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Tiefgang

Sieben Lehren aus den Landtagswahlen

Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ist vor der Auslegung des Wahlergebnisses. Was gestern mit zahlreichen Pressekonferenzen in der Hauptstadt begonnen hat, verlagert sich nun zunehmend in die Parteizentralen. Alle werden vieles anders machen wollen, besser erklären, näher an den Wählerinnen und Wählern sein sowieso. Die Zeit drängt, denn in weniger als drei Wochen wird wieder gewählt, in Brandenburg.

Die Wahlanalysen der Meinungsforschungsinstitute für die Berliner Parteizentralen bieten in Gestalt langer Zahlenreihen interessante Erkenntnisse. Zwei Analysen von Infratest dimap liegen SZ Dossier vor. Sieben Beobachtungen aus den Berichten, die in dieser Woche noch für Gesprächsstoff sorgen werden.

Die „Sachthemen“ sind zurück: Sachthemen, was auch immer Parteien und Wählende darunter verstehen, haben in beiden Bundesländern eine wichtige Rolle bei der Wahlentscheidung gespielt. In Sachsen gaben laut Infratest dimap knapp vier von zehn CDU-Wählenden an, aufgrund der angebotenen Sachlösungen ihre Stimme abgegeben zu haben, während bei der AfD sogar knapp drei Viertel der Wählerinnen und Wähler angaben, dass Sachfragen entscheidend waren. In Sachsen und Thüringen punktet die AfD vor allem beim Thema Migration.

Die Unzufriedenheit wählt mit: Ein Blick in die Daten zeigt, dass wirtschaftliche Unsicherheiten ein großer Treiber für das Wahlverhalten in beiden Bundesländern waren. Die AfD erzielte in Thüringen und Sachsen überdurchschnittlich hohe Ergebnisse bei wirtschaftlich Unzufriedenen. Gleichzeitig scheint es nicht nur um Politik oder Wirtschaft zu gehen: Wie die Konrad-Adenauer-Stiftung in einer Analyse schreibt, sind „die Anhängerschaften von AfD und BSW“ in der „Unzufriedenheit vereint, wobei die AfD-Anhängerschaft noch unzufriedener ist als die Anhängerschaft des BSW.“

Ältere und Beamte sind die Lebensversicherung der CDU: Die CDU konnte sich in Sachsen bei älteren Wählern und Beamten behaupten, während sie sich bei jüngeren Wählerinnen und Wählern trotz leichter Zugewinne schwerer tat und bei Selbstständigen sogar an Boden verlor. Die CDU ist also stärker auf stabile Wählergruppen angewiesen, während es komplizierter für sie ist, wirtschaftlich unsichere Wählerschichten anzusprechen. Michael Kretschmer erzielte in seinem Wahlkreis Görlitz 2 übrigens das beste Erststimmenergebnis unter den CDU-Kandidierenden und profitierte von einem erheblichen Personenbonus.

Die AfD erreicht noch immer viele Nichtwählende ... Es ist ein altes Erfolgsrezept aus dem Playbook der AfD, und trotzdem hat es wieder geklappt. In Sachsen und Thüringen hat die Partei einen signifikanten Teil ihrer Stimmen durch die Mobilisierung früherer Nichtwählerinnen und Nichtwähler gewonnen. Die AfD ist also nach wie vor in der Lage, politisch enttäuschte Bürgerinnen und Bürger anzusprechen und auch zu mobilisieren.

... und spricht gleichzeitig immer mehr Gruppen an: Der Erfolg der AfD blieb in beiden Ländern nicht auf statusschwächere Wählermilieus begrenzt. In Sachsen nahm sie auch bei den Selbstständigen den ersten Rang ein. Bei Angestellten, Beamten und Rentnern wurde die AfD zweitstärkste Kraft. Trotz des allgemeinen Trends hin zu Protestwahlen konnte die Partei eine steigende Zahl von Überzeugungswählern verzeichnen. Ähnlich wie die CDU ist sie in ländlichen Regionen besonders stark – nur es sind halt andere als bei den Christdemokraten. Ein Beispiel: Die AfD-Hochburgen Thüringens liegen nicht im Grenzgebiet zu Bayern, sondern eher im Osten des Bundeslandes.

Besonders stark ist die AfD bei jungen Männern: Überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte die AfD unter Wählerinnen und Wählern mit niedriger und mittlerer formaler Bildung. Sie war für Männer deutlich attraktiver als für Frauen. In Sachsen entschieden sich Männer unter 25 Jahren und zwischen 45 und 59 Jahren laut Infratest dimap überdurchschnittlich häufig für die AfD. Im Vergleich zur letzten Landtagswahl vergrößerte die AfD ihren Wählerrückhalt dort und auch in Thüringen vorwiegend bei den jungen Männern unter 25 Jahren.

Im linken Spektrum bleibt nichts mehr, wie es war: Die Linke erlitt in Sachsen und Thüringen erhebliche Verluste, vor allem durch den Wählerabfluss an das BSW. Innerhalb des linken Spektrums fand eine Umverteilung der Wählerinnen und Wähler statt, die nicht nur durch politische Positionen, sondern auch durch personelle Neuausrichtungen und die Mobilisierung von Protestwählern beeinflusst wurde. Das betrifft auch die SPD: Die Arbeiterinnen und Arbeiter, immerhin ursprüngliches Kernklientel, wählten insbesondere AfD, CDU und BSW.