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Tiefgang

Baerbock und Pistorius warnen vor Russland

Gleich am ersten Tag des SZ Wirtschaftsgipfels warnte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die russische Bedrohung könnte näher rücken. „Russlands Kriegswirtschaft zielt darauf ab, in wenigen Jahren zu einer noch größeren Konfrontation in der Lage zu sein.“ Ihre These: Putin habe auf die aktuelle „Zwischenphase“ in den USA nur gewartet, um seinen Einfluss auszudehnen.

Ihre These: Russland werde voraussichtlich die Phase der Transition von einer US-Regierung zur nächsten für weitere Vorstöße nutzen. Daher seien für Deutschland schnell höhere Militärausgaben nötig: „Wir müssen anerkennen, dass das Zwei-Prozent-Ziel der Nato in unserer heutigen Lage nicht mehr ausreichen wird“, sagte sie.

Europa könne nicht die Hälfte seines Budgets in die Armee stecken, wie das ein Diktator tue. Deshalb sei eine europäische Rollenverteilung nötig. Die Europäer müssten ihre Fähigkeiten bündeln und gezielt aufeinander abstimmen. Das sei laut der Außenministerin auch eine Brücke zu transatlantischen Partnern. „Es ist wichtig, dass wir mehr Geld in die Hand nehmen.“

Bei Wahlen in Deutschland entstehe derzeit der Eindruck, dass die Situation in der Ukraine nicht mehr so schlimm sei. Das stimme aber nicht und sei für Kyiv fatal. Das Land stehe vor einem weiteren Kriegswinter. „Die Solidarität ist essenziell und in diesen Tagen wichtiger als je zuvor“, sagte Baerbock.

Ihr Fazit: Deutschlands Wirtschaftskraft erlaube es, erheblich zur neuen Rollenverteilung in Europa beizutragen. Die Führungsrolle, sagte sie also zwischen den Zeilen, soll Deutschland allein wegen seiner wirtschaftlichen Stellung auf dem Kontinent annehmen. Dass es gehe, hätten die Kraftanstrengungen des Jahres 2022 gezeigt, sagte Baerbock.

Was Verteidigungsminister Boris Pistorius darüber denkt? „Der hat das schon vor einem halben Jahr gesagt“, sagte der SPD-Politiker (über sich) auf der Bühne. Auch er hält die Zwei-Prozent-Marke für das Minimum. Das Sondervermögen habe geholfen, sei aber kein Allheilmittel. Wenn er das Geld nicht habe, um anschließend die laufenden Kosten abzubilden, werde der Etat immer kleiner. Vielmehr brauche es einen nachhaltigen Aufwuchs des Verteidigungshaushalts.

„Wir haben zu lange an unsere Sicherheit geglaubt, statt in sie zu investieren“, sagte Pistorius. Die acht Jahre zwischen der Annexion der Krim und dem Angriff Putins auf die Ukraine habe Deutschland verloren. Stattdessen habe man „die Snooze-Taste gedrückt“ und sich „nochmal umgedreht“.

Seine These: „Wir müssen uns gemeinsam der russischen Bedrohung, und es wird die größere der kommenden Jahre sein, entgegenstellen und die Ukraine weiter unterstützen“, sagte Pistorius. Trump hin oder her. Der Weg sei klar: Niemand solle auf die Idee kommen, Nato-Alliierte anzugreifen. Das zu erreichen funktioniere aber nur mit einem ganzheitlichen Ansatz, dem Konzept der integrierten Sicherheit.

Heißt also: Vor allem Staat und Industrie müssen eng zusammenarbeiten, Sicherheit muss überall mitgedacht werden. „Es geht um Abschreckung, es geht nicht um Kriegstreiberei“, sagte Pistorius. Viele täten sich in Deutschland schwer mit dem Begriff der Abschreckung. Das wisse aber auch Putin, deswegen sei Deutschland sein Hauptziel bei Desinformation. Der Verteidigungsminister finde auch, dass Abschreckung ein „hässliches Wort“ sei, so wie Kriegstüchtigkeit. „Aber wir brauchen sie.“

Sein Fazit: „Wir haben in den letzten Jahren vieles angeschoben, Gott sei Dank haben wir die Zeit genutzt, aber das reicht nicht“, sagte er. Es komme jetzt drauf an, mit Hochdruck an den Projekten zu arbeiten. Es gehe darum, die Grundlagen zu legen für die nächste Legislaturperiode. Für denjenigen, der ihm nachfolge, „auch, wenn ich es selber bin“.

Die Bundesregierung werde das Gesetz über den neuen Wehrdienst voraussichtlich nicht mehr umsetzen können, sagte Pistorius. Gerne würde er aber „weiterhin mit den Kollegen zusammenarbeiten“. Er würde also gerne Verteidigungsminister bleiben. Baerbock will, das verriet sie auf der Bühne des Wirtschaftsgipfels, ebenfalls Außenministerin bleiben: „Ich würde meinen Job sehr gerne weitermachen. In welcher Kombination, das entscheiden die Wählerinnen und Wähler.“ Gabriel Rinaldi, Finn Mayer-Kuckuck