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Tiefgang

Wo könnte das deutsche CO₂ gelagert werden?

Der Bundesrat findet seit seiner jüngsten Sitzung, dass für die CO₂-Speichermethode Carbon Capture and Storage (CCS) das überragende öffentliche Interesse festgestellt werden sollte. Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kann Deutschland seine Klimaziele ohne CCS „unmöglich“ erreichen. Das Wirtschaftsministerium arbeitet an einer Carbon-Management-Strategie, das Umweltministerium will den Export von CO₂ durch die Ratifizierung des London-Protokolls ermöglichen.

Die Frage: Wohin mit dem heimischen Treibhausgas? Norwegen und Dänemark konkurrieren um den Status der deutschen CO₂-Deponie. Der Kohlenstoffmarkt dürfte ein Milliardengeschäft werden. Nur so können schwer vermeidbare Emissionen aus der Schwerindustrie aus der Luft geholt werden.

In nur vier Jahren hat Dänemark eine gesamte Wertschöpfungskette für den CO₂-Markt geschaffen. Neben der Speicherung im Meer ist die Speicherung auf dem Festland erlaubt, die Geologie Dänemarks sei besonders für die Lagerung von CO₂ geeignet, „da Dänemark mehr oder minder ein altes tiefes Sedimentbecken ist“, sagte Thomas Funck von der Geologischen Forschungsanstalt für Dänemark und Grönland (GEUS) SZ Dossier. GEUS schätzt, dass etwa 22 Milliarden Tonnen CO₂ im dänischen Untergrund gelagert werden können. Norwegen, seit 1996 im CCS-Geschäft, strebt eine Speicherkapazität von 40 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr ab 2030 an. Zum Vergleich: Die EU blies 2021 etwa 3,5 Milliarden Tonnen CO₂ in die Luft.

„Für Öl- und Gasunternehmen stellt CCS auch eine Möglichkeit dar, ihr Image als Teil des Problems ‚Umweltverschmutzung‘ zu ändern und Teil der grünen Lösung zu sein“, sagte Katrine Thomsen, Leiterin der Abteilung CCS im dänischen Klima- und Energieministerium, SZ Dossier. Dänemark hat ein politisches Interesse am Aufbau des Geschäfts, das Land hat die Errichtung der Infrastruktur mit etwa fünf Milliarden Euro subventioniert.

Kurzfristig könnte zwischen Dänemark und Norwegen ein Wettbewerb um die Emissionen anderer EU-Länder entstehen, sagte Anders Hoffmann, stellvertretender Staatssekretär im dänischen Klimaministerium. Dann gilt: „Was auch immer entwickelt wird, der Beste und Billigste wird gewinnen“, sagte Hoffmann. Eine der zentralen Frage ist die des Transports. Dänemark sieht einen Standortvorteil. „Wir sind näher an den Emittenten, in diesem Fall an Deutschland, sodass der Transport billiger sein dürfte“, sagte Thomsen.

Doch Deutschland fehlen bislang die rechtlichen Voraussetzungen, das „Kohlendioxidspeicherung- und -transportgesetz“ (KSpTG) wurde im Bundestag auf die Zeit nach der Sommerpause verschoben. „Kern der Gesetzesnovelle sind der Transport und die Schaffung eines klaren Rechtsrahmens für ein CO₂-Pipelinenetz“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums SZ Dossier.

Und Deutschland selbst als Speicherort? Das könnte günstiger sein, NGOs wie NABU oder WWF fordern, die Möglichkeit zu prüfen. Nicht nur die Umweltorganisationen sind dafür. Cara Bien vom Bundesverband der Deutschen Industrie sagte SZ Dossier, im „Sinne der Wettbewerbsfähigkeit sollten die Bundesländer das Opt-in zur Onshore-Speicherung von CO₂ nutzen“. Diese Opt-in-Klausel in den Eckpunkten der Carbon-Management-Strategie der Bundesregierung bedeutet, dass jedes Bundesland über die Speicherung auf seinem Festland künftig selbst entscheiden darf.

Der Tenor aus den Ländern: Für die Wirtschaft macht es zum Teil Sinn, Speicherstätten zu schaffen, politisch ist die Lage volatil. Tobias Goldschmidt, Minister für Energiewende und Klimaschutz in Schleswig-Holstein, zum Beispiel befürwortet CCS grundsätzlich, sieht es aber, getreu der alten grünen Parteilinie, als „Risikotechnologie“, der man mit Bedacht, nicht mit Euphorie begegnen müsse.

Für die Industrie, gerade in Ländern wie Nordrhein-Westfalen, wäre CCS aber ein wichtiger Hebel, um weitgehend klimaneutral zu wirtschaften. 2045 werden dort noch 17 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr entstehen, die nach aktuellem Stand nicht vermieden werden können, gab NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur jüngst im Bundesrat zu Protokoll. Doch laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat NRW kaum Speicherpotenziale.

Es gibt in Deutschland Potenziale, zeigt eine Karte des BGR. Doch hat die Lagerung in deutschen Böden die nötige Akzeptanz in der Gesellschaft? Möglichkeiten jedenfalls gäbe es: in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zum Beispiel. Dort befinden sich größere Erdgaslagerstätten, die zukünftig als CO₂-Speicher in Betracht kommen könnten. Bastian Mühling