Der digitale Euro als Schlüssel zu mehr Unabhängigkeit
Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung betont gleich zu Beginn des entsprechenden Kapitels, dass „jeder weiterhin selbst entscheiden kann, wie er bei Geschäften des Alltags bezahlt“. Diese auf den ersten Blick unnötige Zusicherung ist auch der Verbreitung falscher Informationen geschuldet, wonach Bargeldzahlungen durch die Einführung des digitalen Euro abgeschafft werden sollen.
Doch Cash werde es weiter geben, beteuern Union und SPD, nur mehr Wahlfreiheit werde geschaffen. Das Thema hat politische Sprengkraft, zumal Deutsche im EU-Vergleich traditionell immer noch besonders gern bar zahlen.
„Wir unterstützen einen digitalen Euro, der sowohl im Groß- als auch im Einzelhandel einen echten Mehrwert liefert sowie das Bargeld ergänzt, die Privatsphäre der Verbraucherinnen und Verbraucher schützt, kostenfrei für Verbraucherinnen und Verbraucher nutzbar ist und die Finanzstabilität nicht beeinträchtigt“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Regierung steht also hinter dem Projekt, worüber man sich bei der Europäischen Zentralbank (EZB) freut – und auch bei der Bundesbank.
„Mit dem digitalen Euro könnten europäische Finanzmarktakteure, dazu gehören auch Fintechs und Nichtbanken, Marktanteile im Zahlungsverkehr für sich gewinnen“, sagte Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Bundesbank, SZ Dossier. Solche Anbieter könnten zum Beispiel den digitalen Euro „in ihre innovativen Bezahllösungen integrieren und dadurch von einer paneuropäischen Reichweite profitieren“. So würde Start-ups und kleineren Anbietern ermöglicht, wettbewerbsfähig zu bleiben, da sie zukünftig auf die so bereitgestellte Infrastruktur zurückgreifen könnten, anstatt sie selbst entwickeln zu müssen, sagte er.
Ein weiterer erwünschter Effekt, der erwartet werden kann, sei ein allgemeiner Anstieg der Anzahl digitaler Zahlungen in Europa, sagte Balz auch. Der digitale Euro solle ein attraktives Zahlungsmittel auch für kleine Händler wie Kioske und Restaurants werden, deren Kosten sinken würden, während die Bereitschaft steige, digitale Zahlungen zu akzeptieren. Tatsächlich hat die Bundesregierung auch in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass schrittweise immer „mindestens eine digitale Zahlungsoption“ angeboten werden soll.
Auch spielen geopolitische Entwicklungen eine Rolle, die von der zweiten Amtszeit Donald Trumps als US-Präsident beeinflusst werden. „Der zunehmende Trend zu digitalen Zahlungen hat zu einer wachsenden Abhängigkeit von außereuropäischen Kartensystemen und Big Techs, vor allem aus den USA, geführt“, sagte Balz. Durch die Einführung des digitalen Euro würde die Abhängigkeit von außereuropäischen Zahlungsdienstleistern für Online-Zahlungen und Peer-to-Peer-Transaktionen demnach „folglich deutlich verringert und damit die Autonomie Europas gestärkt“.
Der digitale Euro soll aber neben technologischer auch die Abhängigkeit vom US-Dollar als globaler Reservewährung verringern. „Die Bemühungen der Europäischen Zentralbank, eine digitale Zentralbankwährung einzuführen, sollten zum Teil als Versuch gesehen werden, effektiver mit dem Dollar zu konkurrieren“, schrieb etwa der US-Ökonom Kenneth Rogoff Anfang des Monats in einem Gastbeitrag für den Economist über den Niedergang der Dollardominanz.
Unmittelbar bevor steht die Einführung des digitalen Euro unterdessen nicht. EZB-Direktor Piero Cipollone rechnet mit einer europäischen Gesetzesgrundlage Anfang kommenden Jahres, wie Reuters berichtete. Dann werde es noch zwei bis drei Jahre dauern, bis die digitale Version der Gemeinschaftswährung eingeführt werden könne, sagte Cipollone vergangene Woche in Paris.
Er hoffe auf eine Lösung, die Resilienz, Autonomie und Effizienz des Zahlungsverkehrs im Euroraum stärkt, sagte Balz. In Sachen Nutzerakzeptanz werde indes eine der größten Herausforderungen darin bestehen, „die richtige Balance zwischen Benutzerfreundlichkeit und der Einhaltung regulatorischer Anforderungen zu finden“. Den Schutz der Nutzerdaten zu gewährleisten sei ebenso wichtig, wie die notwendigen Geldwäschebekämpfungs- und Anti-Terrorismus-Finanzierungvorschriften einzuhalten. Laurenz Gehrke
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