Das erste Jahr der Digitalministerkonferenz
Die Digitalministerkonferenz (DMK) geht ins zweite Jahr. Berlin und Brandenburg, die sich den ersten Vorsitz geteilt haben, übergeben nun an Rheinland-Pfalz. Der jüngsten Fachministerkonferenz Deutschlands fehlt es noch an politischer Durchschlagskraft. Wie sich das ändern kann, darüber sprechen Martina Klement (CSU), Digitalstaatssekretärin in der Berliner Senatskanzlei, und Dörte Schall (SPD), rheinland-pfälzische Ministerin für Arbeit, Soziales und Digitalisierung, im Doppelinterview mit SZ Dossier.
Im April konstituierte sich das Gremium und verpasste sich eine Geschäftsordnung. Im Herbst gab es die erste inhaltliche Sitzung. „Man merkt noch, dass die DMK eine neue Veranstaltung ist“, sagte Schall, die ihr Amt im Juli dieses Jahres antrat und die erste Sitzung verpasste. „Das Gremium ist noch nicht so etabliert und muss sich teilweise erst finden.“
Bereits der Start war nicht frei von Skepsis: „Nicht alle Bundesländer waren von Anfang an davon überzeugt, dass es überhaupt eine DMK braucht“, sagte Klement.
Mit ein Grund: Digitalministerien in Bund und Ländern könnten unterschiedlicher nicht zugeschnitten sein. In Berlin ist das Thema – mit Schwerpunkt Verwaltungsdigitalisierung – etwa in der Senatskanzlei auf Ebene einer Staatssekretärin angesiedelt, in Rheinland-Pfalz Teil des Arbeits- und Sozialressorts. Jedes Bundesland macht es anders. Auch der Bund sucht noch den richtigen Weg.
Das Problem: Wenn nicht alle für die gleichen Dinge zuständig sind, wird es schwer mit verbindlichen Beschlüssen. Das kritisierte auch die hessische Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU) im SZ-Dossier-Interview. „Dass der Ressortzuschnitt überall ein bisschen anders ist, stellt eine Herausforderung dar“, sagte nun Klement.
Die Gründung der DMK war aber dringend nötig, findet Schall: „Es fehlte bisher eine Stelle, die den Überblick über alle Digitalthemen hat.“ Überschneidungen gebe es auch bei anderen Fachministerkonferenzen, das sei nicht neu. Wichtig sei aber: „Es muss klar sein, dass die Digitalministerkonferenz immer federführend mit dabei ist, wenn es um Digitales geht.“
Die Zeiten, in denen jeder sein eigenes Süppchen kocht, sollten laut Klement und Schall vorbei sein. „Wir brauchen eine gemeinsame Strategie bei zentralen Fragen“, sagte Schall. In vielen Bereichen habe das in der Vergangenheit nicht funktioniert – etwa bei Cybersicherheit, wo es auch zersplitterte Zuständigkeiten in Bund und Ländern gebe. Die beiden nennen auch das Thema KI als Beispiel für Koordinierungsbedarf.
Die DMK brauche es künftig auch, um grundsätzliche Weichenstellungen zu diskutieren, so Klement: „zum Beispiel, ob wir in Deutschland auf Digital only oder Digital first setzen wollen“. Also die Frage, ob und ab wann der Staat ausschließlich digitale Services anbietet – wie es bereits in Dänemark der Fall ist.
„Wir verantworten mit der Digitalisierung das Zukunftsthema schlechthin“, sagte Klement. Das Thema sei in den anderen Fachministerkonferenzen in der Vergangenheit ein „blinder Fleck“ gewesen. Außer dem Bund-Länder-Gremium IT-Planungsrat, der sich ausschließlich um Verwaltungsdigitalisierung kümmert, habe es nichts gegeben.
Dass gerade im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung Fehler passiert sind, bestreiten die beiden nicht. „Wir haben den zweiten vor dem ersten Schritt gemacht“, sagte Schall. Derzeit gibt es zwar Online-Services, aber im Hintergrund fehlt die Infrastruktur, um Daten und Nachweise in der Verwaltung zu teilen. Generell sollten Prozesse stärker überdacht, bevor sie digitalisiert werden. „Wir bilden immer noch Prozesse, die vor hundert Jahren in Preußen entstanden sind, digital ab.“
Die DMK solle sich auch Gedanken zum Thema Föderalismus machen, so Klement. Die digitale Kfz-Zulassung sei etwa zentral entwickelt worden, um sie dann auszurollen und dezentral in jeder deutschen Kommune zu implementieren. Dadurch entstünden „viele aufwändige Einzelprojekte“ in allen Bundesländern – und das, obwohl jedes Fahrzeug am Ende im Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg zugelassen wird. „Mir fehlen die überzeugenden Argumente, warum der Bund oder ein Land die Anwendung nicht zentral für alle Länder und Kommunen anbieten kann“, sagte Klement.
Von einer kommenden Bundesregierung wünscht sich Schall, dass das Thema Finanzierung großer Digitalvorhaben angegangen wird. „Wir haben in Deutschland maximal Doppelhaushalte, aber Digitalprojekte dauern oft fünf bis zehn Jahre.“ Das passe nicht zusammen, „da müssen wir flexibler werden und langfristiger planen“.
Bei einem möglichen eigenständigen Digitalressort in der kommenden Legislaturperiode komme es zudem nicht darauf an, „was außen draufsteht, sondern was innen drin ist“, so Schall. Dazu gehört aus ihrer Sicht digitale Infrastruktur, Verwaltungsdigitalisierung, Zentralisierung von Services, digitale Souveränität und KI.
„Die Digitalthemen müssen gebündelt werden“, sagte auch Klement. Wenn der Bund vorangehe, würden auch einige Länder mitziehen. Denn: auch dort gibt es den Bedarf – was auch das politische Gewicht der DMK stärken könnte. Matthias Punz