Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Klimaschutz im US-Wahlkampf?
Wenn heute in Chicago der Demokraten-Parteitag startet, wird auch der Klimaschutz eine Rolle spielen. Denn seit Kamala Harris mit Tim Walz in den US-Präsidentschaftswahlkampf gezogen ist, sind Klima- und Nachhaltigkeitspolitik wieder ein Faktor geworden bei der Mobilisierung der Wählerinnen und Wähler.
So haben erst kürzlich 350 ehemals von Joe Biden enttäuschte Prominente aus der Klimaszene in einem Brief nun doch ihre Unterstützung für Harris erklärt. „Harris scheint hier bedeutende Wählerschichten zu mobilisieren, die schon 2020 entscheidend waren und sich sonst wahrscheinlich von der Wahl abgewandt hätten“, sagte Dennis Tänzler, Leiter der Abteilung Climate Policy beim Thinktank Adelphi, SZ Dossier.
Und dann ist da noch Running Mate Tim Walz, Markenzeichen Baseballcap. Er erscheine nur auf den ersten Blick als konservativer Kandidat, tatsächlich ticke der Gouverneur von Minnesota in vielen politischen Fragen progressiv, sagte Laura von Daniels von der Stiftung Wissenschaft und Politik SZ Dossier. 2023 zum Beispiel hat Walz festgelegt, dass die Stromerzeugung in Minnesota bis 2040 CO₂-neutral werden soll. US-Medien bezeichnen ihn gerne mal als „Klima-Champion“.
Joe Biden war es, der mit dem Inflation Reduction Act (IRA) ein wegweisendes Gesetzespaket zur Transformation der Wirtschaft durch den Kongress gebracht hat. Binnen zehn Jahren sollen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und E‑Mobilität mit 370 Milliarden US-Dollar gefördert werden.
Relevant für den neuerlichen Boost für das Thema Nachhaltigkeit dürfte aber ein anderer Aspekt sein. Traditionell spielt das Thema Umweltgerechtigkeit in den USA eine große Rolle. Sozial schwächere Gruppen sollen nicht länger umweltpolitisch ausgegrenzt und unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen leiden. Genau hier setzt die aktuelle Vizepräsidentin an: „Harris positioniert sich nicht als tree hugger, aber sie bezeichnet sich selbst als Umarmerin von gesunden Babys“, sagte Tänzler.
Sollte das Team Harris-Walz die Wahl gewinnen, erwartet Todd Tucker auch einen stärkeren Fokus der USA auf Klima- und Handelsstrategien. „Die USA werden wahrscheinlich eine Art Kohlenstoffzoll einführen, der dazu beiträgt, die Dekarbonisierung weltweit voranzutreiben“, sagte der Direktor der Abteilung Industriepolitik und Handel bei der US-Denkfabrik Roosevelt Forward. Zudem könne ein IRA 2 kommen, der sich auch auf die Emissionen von Gebäuden, Industrie und Landwirtschaft konzentriere. Bisher liege der Fokus auf dem Energie- und Verkehrssektor.
Die klimapolitische Agenda von Donald Trump dagegen setzt allein auf Deregulierung und lässt sich mit zwei Wörtern zusammenfassen: weg damit. Das Programm seiner „Agenda 47“ für den Fall, dass er 47. US-Präsident wird, sieht so aus: Abschaffung der Umweltschutzbehörde, Ausstieg aus dem Paris-Abkommen und vor allem „Drill, Baby, drill“. Überall in den USA soll nach Kohle, Öl und Gas gebohrt werden. Was genau er am Ende umsetzt, ist unklar. Unberechenbarkeit war schon immer sein Markenzeichen.
Trotzdem könnte es für einen erneuten Präsidenten Trump schwer werden, den von ihm geschmähten IRA zurückzudrehen. Eine Vielzahl ausgerechnet der republikanischen Gouverneure spricht sich genau dagegen aus. Schließlich haben sie massiv von dem Geld profitiert. Wahrscheinlich, analysiert Tucker, würde Trump schlicht nicht die nötigen Stimmen im Kongress zusammenbekommen.
„Schwer durchzubekommen“, lautet auch das Verdikt von Jonas Nahm. „Der IRA ist ein monumentales Einzelpaket, bei dem man im Nachgang nur noch wenig nachsteuern kann“, sagte er SZ Dossier. Er muss es wissen, schließlich hat er als Wirtschaftsberater von Joe Biden im Weißen Haus am IRA mitgearbeitet.
Allenfalls bei den Strafzöllen könne man noch nachsteuern. Doch auch das dürfte schwierig werden: Trump hat enorme Wahlkampfspenden von Elon Musk erhalten – und will daher die heimische Produktion von Elektroautos nicht gefährden. Bastian Mühling