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Tiefgang

Rüstung als Chance – vor allem für Deutschland

Deutschland muss mehr für seine Verteidigung ausgeben. Das wird teuer – und entsprechend werden die Pläne als Belastung angesehen. Ein Fehler. Denn damit übersieht man die sich bietenden Chancen: Richtig angewendet können höhere Verteidigungsausgaben in vielen Bereichen eine neue Dynamik entfachen.

Die Chancen sind Wachstum, Arbeitsplätze bis hin zu Innovationen. Mehr noch: Die genannten Effekte wären nicht auf die Rüstungsindustrie begrenzt, sondern würden der gesamten Volkswirtschaft nutzen.

Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat errechnet, dass das gesamteuropäische Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,9 bis 1,5 Prozent im Jahr steigen könnte, wenn die EU-Staaten ihre Militärausgaben auf 3,5 Prozent des BIP anheben und dabei verstärkt auf heimische Hightech-Waffen setzen.

Die Beratungsgesellschaft EY und die Dekabank kommen in eigenen Studie zu dem Schluss: Die Steigerung der Verteidigungsausgaben allein auf drei Prozent des BIP schaffe beziehungsweise sichere zusätzliche 660 000 Arbeitsplätze in Europa. Die Länder mit den höchsten Beschäftigungseffekten wären Deutschland, Polen und das Vereinigte Königreich. „Allein in Deutschland sichern diese Investitionen unmittelbar mehr als 137 000 Arbeitsplätze“, stellt Deka-Vorstand Matthias Danne fest.

In einem ersten Schritt würde vor allem die Rüstungsindustrie profitieren. Aber: Während in anderen industriellen Branchen Beschäftigung abgebaut wird, kann eine wachsende Sicherheitsindustrie auch Arbeitskräfte aus Branchen aufnehmen, die sich im Umbruch befinden – etwa aus der Automobilzulieferindustrie oder dem Maschinenbau.

Erste Beispiele dafür gibt es bereits. Die Firma Hensoldt aus Taufkirchen bei München baut Hochleistungsradare, die auch in der Ukraine eingesetzt werden. Aktuell diskutiert man mit den Autozulieferern Bosch und Continental, ob man deren Beschäftigte übernehmen könne. Rheinmetall ist in ähnlichen Verhandlungen. Und der deutsch-französische Panzerbauer KNDS will in Görlitz Mitarbeitende des Bahntechnik-Konzerns Alstom übernehmen.

Ein größerer Anteil der Verteidigungsausgaben sollte zudem in Forschung und Entwicklung fließen, um ein Ökosystem für eine moderne Rüstungsindustrie zu schaffen. Gerade die Spitzenreiter wie die USA oder Israel zeigen, dass Investitionen in die Rüstungsbranche auch positive Effekte auf die gesamte Volkswirtschaft haben können.

In den USA fungiert die 1958 gegründete „Defense Advanced Research Projects Agency“ (Darpa) als zentraler Treiber industriepolitischer Erfolge. Ihre technologischen Durchbrüche im militärischen Bereich haben immer wieder auch im Zivilen ihren Nutzen entfalten können. Die Liste der Erfolge ist lang: von Internet und Düsenantrieb über die Satellitennavigation via GPS bis hin zu Digitalkameras, Nylonstrümpfen oder mRNA-Impfstoffen.

Doch Deutschland hinkt hier hinterher. Von den zuletzt 52 Milliarden Euro im Ver­teidigungsetat wurden gerade einmal zwei Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung gesteckt. Das muss deutlich mehr werden.

Die europäischen Regierungen sollten dafür sorgen, dass ein größerer Teil ihrer Militärausgaben in Europa bleibt. Derzeit stammen rund 80 Prozent ihrer Beschaffungen von Unternehmen außerhalb der Europäischen Union. Doch vor allem eine heimische Produktion kann die technologischen Spillover-Effekte auf andere Industrien erzeugen – und dort Produktivitätsgewinne möglich machen. Michael Radunski

Dieser Text erschien zuerst in unserem Dossier Geoökonomie, das Sie zwei Wochen lang kostenlos testen können.