Drei Erkenntnisse vom Deutschlandtag der Jungen Union
Inszenierung können sie beim Parteinachwuchs der Union. Kurz vor seiner großen Rede am Samstag, als Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) mit seinem Tross einläuft, spielen sie „Zeit, dass sich was dreht“. Danach folgen „Kanzler, Kanzler“-Rufe und „Oh, wie ist das schön“-Gesänge. Dazwischen, immer wieder, „MERZ 2025“-Plakate, die an Trump oder Harris erinnern.
Aber auch die blau-weißen Plakate täuschen trotz des amerikanischen Flairs nicht über die Hallesche Realität hinweg. Für die Junge Union (JU) ist in Sachsen-Anhalt zwar die Frage beantwortet, welche Partei den nächsten Bundeskanzler stellen wird. Doch eine Meinungsverschiedenheit kann selbst die größtenteils staatstragende Rede von Merz nicht ganz aus der Welt schaffen. Drei Erkenntnisse vom Deutschlandtag der JU.
Bei der Rente gibt es einen Korb, der Wahlkampf ist wichtiger. JU-Chef Johannes Winkel, der am Freitagabend mit 90,5 Prozent wiedergewählt wurde, hatte bereits vor dem Deutschlandtag betont, die JU müsse sich auf Merz verlassen können. „Wir haben uns nicht richtig um die sozialen Sicherungssysteme gekümmert“, sagte sein Vize Pascal Reddig. Man nehme da keine Regierung oder Partei aus. Die Rente sei kein Thema, mit dem man als Union Wahlen gewinnen könne, aber Merz habe immer gesagt, dass er Reformen angehen wolle.
Deshalb forderte die JU in ihrem Leitantrag, der einstimmig beschlossen wurde, massive Änderungen in der Rentenpolitik, um eine Überlastung der jungen Generation zu vermeiden. Winkel betonte, man werde die Ampel vor dem Bundesverfassungsgericht verklagen, falls das Rentenpaket II so durchgeht. Was sie stattdessen wollen: eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung (so wie es auch im Grundsatzprogramm der Union steht). Zudem dürfe die doppelte Haltelinie nicht über 2025 hinaus verlängert werden.
Dafür gab es eine Absage von Merz. „Wir brauchen ein gesetzliches Renteneintrittsalter. Und dieses gesetzliche Renteneintrittsalter sollte bei 67 bleiben“, sagte der CDU-Chef. „Nein, es wird keine Rentenkürzung in Deutschland geben.“ Wer später in Rente gehen wolle, müsse gute Anreize bekommen, länger zu bleiben und länger zu arbeiten. „Verständigen wir uns auf diesen Weg, dann nehmen wir den Sozialdemokraten jedes Potenzial, gegen uns eine infame Kampagne zu führen“, sagte Merz. Man müsse bei dem Thema Jung und Alt gleichermaßen in den Blick nehmen. Dafür gab es Applaus – und bei der Fragerunde nach Merz' Rede keine weiteren Fragen.
Wirtschaft und Arbeitnehmer werden wichtig für den Weg ins Kanzleramt. In Deutschland soll es wirtschaftlich wieder besser laufen (die Rechnungsprüfer erwarten übrigens, dass der eigene JU-Haushalt im Defizit abschließt). Wie Winkel betonte, sitze das Problem der deutschen Wirtschaft im Wirtschaftsministerium. Merz machte in seiner Rede klar, dass er dieses Ministerium – wie von der JU gewünscht – anders aufstellen möchte.
„Arbeitsmarktpolitik ist Wirtschaftspolitik und nicht Sozialpolitik“, sagte Merz. Er unterstütze es, das Arbeits- und Wirtschaftsministerium zusammenzulegen. Das Bürgergeld müsse man vom Kopf auf die Füße stellen, der Name suggeriere derzeit ein bedingungsloses Grundeinkommen. Als wichtigste Zielgruppe im Wahlkampf sehe er die Arbeitnehmer: „Ohne die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland werden wir keine Bundestagswahl gewinnen“, sagte er.
Merz wolle zudem das „Monster Bürokratie“ zähmen, damit müsse man jetzt auf der europäischen Ebene beginnen. Für eine mögliche Regierung kündigte er ein Bürokratie-Moratorium an. „Es wird kein Gesetz mehr geben, was die Bürokratie in Deutschland noch weiter ausweitet. Und wenn es notwendig sein sollte, Regelungen zu treffen, dann müssen mindestens zwei andere Regelungen dafür aufgehoben werden“, sagte Merz. Zudem stellte er einen „Einstellungsstopp für den öffentlichen Dienst“ in Aussicht.
Die Union will sich auf die Union konzentrieren. Jens Spahn (CDU) war es, der in seiner Rede am Samstag betonte: „Lasst uns aufhören, jeden Tag und jede Woche darüber zu sinnieren, ob wir lieber mit der SPD oder lieber mit den Grünen regieren.“ Applaus. Er wolle stattdessen „einen Pitch machen“ und auf eigene Stärke setzen. Zudem warnte er die 300 Delegierten: „Elf Monate sind eine lange Zeit.“
Als Winkel in seiner Rede auf Sahra Wagenknecht kam, gab es vereinzelt Applaus und Buhrufe. „Natürlich kann man mit einer neuen Partei mit ganz neuem Personal erstmal Gespräche führen“, sagte er. Man müsse es in einer Konstellation mit der AfD und Höcke sogar. Doch Sozialismus ohne Gendern bleibe blutroter Sozialismus. „Wenn wir die Partei von Konrad Adenauer und Helmut Kohl sind, und uns diese Westbindung noch irgendwas bedeutet, dann haben wir auch die gottverdammte Pflicht zu antworten: Wir sind gegen die Stationierung von Putin-Propaganda in deutschen Landesregierungen“, sagte Winkel. Zur Not müsse man „dem BSW den Stecker ziehen.“
Merz verlor kein Wort über Wagenknecht, sprach dafür aber über die AfD. „Für die CDU kommt, egal auf welcher Ebene, eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage“, sagte er. Es gab lauten Applaus. Nur wenn das klar bleibe, könne die Union ihren Wählern das Dilemma erklären, dass es zwar eine theoretische rechte Mehrheit gebe, man diese aber nicht in Anspruch nehmen werde. „Jede Stimme für die AfD stärkt in Wahrheit diejenigen, die links von der politischen Mitte Einfluss behalten auf die Politik in Deutschland“, sagte Merz. Gabriel Rinaldi