Macht und Gegenmacht im BSW
Auf den ersten Blick ist die Situation paradox: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist noch kein Jahr alt, hat seit der Gründung beachtliche Wahlerfolge eingefahren und steht in drei Bundesländern kurz davor Regierungsverantwortung zu übernehmen. In vielen anderen Parteien könnten sie ihr Glück angesichts dieser Lage kaum fassen. Innerhalb des BSW jedoch werden Machtkämpfe geführt, vor breitem Publikum.
Besonders hart zu spüren, bekommt das gerade die Thüringer Landeschefin Katja Wolf, der via Gastbeitrag ausgerichtet wurde, sie befände sich in der falschen Partei. Sie und ihr Co-Landeschef Steffen Schütz hätten mit der Präambel bei der für die Partei so wichtigen Frage von Krieg und Frieden die Glaubwürdigkeit des BSW verkauft.
Doch die Sache reicht weit über den Konflikt Wagenknecht versus Wolf hinaus. Es geht vielmehr darum, wie weit sich das BSW potenziellen Partnern anschmiegen, wie starr die Partei auf ihren Standpunkten beharren soll und letztendlich darum, wie sie Politik machen will.
Im Zentrum dessen steht die Chefin selbst. Sahra Wagenknecht wird nicht müde zu betonen, dass sie nicht für ein Weiter so angetreten ist, keine bloße Mehrheitsbeschafferin sein will. Sie will nicht nur die materielle Ebene der Politik verändern, ihr geht es um das Grundsätzliche, darum, partout anders zu sein als die anderen. Und sie ist damit sehr erfolgreich. Fraglich ist bloß, ob die Wählerinnen und Wähler ihre Stimme am Ende lieber einer Partei geben, die mit Stolz in der Opposition sitzt oder den Kopf senkt, aber regiert.
Katja Wolf hat das für sich entschieden, sie beharrt auf ihrem Standpunkt und will sich ihr Ergebnis nicht kleinreden lassen: „Wir haben mit unserer Präambel gezeigt, wie elementar uns die Friedensfrage ist“, sagte sie SZ Dossier. „Das haben wir hart mitverhandelt.“ In den Koalitionsverhandlungen gehe es um ein klares Bekenntnis für Frieden und Diplomatie und stabile Verhältnisse in Thüringen, sagte sie. Für eben jene Verhandlungen haben am Dienstag auch die Parteigremien des BSW in Thüringen ihr „Go“ gegeben.
Doch während Wolf der Gegenwind aus Berlin immer stärker entgegenbläst, finden sich auch andere Stimmen in der Partei. Thomas Geisel, BSW-Spitzenkandidat bei der Europawahl und sechs Jahre lang Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf, sagte SZ Dossier mit Blick auf Thüringen: „Wenn am Ende keine Regierung zustande kommt, wäre das verheerend. Das würde nur der AfD Auftrieb geben.“ Das BSW sei angetreten, „um Politik mit Vernunft und für Gerechtigkeit zu machen. Das kann man am besten, wenn man Regierungsverantwortung übernimmt“.
Das große Problem sei, sagte Geisel, dass sich alle Seiten immer tiefer eingraben. Auch die CDU müsse sich nun bewegen. Einen gemeinsamen Ansatzpunkt sieht er dabei im wirtschaftlichen Interesse der Bundesländer: „Die ostdeutschen Länder sind ganz besonders betroffen von den Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Diese können nur revidiert werden, wenn der Krieg in der Ukraine beendet wird. Und aus diesem Grunde ist es auch im unmittelbar landespolitischen Interesse, alles zu unternehmen, um diesen Krieg nicht mit immer neuen Waffenlieferungen zu befeuern, sondern auf dem Verhandlungsweg zu beenden“. Er könne sich nicht vorstellen, dass jemand in der CDU vernünftigerweise dagegen etwas haben könnte.
Ein Papier wie in Brandenburg hätte die CDU allerdings auch nicht unterschrieben. Das, was in Thüringen herauskam, ist der Berliner BSW-Führung zu wenig. Für die Verhandler in Sachsen macht das die Sache nicht leichter. Dort müssen sie in Sachen Krieg und Frieden erst noch zu einer Antwort kommen.
Für Sahra Wagenknecht stellt sich derweil die Frage, wie lange sie ihre Kraft noch darauf verwenden will, diese Kämpfe auszufechten. Je weiter es auf die Bundestagswahl zugeht, desto mehr wird sie im Wahlkampf gefordert sein. Die Landesverbände aber einfach machen lassen, eine Grenze zwischen Bundes- und Landesebene ziehen, wie es Friedrich Merz bisweilen macht, das dürfte ihr schwerfallen: Zu involviert war sie in die Wahlkämpfe, zu stark verbunden ist das Friedensthema mit ihr als Person. Tim Frehler