Die wahrscheinlich neue Frau an der Spitze der SPD startete mit einer ungewollten Spitze gegen ihre Vorgängerin. „Wenn’s leicht wäre, könnten es auch andere machen“, sagte Bärbel Bas gestern im Atrium des Willy-Brandt-Hauses und bestätigte, dass sie sich als neue Co-Parteichefin neben Lars Klingbeil bewerben will. Zuvor hatte Noch-Parteichefin Saskia Esken gesagt, sie freue sich, ihr Bundestagsmandat wahrzunehmen und plane, nicht aus dem Hintergrund die Arbeit der neuen Parteiführung zu vergiften, „wie vielleicht andere ehemalige Parteivorsitzende die Neigung dazu haben“.
Direkt ein mutiger Move? Die neue Arbeitsministerin Bas hatte am Wochenende bereits mit der Forderung, auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige in die gesetzliche Rentenkasse einzubeziehen, eine Kontroverse mit dem Koalitionspartner ausgelöst. Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) lehnte den Vorschlag umgehend ab und wies die SPD darauf hin, sich darauf zu konzentrieren, was im Koalitionsvertrag vereinbart sei. Sie habe den Koalitionspartner nicht provozieren wollen, sagte Bas gestern. Sie wolle lediglich, dass das Thema nicht ausgespart werde. „Ich hätte es falsch gefunden, diese Debatte nicht zu führen.“
Noch ganz unverbraucht: Ebenfalls vor die Mikros und Kameras trat Tim Klüssendorf, der designierte SPD-Generalsekretär. Der 33-jährige Lübecker, seit 2021 MdB und seit vergangenem Jahr Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, gab sich zwar bescheiden, wirkte aber souverän. Die verantwortungsvolle Aufgabe bedeute ihm „sehr, sehr viel“, sagte Klüssendorf. „Aber ich bin hoch motiviert und glaube, dass ich mit einer Mischung aus Demut und Selbstbewusstsein an diese Aufgabe herantreten kann.“ Seine Pläne: Erst einmal dabei helfen, die SPD nach dem Wahldebakel neu aufzustellen und „das progressive Profil zu schärfen“, sagte Klüssendorf.
Geräuschlose Rückzüge: Kurz vor Beginn der Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus ging Bas‘ Amtsvorgänger Hubertus Heil mit Aktenkoffer durchs gläserne Treppenhaus, ein paar Minuten später drückte sich Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit Blumenstrauß in der Hand am PK-Setting vorbei. Die beiden Genossen gehören wie Esken zu den Verlierern der Klingbeilschen Personalrochade. Nach dem Ende des Pressetermins zerstreute sich die Menge der SPD-Mitarbeitenden, die zum Zuhören ins Atrium gekommen waren. „Unangenehm“, raunte einer beim Rausgehen seiner Kollegin zu.
Harmonisch in Hannover: Geschmeidiger wird wohl die Amtsübergabe nächste Woche in Niedersachsen verlaufen. In Hannover will SPD-Grande Stephan Weil die Geschäfte an Noch-Wirtschaftsminister Olaf Lies übergeben. Im Interview mit SZ Dossier spricht der Wilhelmshavener Lies über den schwarz-roten Koalitionsvertrag, das Autoland Niedersachsen und darüber wie die Energiewende verbraucherfreundlich gestaltet werden kann. Das Gespräch lesen Sie im Tiefgang.