CSRD-Vorreiter Frankreich – was Deutschland lernen kann
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und jetzt auch Nachhaltigkeit: Frankreich ist bei der Umsetzung der EU-Richtlinie über nachhaltige Unternehmensberichterstattung (CSRD) in nationales Recht schon ein gutes Stück weiter als Deutschland. Hierzulande wurde das als „Bürokratiemonster“ gescholtene Regelwerk nach langem Ringen erst im Juli beschlossen: Ab 2025 sollen die ersten von insgesamt 13.000 Unternehmen Berichte für das Geschäftsjahr 2024 vorlegen.
Mit der CSRD will die EU die Unternehmen auf möglichst einheitliche und überprüfbare Berichte zu Wechselwirkungen zwischen Nachhaltigkeit und Geschäftstätigkeit verpflichten. Die Firmen müssen dafür Hunderte Datenpunkte erheben, etwa zu Wasserverbrauch, Arbeitssicherheit oder CO2-Ausstoß. In der „doppelten Wesentlichkeitsanalyse“ wird bewertet, wie sich Nachhaltigkeitsfragen auf die Finanzen auswirken und welche Auswirkungen das Unternehmen auf Gesellschaft und Umwelt hat.
Das klingt so gar nicht nach „Savoir-vivre“ und „Laissez-Faire“ – trotzdem hat Frankreich im Vergleich zu Deutschland und auch der EU insgesamt bei der CSRD-Umsetzung eine Vorreiterrolle eingenommen. Im Nachbarland ist das nationale Gesetz schon seit dem 1. Januar in Kraft. Es gilt dort für etwa 10.000 Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden, die über 40 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften.
Hauptgrund für den zeitlichen Vorsprung waren langfristige politische Weichenstellungen. Vor allem Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sah die CSRD-Regeln als Gewinnerthema, bejubelte regelrecht die Transparenz für Bürger, Verbraucherinnen und Anleger. „Greenwashing ist Geschichte. Mit diesem Text setzt sich Europa im internationalen Wettlauf um Standards an die Spitze“, sagte er schon vor zwei Jahren. Wo Deutschland vor Risiken warnte, spekulierte Frankreich auf Chancen – etwa mit Blick auf die langfristigen Möglichkeiten von Unternehmen, sich ESG-konforme Finanzierungen zu sichern.
„Viele Unternehmen in Frankreich begrüßen Nachhaltigkeit und die CSRD als Geschäftsvorteil.“
Catherine Saire
Partnerin bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte
Über Jahre hinweg hat Frankreich entsprechende Fachkenntnisse aufgebaut, die jetzt den Switch zur neuen EU-Richtlinie erleichtern. Die klare politische Rahmengestaltung führte zu Planbarkeit auf Seiten der Wirtschaft. „Viele Unternehmen in Frankreich begrüßen Nachhaltigkeit und die CSRD als Geschäftsvorteil“, sagte Catherine Saire, Partnerin bei Deloitte in Frankreich, SZ Dossier. „Die CSR-Richtlinie ist eine Chance und ein wichtiges Instrument, um Unternehmen in einer kohlenstoffarmen Welt widerstandsfähiger zu machen.“
Das französische Training für die Nachhaltigkeitsberichterstattung hat nicht erst mit der CSRD angefangen. Seit dem 1. Januar 2021 gibt es einen Reparatur-Index, der Käufern vom Smartphone bis zum Rasenmäher in Form eines Punktestands die Reparaturfähigkeit anzeigt. Bereits 2017 erließ Frankreich mit dem „Loi de Vigilance “ ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Und schon die Grenelle-Gesetze ab 2009 verpflichteten Firmen zu Jahresberichten über CSR-Angelegenheiten. „Unternehmen in Frankreich haben Erfahrungen mit der Kontrolle, Berichterstattung und Verifizierung von nicht-finanziellen Indikatoren gesammelt“, sagte Christophe Schmeitzky SZ Dossier, er ist Partner bei EY Frankreich in der Nachhaltigkeitsberatung.
Vor allem aber existiert in Frankreich bereits seit Jahren im Rahmen der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) auch eine externe Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte, die im Nachbarland zudem obligatorisch ist. Die Richtlinie umfasst Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, Menschenrechten und Korruptionsbekämpfung. „Frankreich ist in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung gerade im Vergleich zu Deutschland seiner Zeit durch die bereits aus der Vergangenheit bestehende Prüfungspflicht voraus“, sagte Jan-Hendrik Gnändiger, Global ESG Reporting Advisory Lead bei KPMG Deutschland, SZ Dossier.
Nach Angaben von KPMG in Frankreich blickt das Land zudem in der Unternehmenswelt auf eine lange Geschichte sogenannter gemeinschaftlicher Konzernprüfungen zurück. Dabei sei es – anders als in Deutschland – durchaus üblich, dass sich verschiedene Wirtschaftsprüfungsgesellschaften für eine Jahresabschlussprüfung zusammentun.
Dies habe dazu geführt, dass Frankreich auch bei der EU-Richtlinie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sogenannte „Joint Audits“ von Wirtschaftsprüfern mit weiteren Zertifizierungsstellen zugelassen habe. Daher arbeite im Nachbarland KPMG bei der Überprüfung von Nachhaltigkeitsberichten mitunter auch mit Organisationen wie dem „Bureau Veritas“ zusammen, die in Deutschland mit dem TÜV oder der Dekra vergleichbar wären. Kompetenzen für Umwelt und Technik zur Überprüfung der Nachhaltigkeitsberichte werden gewissermaßen eingekauft.
In Deutschland aber bleiben diese Organisationen nach dem Willen von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) außen vor. Er will allein auf die „Big Four“ aus KPMG, Deloitte, EY und PWC setzen, obwohl die Industrie ein Oligopol befürchtet und die Zertifizierungsorganisationen auch thematisch besser aufgestellt sieht. „Dass sich neben den Wirtschaftsprüfern auch unabhängige Zertifizierer für die Überprüfung der Berichte akkreditieren können, hat Vorbildcharakter für andere europäische Mitgliedstaaten“, sagte Juliane Petrich, Referentin der Geschäftsführung, Politik und Nachhaltigkeit beim deutschen TÜV-Verband, zu SZ Dossier. „Wir bräuchten auch in Deutschland einen Qualitätswettbewerb und weniger einen Berufsständewettbewerb.“
Weiterlesen?
Starten Sie ein Probeabo, um die vollständigen Inhalte des Dossiers Nachhaltigkeit zu lesen.
Jetzt vier Wochen kostenlos testenHaben Sie bereits einen Account? Dann loggen Sie sich ein.
Ihr persönlicher Kontakt

Neelam Cartmell
+49 160 925 27178
Nico Kreuzpointner
+49 151 20 64 94 90Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail an service@sz-dossier.de.