kommen immer wieder kritische Fragen, ob man die GIZ mit ihren mehr als 25 000 Mitarbeitern weltweit überhaupt braucht.
Schäfer-Gümbel findet es richtig, über die Legitimation von internationaler Zusammenarbeit zu diskutieren, das gelte schließlich für jedes Politikfeld. „Sind wir richtig unterwegs, sind die Instrumente richtig, dient das den Werten und Interessen Deutschlands und Europas? Dieser Debatte muss man sich stellen.“
Der GIZ-Chef rät, auf dem bisher Geleisteten aufzubauen. „Die deutsche Politik der internationalen Zusammenarbeit hat einen sehr positiven Ruf.“ Das liege auch daran, dass man den Partnerländern über Jahrzehnte hinweg zugehört und sich an deren Interessen orientiert habe. „Das ist auch die Grundlage der Arbeit der GIZ“.
Partnerschaften bauen: Schäfer-Gümbel räumt ein, dass bei der Kooperation verschiedener Akteure in der internationalen Zusammenarbeit „Luft nach oben“ sei. „Wir setzen offensiv auf mehr Zusammenarbeit.“ Derzeit vor allem mit Partnern im „Team Europe“ wie der französischen Expertise France. Aber auch Unternehmen sind zunehmend Partner und Kunden der GIZ, gefördert vom BMZ-Programm develoPPP.
In den vergangenen 25 Jahren entstanden darüber 1200 Partnerschaften mit Firmen, bei denen 760 Millionen Euro an privatem Kapital aktiviert wurden, etwa durch eine Kooperation mit Siemens Energy in Ägypten, das inzwischen auf eigenen Füßen steht. Oder mit dem französischen Telekomkonzern Orange: Hier wurden in 14 afrikanischen Ländern Digitalzentren aufgebaut und 60 000 Menschen ausgebildet.
Besonders stolz ist man auf Projekte, bei denen Klimaschutz und Wirtschaftsförderung kombiniert werden können, zum Beispiel für klimafreundliche Reisproduktion in Thailand. „Es geht schon lange nicht mehr um klassische Entwicklungshilfe“, sagt Schäfer-Gümbel dazu. „Klimaschutz- und Energievorhaben machen inzwischen über 35 Prozent unserer Einnahmen im gemeinnützigen Bereich aus. Dabei geht es um Klimaschutz und Klimaanpassung bis hin zum grünen Wasserstoff.“
Die Versorgung mit dem für die Energie-Transformation in Deutschland benötigten Wasserstoff dürfte in die neue Strategie der integrierten Sicherheitspolitik passen. „Internationale Kooperation ist für den Erhalt des deutschen und europäischen Wohlstands- und Wirtschaftsmodells essenziell“, sagt Schäfer-Gümbel. Peter Ehrlich
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