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Die Landtagswahl in Sachsen – und das Stinktier im Raum

Nachdem das Kabinett den Haushalt verabschiedet hat, wendet sich das politische Berlin anderen Dingen zu. Es ist ja nicht so, als gäbe es abseits der Rechenspiele der Ampel nichts, was sonst noch wichtig wäre. Das zeigt schon der Blick in den Terminkalender: In etwas mehr als sechs Wochen wählen Sachsen und Thüringen einen neuen Landtag, kurz darauf Brandenburg. In Umfragen liegt dort überall die AfD vorn und träumt bereits von Regierungsämtern.

Heute Abend reist Kanzler Olaf Scholz nach Sachsen. In Dresden wird er beim Wahlkampfauftakt seiner SPD eine Rede halten. Ob das Spitzenkandidatin Petra Köpping weiterhilft? Nötig wäre es. Laut einer Umfrage von Infratest Dimap liegt die SPD in Sachsen bei sieben Prozent. Dieselbe Umfrage zeigt auch, worauf es den Wählerinnen und Wählern in Sachsen derzeit besonders ankommt. Das Thema „Zuwanderung / Flucht“ rangiert in der Liste der wichtigsten Probleme an erster Stelle. 44 Prozent der Wahlberechtigten sehen darin aktuell die drängendste Herausforderung, auf Platz zwei folgt mit gerade einmal 19 Prozent das Thema Bildung.

Eine heikle Ausgangslage für die Wahlkämpfer: Viele Menschen erwarten Lösungen in Sachen Zuwanderung. Von lauten Flüchtlingsdebatten könnte aber vor allem eine Partei profitieren. „Je präsenter das Thema im Diskurs ist, desto besser für Parteien wie die AfD“, sagte der Politikwissenschaftler Werner Krause Anfang des Jahres in einem Interview mit der taz.

Vor den Landtagswahlen wird also der richtige Umgang mit diesem Thema gesucht. Bei eben jener Suche ließen sich die Grünen am Mittwochabend beobachten. Da wollten zwei Parteimitglieder bei einem Webinar mit den Parteivorsitzenden wissen, „wie wir das Gefühl der Menschen, dass es beim Thema Migration einen Kontrollverlust gibt, ernst nehmen und gleichzeitig unsere Überzeugungen bewahren“.

Die Antwort der Parteichefin Ricarda Lang? Ein klassisches Sowohl-als-auch: Man wolle Ängste ernst nehmen, sie aber nicht weiter schüren. Das bedeute einerseits etwa Kommunen finanziell besser zu unterstützen, mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, aber auch „klare Kante“ zu zeigen, bei denjenigen, die schwere Straftaten begehen. Die Maßgabe laute „beides sehr, sehr klar anzusprechen“, sagte Lang: „Sowohl, dass es den Wunsch nach Ordnung gibt, aber, dass wir auch für Menschenrechte einstehen.“ Offensiv werde man im sächsischen Wahlkampf aber nicht mit dem Thema Migration rausgehen, hieß es am Donnerstag aus Parteikreisen.

Beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sieht das anders aus. Das BSW wird großflächig plakatieren, dass „unkontrollierte Migration alle überfordert“ und den Satz mit dem Konterfei der Parteichefin garnieren, die – ganz nebenbei – in Sachsen gar nicht zur Wahl steht.

Auch die CDU von Ministerpräsident Kretschmer wird das Thema im Wahlkampf wohl bespielen.„Wir kommen an die Grenzen dessen, was wir leisten können“, heißt es in ihrem Wahlprogramm. „Deshalb müssen wir den Zuzug von Flüchtlingen deutlich senken.“ Beim gemeinsamen Wahlkampfauftakt mit Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt und Parteichef Friedrich Merz gestern Abend in Meerane sagte Kretschmer der Sächsischen Zeitung zufolge: „Wir treten dafür ein, dass die irreguläre Migration drastisch reduziert wird.“

Speziell für die Unionsparteien stellt die Debatte um Migration eine Gratwanderung dar. Immer wieder sprechen sich ihre Vertreter für schärfere Regeln aus, werfen der Bundesregierung vor, das Problem nicht in den Griff zu bekommen. Zuletzt etwa Generalsekretär Carsten Linnemann, der in einem Interview sagte, die Ampel patze bei den drei wichtigsten Themen: „Migration, Migration, Migration.“ Die Kritik aus den eigenen Reihen folgte prompt: Wer einseitig auf dieses Thema setze, „spielt am Ende nur der AfD in die Karten“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Dennis Radtke, der SZ.

Am Ende könnten einige Wähler eben doch zum Original –sprich: zur AfD– tendieren. Den ehemaligen CSU-Generalsekretär, Markus Blume, führte das 2020 zu der Erkenntnis: „Du kannst ein Stinktier nicht überstinken.“ Tim Frehler

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