Wie FDP-Staatssekretär Toncar den Föderalismus reformieren will
Das Detlev-Rohwedder-Haus in Berlin war mal ein Zeichen zentralistischer Herrschaft, während der Nazi-Diktatur saß hier das Reichsluftfahrtministerium. Heute ist das Haus mit den hohen Decken, rechten Winkeln und Säulen Sitz des Bundesfinanzministeriums. Hier hat ausgerechnet der FDP-Politiker Florian Toncar sein Büro. Und der Parlamentarische Staatssekretär kann dem Zentralismus so gar nichts abgewinnen – er denkt lieber darüber nach, wie man den deutschen Föderalismus neu organisieren könnte.
Zwei große Reformen fordert er: Eine Föderalismusreform, die die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu sortiere, sei die „wichtigste Reform in Deutschland überhaupt“. Darüber könnten die Kommunen eigene Handlungsspielräume zurückgewinnen, die Demokratie würde aus seiner Sicht an Akzeptanz gewinnen.
Zweitens wirbt er für eine Gebietsstrukturreform. Ginge es nach Toncar, gebe es künftig weniger, aber größere Bundesländer. Bestes Beispiel für den Erfolg einer solchen Reform sei sein Heimatland: „Kein Mensch würde heute die Fusion von drei Bundesländern zu Baden-Württemberg im Jahre 1952 infrage stellen. Es ist allgemeiner Konsens, dass diese – damals mutige – Entscheidung den Südwesten Deutschlands massiv gestärkt hat.“
Darüber hinaus fordert er, die finanziellen Verhältnisse und die politischen Verantwortlichkeiten der staatlichen Ebene wieder zu trennen. „Länder und Kommunen sollen das Recht haben, ihr Steueraufkommen zu regeln. Aber auch, die Höhe der Belastung gegenüber den Wählerinnen und Wählern zu rechtfertigen“, sagt er. Dafür aber müsste man die Gestaltungsmöglichkeiten bei Steuereinnahmen der einzelnen Ebenen ändern.
Dass der Bund so große finanzielle Probleme hat, liege laut Toncar auch an der Mitfinanzierung kommunaler Aufgaben. „Über viele Jahre hat der Bund seine Standards im sozialen Bereich, bei Bildung, Betreuung und Infrastruktur angehoben“, sagt er.
Doch würde die Chancengleichheit nicht tatsächlich ausgehebelt, würde der Bund sich nicht länger an diesen Kosten beteiligen? „Kommunale Selbstverwaltung bedeutet unausweichlich eine gewisse Ungleichheit zwischen den Kommunen“, sagt er. Das könne, sagt er, auch Kreativität freisetzen. „Diese ganze positive Dynamik der Unterschiedlichkeit würgen wir ab“, sagt er. Aber, auch das sagt Toncar, einen Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen Kommunen werde es immer geben müssen.
Derzeit würden indes Kommunen Aufgaben vor allem danach priorisieren, ob sie mit Bundes- oder Landesmitteln gefördert werden. „Die Wähler können nicht mehr erkennen, wer die Verantwortung für welche Entscheidung trägt, wen er wählen muss, um eine Entscheidung zu goutieren oder zu bestrafen. Zwischen den Ebenen kommt es zu einem Blame Game, zu einer Verantwortungsabschiebung.“ Toncar fordert eine kritische Bestandsaufnahme. „Wir machen in diesem Finanzgeflecht in Deutschland mehr Dinge falsch als richtig“, sagt er. Er glaubt, dass es in Deutschland noch immer einen „Hang zum Zentralismus“ gebe.
Und warum? „Wir haben ein Problem mit Ungleichheit“, sagt er, in Deutschland würde versucht, durch immer umfangreichere Förder- und Transfersysteme gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. „Politisch wird dann gesagt, wir brauchen Rechtsansprüche und Standards, die überall gelten“, sagt er. Die Länder wehrten sich nicht gegen übergriffige Bundesgesetze (als Beispiel nennt er den Anspruch auf einen Kita-Platz unter drei Jahren), weil ihre finanziellen Interessen zu unterschiedlich seien. „Gerade finanzschwächere Länder wollen das Geld“, sagt er. Dann gebe es aber zum Beispiel keine Ortskernsanierung. Und zwar selbst dann nicht, wenn sie eigentlich drängender als die neue Kita ist.