Die Arbeit der Regierung sei nicht schlecht, man müsse sie nur besser erklären: In diesem Glauben suchen sie ernsthaft Trost, von FDP bis SPD, jedenfalls hört man es dauernd. Da ist es zumindest erfrischend, wenn ein Regierungsmitglied folgendes sagt: „Führungsriegen, die zusehen, wie seit anderthalb Jahrzehnten die SPD sinkende Mitgliedszahlen und geringere Zustimmung in der Bevölkerung verzeichnet, müssen ihre Verantwortung erkennen“, schrieb Mahmut Özdemir (SPD) auf Instagram. Klare Worte an den Bundeskanzler und die Parteiführung.
Von Wahl zu Wahl zu Wahl: Der parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium von Nancy Faeser (SPD) holte auf Social Media zum Rundumschlag aus. Seit 2005 rechtfertige die SPD „mit ganz wenigen Ausnahmen von Wahl zu Wahl historisch schlechteste Ergebnisse“ und kündige dann Analysen und Veränderung an, um kurz darauf so weiterzumachen wie bisher. Özdemir, das wird klar, fordert dieses Mal Konsequenzen – und ist damit in der SPD nicht allein.
Zwischenruf aus dem Abseits: Die Ergebnisse seien für die SPD „eine ziemliche Katastrophe“, sagte Altkanzler Gerhard Schröder der SZ. „Es nutzt auch nichts, wenn der Generalsekretär sich hinstellt und sagt, das habe man kommen sehen. Das kann man nicht beschönigen. Daraus muss man Konsequenzen ziehen.“ Er riet der Regierung zu einer Friedensinitiative. Beim Thema Migration müsse die SPD deutlich machen, dass sie offen bleibe für diejenigen, die wirklich Fluchtgründe haben. Gleichzeitig müsse man die Möglichkeiten der Rückführung von Leuten, die keinen Asylgrund haben, „offensiv“ nutzen.
Liberale Unzufriedenheit: Parteichef Christian Lindner will, im Gegensatz zu FDP-Vize Wolfgang Kubicki, in der Ampel „durchhalten“. Man will noch einige Projekte erledigen, etwa die Wachstumsinitiative oder das Sicherheitspaket. „Die Menschen haben die Schnauze voll, dass der Staat die Kontrolle verloren hat bei Einwanderung und Migration nach Deutschland“, sagte Lindner. Die Basisinitiative „Weckruf“ – bekannt aus der Mitgliederbefragung im letzten Jahr – forderte derweil, wie der Spiegel zuerst berichtete, dass Lindner die FDP entweder so rasch wie möglich aus der Ampel führen oder gehen soll.
Kämpfen für die Einstelligkeit: Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, die Ergebnisse für die AfD in Sachsen und Thüringen seien „bitter“ und würden ihm Sorgen bereiten, daran dürfe sich „unser Land nicht gewöhnen“. Zugleich lobte er den Zusammenhalt der SPD, Kämpfen lohne sich. „Jetzt geht es darum, stetig um mehr und neue Zustimmung zu werben“, sagte er. Genau die Ankündigungen also, die Genosse Özdemir nicht mehr hören kann.