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Wie umgehen mit klammen Kommunen?

Wenn sich die Ministerpräsidenten zu ihrer Konferenz in Leipzig treffen, wird es dabei auch um die Lage in den Städten und Gemeinden gehen. „Starke Kommunen, starkes Land“, heißt es unter Tagesordnungspunkt neun.

Doch mit der Stärke der Kommunen ist es so eine Sache. Ein kurzer Überblick: Diese Woche erst warnte der bayerische Landkreistag, die finanzielle Situation der bayerischen Landkreise habe sich „in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert“. Der Landkreis Regen verhängte gar eine sofortige Haushaltssperre. In einer Umfrage unter nahezu allen der knapp 400 Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen schätzten zuletzt 372 ihre finanzielle Situation in den kommenden fünf Jahren als eher schlecht oder sogar sehr schlecht ein.

Gewiss, die Klage ist das Lied des Kaufmanns. Doch auch Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen diesen Trend. Laut der vierteljährlichen Kassenstatistik, die Anfang Oktober veröffentlicht wurde, liegt das Finanzierungsdefizit der Kommunen im ersten Halbjahr 2024 bei 17,3 Milliarden Euro und damit mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahreszeitraum. Die „Einnahmen-Ausgaben-Schere öffnet sich bei Gemeinden noch weiter“, schrieben die Statistiker.

Die Kritik der kommunalen Vertreterinnen und Vertreter geht dabei meist in eine ähnliche Richtung: Bund und Länder übertragen den Kommunen Aufgaben, bezahlen diese aber nicht in vollem Umfang. Weil etwa die Finanzierung für die zugewiesenen Geflüchteten nicht ausreiche, entstehe im Haushalt der Stadt pro Jahr ein Defizit von rund 20 Millionen Euro, sagte Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner kürzlich im Interview mit SZ Dossier.

Die Frage ist also, was aus dieser Entwicklung folgt und wie sich der Trend vielleicht umkehren ließe. In der Mitteilung des bayerischen Landkreistages heißt es dazu unter anderem, man müsse sich die Frage stellen, „wie wir mit unserem Sozialstaat umgehen. Leistungen müssen eingegrenzt und dereguliert werden“, fordert Franz Löffler, CSU-Landrat in Cham. Bis es so weit sei, brauche es „einen kräftigen Aufschlag des Freistaats“, fordert sein Kollege Stefan Rößle, Landrat im Kreis Donau-Rieß. Das ist also die eine Option, Leistungen und Standards – vor allem im sozialen Bereich – zurechtstutzen und vereinfachen.

Karoline Otte, Bundestagsabgeordnete der Grünen hat noch eine andere Idee, um die kommunalen Finanzen auf ein stabileres Fundament zu stellen. Ihr Vorschlag besteht im Kern aus drei Punkten: So sollen den Kommunen einerseits mehr Punkte und damit höhere Anteile aus den Steuereinnahmen zugutekommen, zweitens brauche es für Investitionen schlicht mehr Geld, indem existierende Förderprogramme vereinfacht und gestärkt werden. Und drittens schlägt sie vor, „die dauerhaften Aufgaben, die in den Städten, Gemeinden und Landkreisen verortet werden, auch dauerhaft von Bund und Ländern zu finanzieren“. Otte denkt dabei zum Beispiel an Klimaschutz und Integration.

Der Hintergedanke: Wenn es in den kommunalen Haushalten eng wird, sparen Städte und Gemeinden als Erstes bei freiwilligen Aufgaben, also jenen Bereichen, in denen sie selbst entscheiden können, ob und wie sie aktiv werden.

Otte plädiert daher dafür, sowohl Klimaschutz als auch Integration als kommunale Daueraufgaben gesetzlich im Bund zu verankern. „Dann würden Bund und Länder gemeinsam dauerhaft diese Aufgaben der kommunalen Ebenen übertragen und entsprechend auch finanzieren“, sagt Otte SZ Dossier. Sie verbindet damit auch die Hoffnung, dass solche Aufgaben nicht gleich gestrichen werden, wenn es finanziell mal nicht so gut aussieht.

Aber geht das rechtlich? Schließlich kann der Bund den Kommunen durch Bundesgesetz keine Aufgaben direkt übertragen. Würde er in diesem Fall aber auch nicht. Der Plan wäre, dass der Bund im ersten Schritt die Länder verpflichtet – und die dann sowohl die Aufgaben als auch das Geld an die Kommunen weitergeben, sagt Otte. Ihr seien bislang auch keine gegenläufigen rechtlichen Auffassungen bekannt. Außerdem habe ein solches Modell bereits beim Wärmeplanungsgesetz funktioniert. Aber, sagt Otte: „Man ist immer auf ein gemeinsames Agieren mit den Ländern angewiesen.“

Den Menschen in den Kommunen und den Politikern in den Rathäusern dürfte es letztendlich ohnehin nicht so wichtig sein, ob Bund oder Land die Zeche zahlen. Hauptsache irgendeiner tut es. Tim Frehler

Wie umgehen mit klammen Kommunen? (Tiefgang) | SZ Dossier