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Kommunalpolitiker beklagen Anfeindungen in Serie

Mehr als ein Drittel der befragten kommunalen Amtsträger erlebt Anfeindungen. Das zeigen die Ergebnisse der Frühjahrsbefragung des „Kommunalen Monitoring“, das das Bundeskriminalamt gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden durchführt. Zwischen November 2023 und April 2024 wurden dafür haupt- und ehrenamtliche Bürgermeister und Landräte zu ihren Erfahrungen mit Hass, Hetze und Gewalt befragt. Die Auswertung liegt SZ Dossier vor.

Demnach ist die Zahl derjenigen, die von Anfeindungen berichten, zwar leicht zurückgegangen, pendelt sich aber in etwa auf dem Niveau vorheriger Befragungen ein. In einem Großteil der Fälle (73 Prozent) finden die Anfeindungen schriftlich oder verbal statt. In einem Viertel der Fälle handelt es sich um Hasspostings, zwei Prozent sind tätliche Überfälle. Auch diese Verteilung entspricht in etwa den Werten der vergangenen Befragung.

Was allerdings auffällt: Es bleibt meist nicht bei einem einzelnen Ereignis, im Durchschnitt berichten Betroffene von neun Vorfällen, die sie zwischen November und April erlebt haben. Zur Anzeige gebracht wurden allerdings nur elf Prozent der Fälle.

Was die Frage nach den Tatverdächtigen angeht, zeichnet sich ein Muster ab: So waren die Verdächtigen den Betroffenen in mehr als drei Vierteln der Fälle bekannt, in 93 Prozent wohnen sie sogar in der Stadt oder der Gemeinde, die der oder die Amtsträgerin verantwortet. Und meistens handelt es sich bei ihnen um Männer mittleren oder höheren Alters.

Da die Befragung nur den April erfasst, floss die heiße Phase des Kommunalwahlkampfes nicht mehr in die Auswertung mit ein. Die Wahlen in acht Bundesländern fanden gemeinsam mit der Europawahl am 9. Juni statt, in Thüringen bereits Ende Mai. Gefragt wurde allerdings trotzdem nach den Erfahrungen im Wahlkampf – 18 Prozent der Befragten berichteten von Anfeindungen auf sich oder ihre Helferinnen und Helfer, 27 Prozent der Fälle wurden zur Anzeige gebracht.

Fast ein Drittel (28 Prozent) der Befragten will bei den kommenden Kommunalwahlen nicht erneut kandidieren, was auch mit den Anfeindungen im Amtsalltag zu tun hat. Die Gründe sind aber weitaus vielfältiger. Genannt wird zum Beispiel das Alter, die hohe Belastung, die mangelnde Wertschätzung, der geringe Gestaltungsspielraum sowie gesundheitliche und zeitliche Gründe. Wer im Ehrenamt tätig ist, gab signifikant häufiger an, nicht erneut kandidieren zu wollen als Hauptamtliche. Überraschend auch: Die größte Herausforderung für die Kommunen sehen die Befragten nicht etwa im Bereich Flucht und Migration, sondern in fehlenden Haushaltsmitteln, der Energiewende und der Infrastruktur.

Zum Schutz kommunaler Amts- und Mandatsträger rief das Bundesinnenministerium dieses Jahr die sogenannte „starke Stelle“ ins Leben. Sie nahm am 1. August offiziell ihre Arbeit auf – also noch während der Landtagswahlkampf in Sachsen, Thüringen und Brandenburg lief. „Erstaunlicherweise“, sagt Marcus Kober, Mitverantwortlicher der Stelle, habe sich das aber nicht in der Nachfrage widergespiegelt, es habe „keine Peaks“ rund um die Landtagswahlen gegeben. Er führt das allerdings weniger darauf zurück, dass es weniger relevante Fälle gegeben haben könnte, vielmehr sei das Beratungsangebot noch nicht bekannt genug.

Und noch etwas hat Kober seit dem Start verwundert: Die Fälle seien viel heterogener, viel komplexer als angenommen. Manchmal sei nicht eindeutig, ob es um strafbare Handlungen geht. Und nicht immer sei ein politischer Hintergrund im Spiel, mitunter sei es persönlicher Dissens, „Privatfehden, die sich im Gemeinderat abspielen“. Die Betroffenen seien dadurch zwar erkennbar stark belastet, sagt Kober. Für sie als Ansprechpartner sei es in solchen Fällen aber schwer, Ratschläge zu geben oder die Betroffenen an andere Stellen zu verweisen.

Wie es nun weitergeht? Das Wichtigste sei, sagt Kober, noch stärker mit den Betroffenen in Kontakt zu treten. Geplant sei etwa häufiger auf Kommunaltagungen präsent zu sein. „Und wir wollen auch noch einmal an alle im Bundestag vertretenen Parteien herantreten.“

Kommunalpolitiker beklagen Anfeindungen in Serie (Tiefgang) | SZ Dossier