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Tiefgang

Merz und die Frauen in der Union

Friedrich Merz will sich der Forderung nach einem paritätisch besetzten Kabinett nicht anschließen. „Wir haben jetzt wieder nur leider 25 Prozent Frauen in der Bundestagsfraktion, der Anteil im Kabinett wird höher“, antwortete er am Freitag bei einer Veranstaltung der FAZ auf eine entsprechende Frage, ohne aber auf die Forderung aus den eigenen Reihen einzugehen.

Zuvor kursierte ein Brief von Mechthild Heil, der Vorsitzenden der „Gruppe der Frauen“ in der CDU/CSU-Fraktion. In dem Schreiben, das SZ Dossier vorliegt, schreibt Heil: „Wir fordern Parität, einen Frauenanteil von 50 Prozent, bei den zu besetzenden Positionen innerhalb der Fraktion, in weiteren Gremien, bei Beauftragungen und bei der bevorstehenden Regierungsverantwortung.“

Wie sie ausführt, hätten die Unions-Frauen zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Frauenanteil in den Arbeitsgruppen der CDU bei 27,1 Prozent und bei der CSU bei 31,25 Prozent liegt. In der SPD hingegen beträgt der Anteil 49,1 Prozent. „Dazu kommt der Rückgang des Frauenanteils in unserer eigenen Fraktion, der nun nur noch 23 Prozent beträgt“, schreibt Heil.

Unvergessen ist auch das Bild des ursprünglichen Sondierungsteams von CDU und CSU: Sechs Männer, drei pro Partei, keine einzige Frau. Im Brief heißt es: Es sei wichtig, dass Frauen in politischen Entscheidungsprozessen angemessen vertreten seien und ihre Perspektiven aktiv einbringen könnten. „Denn auch für die politische Arbeit gilt: Gemischte Teams sind erfolgreicher“, schreibt Heil.

Die Diplom-Ingenieurin und Architektin sollte eigentlich in der Arbeitsgruppe Familie mitverhandeln, wie sie der Tagesschau mitteilte, lehnte es jedoch ab. Es gebe viele fähige Frauen in der Union, sagte sie, die alle möglichen Ämter ausüben könnten. Aber weder im Konrad-Adenauer-Haus noch in der Unionsfraktion sei bekannt, wer welche Kompetenzen habe.

Merz hängt bereits seit Jahren ein antiquiertes Frauenbild an, das er zuletzt durch einige Aussagen befeuerte. So sagte er im November 2024 bei RTL, er halte wenig von einer geschlechterparitätischen Besetzung seines Kabinetts. Dabei verwies er auf die Arbeit von Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und sagte, das sei eine „so krasse Fehlbesetzung“ gewesen, die man nicht wiederholen wolle.

Er fügte damals hinzu: „Wir tun damit auch den Frauen keinen Gefallen.“ Ihre Arbeit als Justiz- und Familienministerin sowie die eine oder andere männliche Fehlbesetzung aus der Union blieben unerwähnt. Merz betonte aber schon damals, er versuche, Frauen in Partei und Fraktion in Verantwortung zu bringen. Und es war Merz, der 2022 bei seinem ersten Parteitag als Vorsitzender eine auf fünf Jahre befristete 30-Prozent-Frauenquote für Vorstandsämter durchsetzte.

Aufgegangen ist seine Strategie nicht, wie die Zahlen der neuen Fraktion zeigen. Und auch in der Partei sind nur etwas mehr als 25 Prozent der Mitglieder weiblich. Darauf ging der CDU-Chef auch am Freitag ein: „Es ist eine schwierige Aufgabe“, sagte Merz. Er habe sich in den letzten Monaten „intensivst“ bei verschiedensten Gelegenheiten darum bemüht, auch Frauen zu ermutigen, für den Bundestag zu kandidieren.

Da gebe es aber ein Problem. Ein „Luxusproblem“, wie Merz betonte. „Wir gewinnen in Deutschland die Mehrzahl der Wahlkreise und darauf hat der Parteivorsitzende kaum Einfluss. Da werden halt Kandidatinnen oder eben Kandidaten aufgestellt, je nachdem wie die Wahlkreise das wollen, und dann hat man über die Landeslisten wenig Einfluss auf die Zusammensetzung“, erläuterte er.

„Ich bedauere das zutiefst“, schob der CDU-Chef hinterher. Aber man fange gut an: Er habe Julia Klöckner als Bundestagspräsidentin vorgeschlagen, sagte Merz. „Also wir werden schon das zweithöchste Staatsamt der Bundesrepublik Deutschland aus unseren Reihen mit einer Frau besetzen“, sagte er. Und auch die Nachbesetzung von Klöckner im CDU-Präsidium werde mit einer Frau stattfinden. Sein Fazit: Er tue, was er könne, sagte Merz, spiele den Ball aber zurück an die „Damen“ im Publikum. „Ich kann es mir ja nicht malen. Wir brauchen Sie.“

Grünen-Chefin Franziska Brantner kritisierte am Wochenende, dass sich unter Merz ein Aderlass an Frauen bemerkbar gemacht habe, auch schon vor der Wahl. „Zu viele haben ihre Zukunft nicht mehr im Bundestag gesehen“, sagte Brantner der dpa. Mit Blick auf den Bericht der Tagesschau sagte sie zudem, es sei „bezeichnend, dass Frau Heil als ausgewiesene Baupolitikerin in den Familienbereich verfrachtet wurde“. Solche Entscheidungen zeugten von einem „längst überwunden geglaubten Verständnis von Frauen in der Politik, das Frauen auf angeblich weibliche Themen beschränkt“, anstatt ihre Stärken dort zu nutzen, wo sie vorhanden seien.

Wie die Journalistin Sara Sievert in ihrer Merz-Biografie schreibt, seien die Gespräche des CDU-Vorsitzenden, etwa in den Gremien, größtenteils männlich geprägt. Das treffe auch auf sein enges Umfeld in der Partei zu. Zu den bekannten Zahlen in Fraktion und Partei kommt: Es gibt derzeit keine einzige weibliche Landesvorsitzende. Sieverts Fazit: „Gehen die Dinge einfach so weiter, wird die CDU unter Merz wieder zu der Altherrenpartei, die sie Ende der 90er-Jahre war.“