Wie Niedersachsens neuer MP die Energiewende attraktiver machen will
Nach zwölf Jahren im Amt gibt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil nächste Woche das Zepter an seinen Parteifreund Olaf Lies, aktuell noch Wirtschaftsminister, weiter. Auf einem außerordentlichen Parteitag am Freitag sollen die niedersächsischen Sozialdemokraten einen Beschluss für Lies‘ Empfehlung als Ministerpräsident fassen. Die Wahl im Landtag ist für den 20. Mai vorgesehen.
Lies tritt in große Fußstapfen, Weil ist ein mächtiger Sozialdemokrat. Doch auch nach vielen Jahren im Kabinett des noch amtierenden Ministerpräsidenten sieht sich Lies nicht als „Stephan Weil 2.0“: Es sei eine sehr intensive und angenehme Zusammenarbeit gewesen, bei der er sich viele Dinge angeeignet habe. „Stephan Weil hat dem Land immer Sicherheit und Verlässlichkeit vermittelt, das soll auch so bleiben“, sagt Lies.
Er wolle sich aber als neuer Regierungschef noch stärker auf die Chancen, die Niedersachsen hat, konzentrieren. „Wir sind Energieland Nummer Eins, wir sind Industrie- und Hafenstandort, wir sind Automobilland, wir sind Agrarland – jetzt geht es darum zu schauen, wie wir Niedersachsen noch weiter voranbringen.“
Wichtige Themen, um die er sich zuerst kümmern wolle, seien die Sicherung der Arbeitsplätze in Industrie, Mittelstand und Handwerk. Ein besonderes Anliegen ist Lies die Energiewende: „Das Thema verfolge ich schon seit Jahren.“ Die Politik müsse dafür sorgen, dass Standorte mit Energie auch Standorte mit Industrie würden. Er räumt ein, dass das Thema Klima vor der Bundestagswahl nicht die große Rolle gespielt habe, die es eigentlich hätten spielen müssen.
Lies begrüßt, dass sich die Koalition in Berlin ganz klar zu den Klimazielen bekannt habe. „Jetzt sollte es darum gehen, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, ohne den Klimaschutz zu vernachlässigen.“ Dafür sei einiges auf den Weg gebracht worden, vor allem die Deckelung der Netzentgelte und die Senkung der Stromsteuer. So würden Rahmenbedingungen geschaffen, die es der Wirtschaft ermöglichten, sich zu transformieren und so wettbewerbs- und zukunftsfähig bleiben.
Es müsse jetzt aber zu einer zügigen Umsetzung und für die Wirtschaft zu wichtigen bürokratischen Entlastungen kommen. „Wir brauchen eine richtige Debatte darüber, worum sich der Staat eigentlich kümmern soll und wo mehr Freiräume geschaffen werden müssen“, sagt der niedersächsische Wirtschaftsminister. „Nur weil in Papieren steht, dass wir Dinge einfacher und schneller machen wollen, erleichtert das ja noch nichts.“
Der designierte Ministerpräsident ist der Überzeugung, dass man auf dem Weg zur Klimaneutralität unter allen Umständen darauf achten muss, die Verbraucherinnen und Verbraucher von den Vorteilen der jeweiligen Technologie zu überzeugen, und zwar von Wärmepumpen und Elektroautos.
Lies zählt beim Thema Mobilitätswende zu den „Stromern“, genießt in seinem Land das Ansehen der Industrie ebenso wie das der Gewerkschaften. „Wir müssen dafür sorgen, dass diese Anschaffungen und Investitionen attraktiv sind, mit Blick auf den Klimaschutz, aber auch mit Blick auf die eigenen Einsparungen. Was ökologisch sinnvoll ist, muss auch ökonomisch der beste Weg sein.“
Veränderungen erreicht man aus Lies‘ Sicht nicht durch Vorschriften und Bevormundung, sondern über den Preis: „Attraktiv wird es, wenn wir Energiekosten haben, die den Betrieb der Wärmepumpe attraktiver machen als den der Gasheizung und den Betrieb des Elektroautos günstiger als den des Verbrenners.“ Er wolle den Menschen Anreize geben, für sich selbst zu entscheiden, was dann der individuell sinnvollste Weg sei, sagt Lies.
Dabei müssen aus seiner Sicht insbesondere jene unterstützt werden, die den Umstieg wollen, aber auf Unterstützung angewiesen sind, zum Beispiel im Bereich Elektromobilität. „Das Schlagwort ist da Social Leasing, damit ein breiterer Teil der Gesellschaft auch etwas von der Idee der Klimaneutralität hat.“ Lies will dafür besonders Gebrauchtwagenleasing und Förderung ausbauen.
Bei den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag hat Lies die Arbeitsgruppe Klima und Energie geleitet und ist trotz der schwierigen Ausgangslage zufrieden mit dem Ergebnis. „Ich finde, dabei ist ein fairer Koalitionsvertrag herausgekommen, in dem sich Schwarz und Rot jeweils wiederfinden können.“
Doch: Die nächste Bundesregierung werde nicht an dem Papier gemessen, sondern daran, wie sie es umsetzen wird „Wir hatten schon mal ein starkes Papier. Die Ampel ist gut gestartet, hat sich viele Themen vorgenommen, aber am Ende ist sie an sich selbst gescheitert.“
Lies warnt, dass das nicht wieder passieren dürfe. Sonst drohe eine Situation, vor der Demokraten größte Sorge haben müssen. „Wir dürfen nicht an uns scheitern, wir haben jetzt die Verantwortung.“ Elena Müller