Wie Unternehmen im Osten auf die AfD blicken
Auf dem Erfurter Platz der Völkerfreundschaft, zwischen Plattenbauten und einem Einkaufszentrum, riecht es nach Gegrilltem. Es gibt Rostwurst und Steak, Bier und Kinderschminken. An einem Augustnachmittag steigt Björn Höcke auf die Bühne, redet gut eine Viertelstunde lang, bis er bei der Kampagne „Made in Germany – Made by Vielfalt“ angelangt ist. Damit werben gerade mehr als 40 Familienunternehmen für eine pluralistische und offene Gesellschaft. „Heuchelei“ wirft Höcke ihnen vor und behauptet, die AfD sei die mittelstandsfreundlichste Partei in Deutschland.
Wirtschaftsvertreter sehen das anders. Wie eine Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kürzlich zeigte, sehen Unternehmen aus Ost und West im Erstarken der AfD größtenteils ein Risiko. Eine Sorge, die allerdings im Osten schwächer ausgeprägt ist als im Westen – und zwar um durchweg „16 bis 22 Prozentpunkte“, wie es in der Studie heißt.
Das ohnehin komplizierte Verhältnis der AfD zur Wirtschaft bekommt wenige Tage nach Höckes Auftritt in Erfurt einen weiteren Dämpfer: In Sömmerda redet Höcke wieder über die Kampagne „Made by Vielfalt“, spricht wieder von „Heuchelei“, dieses Mal setzt er aber noch einen drauf: „Ich hoffe, dass diese Unternehmen in schwere, schwere wirtschaftliche Turbulenzen kommen“, sagt er. CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt hält Höcke diese Aussage Tage später in einer Wahlsendung des MDR vor, Höcke bezichtigt Voigt der Lüge, doch seine Rede ist im Netz dokumentiert. Später erklärt der AfD-Politiker, Thüringer Unternehmen habe er nicht gemeint.
Die fühlten sich aber angesprochen: Colette Boos-John vom Verband der Familienunternehmen (und Mitglied in Mario Voigts Kompetenzteam) spricht in einer Mitteilung davon, Höcke habe die Maske fallen lassen und gezeigt, wie wirtschaftsfeindlich die AfD sei. Ein Thema, das sie beschäftigt: der Fachkräftemangel. „Wenn nach der Wahl die AfD den politischen Ton angeben sollte, dann wird kaum noch ein Ausländer zum Arbeiten nach Thüringen kommen. Für unsere Thüringer Betriebe wird daraus eine Katastrophe“, sagt Boos-John.
Björn Höcke und die AfD, die in Thüringen als gesichert rechtsextremistisch gilt, versprechen dafür vermeintlich einfache Lösungen: „Wir müssen unsere Fachkräfte endlich wieder selber machen“, ruft er dem Publikum in Erfurt zu. Doch selbst, wenn dieser Plan in die Tat umgesetzt würde – es würde Jahre dauern, bis er wirkt. Eine weitere Studie des IW von Anfang August besagt dagegen: „Insbesondere Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind aufgrund ihrer Altersstruktur dringend auf die Zuwanderung von Arbeitskräften angewiesen.“
Eine als rechtsextrem eingestufte Partei als stärkste Kraft im Parlament, das ist alles andere als gut für das Image eines Wirtschaftsstandorts. „Wir müssen uns vermehrt bemühen, uns dem Trend entgegenstellen und Überzeugungsarbeit leisten“, sagt Wilfried Röpke von der Wirtschaftsförderung in Jena SZ Dossier. „Das, was man so hört von der AfD und von Höcke“, sorge natürlich für Gegenwind.
Röpke stemmt sich daher gegen dieses Image: „Wir sind eine weltoffene, internationale Stadt“, sagt er. Auf die Landtagswahlen schaue er zwar mit Spannung, aber auch mit einem gewissen Optimismus. „De facto ist es so, dass wir in Jena in den letzten Jahren sehr gute Investitionen hatten.“
Der Wirtschaftsförderer verweist aber noch auf ein anderes Problem. Unternehmen wollten klimaneutral werden, nachhaltig wirtschaften, sagt Röpke. „Und sie fordern auch von einem Standort, dass sie das dort möglich machen können.“ Dass sie etwa von den Stadtwerken Ökostrom beziehen können.
Immerhin sagen 64 Prozent der befragten ostdeutschen Unternehmer, die Energiewende sei für den Standort wichtig oder sehr wichtig. Das geht aus einem nicht-repräsentativen Stimmungsbarometer der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände Ostdeutschlands und Berlin hervor.
Zudem beklagt mehr als die Hälfte, der Ausbau erneuerbarer Energien gehe nicht schnell genug voran. Die größten Hindernisse im Rahmen der Energiewende sehen sie in fehlender Planbarkeit und Verlässlichkeit, zu viel Bürokratie, hohen Energiepreisen sowie Planungs- und Genehmigungsverfahren. Andererseits halten 60 Prozent den Ausstieg aus der Kernenergie für falsch, eine Position, die auch die AfD vertritt.
Gleichzeitig ist der Ausbau erneuerbarer Energien aber in der Bevölkerung nirgendwo so unbeliebt wie im ländlichen Raum Ostdeutschlands. Besonders Windkraftanlagen werden dort abgelehnt: 31 Prozent der Teilnehmenden einer Befragung des IW und der TU Dresden wollen die Anlagen eher oder überhaupt nicht, das sind fast doppelt so viele wie in ländlichen Regionen Westdeutschlands.
Und die AfD macht zu dieser Stimmung ein politisches Angebot. Von der Bühne in Erfurt ruft Höcke: „Diese Energiewende, deren Rückgrat das Windrad ist (...) wird sofort beendet werden.“ Ob er dazu aber überhaupt in der Lage sein wird, bleibt abzuwarten.