Der Hauptausschuss als ungebliebte Übergangslösung
Zuletzt wurde in Berlin Tempo gemacht. Zuerst ging es bei den Sondierungsverhandlungen, dann bei der Grundgesetzänderung Schlag auf Schlag. In der vergangenen Woche hat sich der neue Bundestag konstituiert und die Koalitionsverhandlungen nehmen ihren Gang. Es ist aber bereits absehbar, dass es länger dauern wird, als es sich die beiden künftigen Regierungsparteien vorgenommen haben. Ob, wie vom Kanzler in spe Friedrich Merz gewünscht, bis Ostern eine neue Regierung steht, ist nicht klar.
Aber auch ohne Exekutive ist der Bundestag arbeitsfähig – theoretisch. Denn ohne Ausschüsse können keine gesetzgeberischen Entscheidungen getroffen werden. Doch meistens wird mit der Einsetzung der Fachgremien gewartet, bis die Regierung die Ressorts und Ministerposten verteilt hat. Denn am Zuschnitt der Ministerien bildet sich ab, welche Ausschüsse welche Themen federführend bearbeiten werden. Zudem gehören Mitglieder der Regierung in der Regel keinen Ausschüssen an.
Was aber, wenn dringend Entscheidungen getroffen werden müssen oder sich die Regierungsbildung ungewöhnlich lange hinzieht? Damit der Bundestag nicht gelähmt bleibt, kann der Hauptausschuss eingesetzt werden, in dem alle Themen bearbeitet werden können. Dies ist zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik im Jahr 2013 geschehen, damals verhandelte ebenfalls Schwarz-Rot.
Dem Gremium gehörten damals 23 Abgeordnete aus der Union und 14 aus der SPD an, Grüne und Linke stellten jeweils fünf Mitglieder. Vorsitzender war Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Rund vier Wochen später wurde der Hauptausschuss mit der Konstituierung von 22 ständigen Ausschüssen aufgelöst. Auch nach den Bundestagswahlen 2017 und 2021 wurde ein Hauptausschuss eingesetzt.
Aus Unionskreisen heißt es auf Nachfrage, es sei gerade „alles im Fluss“. Aufgrund der laufenden Koalitionsverhandlungen sei noch nicht absehbar, ob der Hauptausschuss eingesetzt werden muss oder nicht. Klar scheint bereits zu sein, dass die im Kalender der Bundestagsverwaltung angesetzte Sitzungswoche vom 7. bis 11. April nicht stattfinden wird. Davon geht man zumindest in der Union aus. Die Entscheidung über die Tagesordnung trifft der Ältestenrat, der sich noch nicht gebildet hat.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Christian Görke, sieht das anders: „Wir können natürlich unverzüglich zu einer Sitzungswoche zusammenkommen. Unser Auftrag ist es, aktuelle Themen – und davon gibt es reichlich – zu beraten sowie Anträge zu beschließen. Gleichzeitig bedarf es einer Regierungsbefragung, um die Kontrolle der amtierenden Regierung sicherzustellen.“ Er sehe nicht, dass nach den eiligen Entscheidungen zum Grundgesetz jetzt eine „parlamentarische Schleichfahrt stattfinden sollte“, sagte Görke SZ Dossier. „Wir erwarten, dass der Deutsche Bundestag jetzt in die Puschen kommt.“
Die Linksfraktion fordert, dass nicht der Hauptausschuss, sondern stattdessen jene Ausschüsse – die das Grundgesetz vorsieht und seit der dritten Legislaturperiode unverändert geblieben sind – sofort eingesetzt werden. Das wären der Geschäftsordnungs-, der Petitionsausschuss, der Haushalts-, Finanz-, der Verteidigungs-, der EU- und der Auswärtige Ausschuss.
Der Bundestag dürfe nicht als bloßes Anhängsel der Regierung gesehen werden und müsse unverzüglich in die Facharbeit kommen, forderte Görke. „Noch vor zwei Wochen gab es so viel akute Dringlichkeit, das Grundgesetz zu ändern und jetzt will man sich Zeit lassen.“ Es gebe ein funktionierendes Bundestagspräsidium und auch sonst keinen Grund, warum der Bundestag mit seiner Arbeit weiter warten solle. Elena Müller