Mit „neuem Elan“ an die alten Probleme
Dass die Rednerpulte im Wintergarten des Élysée-Palastes immer in relativ großem Abstand aufgebaut sind, hat für das Verhältnis zwischen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz einen entscheidenden Vorteil: Es fällt kaum auf, dass Macron zu Merz immer ein wenig aufschauen muss. Denn beim ersten Auslandsbesuch des Kanzlers geht es vor allem darum, Gemeinsamkeit, Freundschaft und Aufbruch zu demonstrieren.
„Gemeinsam handeln“, „zusammen aufbrechen“, „Hand in Hand“ – vor allem Macron spart nicht mit großen Worten für den lieben „Friedrich“. Merz antwortet immerhin, dass in den letzten Jahren zwischen ihm und Macron neben der politischen auch eine tiefe persönliche Vertrautheit entstanden sei. Schon beim Empfang am Eingang des Präsidentenpalastes legt Macron mehrfach seinen Arm auf den Rücken des Kanzlers. Eigentlich würde er den Arm am liebsten auf die Schulter von Merz legen, aber das ist bei dessen 1,98 doch etwas schwierig.
Im Verhältnis zwischen französischen Präsidenten und deutschen Kanzlern hat es meist am Anfang gehakt, bevor es dann meist recht gut lief. Man denke an Kohl und Mitterrand, Chirac und Schröder, selbst Angela Merkel und Nicolas Sarkozy wurden irgendwann zu „Merkozy“. Nur zwischen Emmanuel und Olaf fehlte bis zum Schluss die Vertrautheit, die es braucht, um in Europa zu führen.
Macron und Merz starten anders, dass die erste Reise eines neuen Kanzlers immer nach Paris führt, ist für Merz alles andere als eine Pflichtübung. Denn was beide wirklich eint, ist der Wille, Europa zu reformieren und stärker zu machen. Ob in der Pressekonferenz oder einem parallel erschienen Gastbeitrag in europäischen Zeitungen: Mehr Sicherheit und mehr Wettbewerbsfähigkeit soll die Souveränität Europas sichern. Merz spricht in Paris von einem „deutsch-französischen Neustart für Europa“.
Das heißt aber noch nicht, dass beide Länder nun stets an einem Strang ziehen werden. Die Prinzipien sind klar, aber wie bei Koalitionsverhandlungen sind viele Details genauso umstritten wie vorher. Der deutsch-französische Verteidigungsrat soll gestärkt werden und regelmäßig auch über konkrete Beschaffungsprojekte für das Militär beraten. Aber wird das etwas daran ändern, dass die Franzosen grundsätzlich ihre Waffensysteme für die besten halten und vor Einkäufen in den USA warnen?
Seit US-Präsident Donald Trump die Nato immer mal wieder in Frage stellt, sind beide Länder für eine Stärkung des europäischen Pfeilers des Militärbündnisses. Aber wo französische Strategen schon spekulieren, dass sich Deutschland unter Frankreichs nuklearen Schutzschild begeben könnte, setzt Merz vorerst doch lieber auf die USA. Immerhin kündigt er an, mit Frankreich und Großbritannien als den beiden europäischen Mächten mit Atomwaffen über deren Rolle zu sprechen – aber nicht als Ersatz für die USA.
Beide wollen auch neue EU-Handelsabkommen mit anderen Regionen. Macron gibt sich sogar optimistisch, dass ein Kompromiss zum Mercosur-Abkommen mit südamerikanischen Staaten gefunden werden kann. Aber natürlich nur, wenn Frankreichs Erzeuger – sprich die Bauern – ausreichend geschützt werden. Nach dem von deutscher Seite erhofften Signal, dass Frankreich etwa durch Enthaltung die Mehrheit für Mercosur im EU-Ministerrat nicht weiter blockiert, klingt das nicht.
Merz wiederum begrüßt zwar die Ausnahmen des europäischen Stabilitätspaktes für Verteidigung, aber eine generelle Öffnung hin zu höheren Schulden sei schon wegen der Finanzstabilität nicht möglich. Nach Eurobonds – also gemeinsamen EU-Anleihen – wird von den Journalisten nicht einmal gefragt.
Trotzdem soll Schluss sein damit, dass beide Länder sich in wichtigen europäischen Fragen nicht abstimmen. Eine gemeinsame Kabinettssitzung ist noch für den Sommer geplant, einzelne Minister, aber auch Unternehmensverbände, Gewerkschaften und Experten sollen regelmäßig gemeinsame deutsch-französische Positionen entwickeln. Bei der gemeinsamen Führung der EU wollen Merz und Macron aber einen Dritten fest einbinden: den Polen Donald Tusk.
Das sogenannte „Weimarer Dreieck“ findet diese Woche in Etappen statt. Merz reiste direkt von Paris zum Abendessen mit Tusk nach Warschau. Morgen dann wird Macron Tusk in Nancy empfangen und einen runderneuerten Freundschaftsvertrag mit Polen unterschreiben. In Warschau sprach auch Tusk von einem „neuen Anfang“ – und machte bei der Pressebegegnung mit Merz dann deutlich, dass der durch die gestern von Deutschland verschärften einseitigen Grenzkontrollen nicht gerade erleichtert wird. Jeder derartige Versuch sei mit großen Problemen, etwa für Pendler, verbunden. Peter Ehrlich