Wie wird die Nato Trump-sicher?
Heute geht es richtig los mit dem Nato-Jubiläumsgipfel. In Washington steht viel auf dem Spiel. Nicht weniger als die Zukunft des Verteidigungsbündnisses. Über allem schwebt die Frage, was passieren könnte, falls Donald Trump im Herbst die US-Wahlen gewinnt.
Daraus ergibt sich bei vielen Bündnispartnern die Lehre: Der europäische Pfeiler muss stärker werden und die Nato Trump-proof. „Natürlich müssen wir innerhalb der Nato in Europa enger zusammenarbeiten. Das gilt für Beschaffung, und das gilt für das, was wir an Munition gemeinsam einsetzen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gestern kurz vor dem Abflug nach Washington.
Nach dem Festakt, der am Dienstagabend Washingtoner Zeit stattgefunden hat, geht es für die Staats- und Regierungschefs heute um 19 Uhr deutscher Zeit in die erste Arbeitssitzung. Das Thema: Die Sicherheitslage im euroatlantischen Raum, ein Schwerpunkt wird auf Russland liegen. Der Wasserstand: 23 der 32 Verbündeten geben inzwischen zwei Prozent oder mehr für die Verteidigung aus, seit 2014 belaufen sich die kumulierten Mehrausgaben auf über 600 Milliarden US-Dollar. Und sonst so? Die Nato will auf dem Gipfel die Verteidigungspläne aktivieren, die vergangenes Jahr beschlossen und im Laufe der letzten Monate mit Kommandostrukturen und Truppen unterlegt wurden.
Morgen findet dann die zweite Arbeitssitzung mit den Spitzen der EU und den AP4-Partnern statt (Australien, Japan, Südkorea und Neuseeland). Es wird um die Partnerschaft der Nato mit der EU und der Asien-Pazifik-Region gehen. Die AP4 sind ein Signal an die Europäer, dass sich die amerikanischen Prioritäten langsam verschieben.
Unabdingbar ist der Blick nach Peking. China, so der Vorwurf, unterstütze Russland mit industriellen Gütern, die Moskau zur Aufrechterhaltung seiner Verteidigungsindustrie benötige. „Dieses Verhalten Chinas steht in direktem Widerspruch zu unseren sicherheitspolitischen Kerninteressen“, hieß es aus Regierungskreisen. Die Nato dürfte hier also eine härtere Sprache wählen.
Morgen Nachmittag wird es ein Treffen des Nato-Ukraine-Rates geben. „Gleich vorweg, es stehen keine Entscheidungen zur Mitgliedschaft der Ukraine an. Die Situation hat sich aus unserer Sicht im Vergleich zum letzten Jahr nicht wesentlich geändert“, hieß es aus Berlin. Vor dem Hintergrund der neuen russischen Angriffe auf zivile Ziele dürfte der Druck aber wachsen, zumindest hinter den Kulissen auf Kyiv zuzugehen und eine Brücke zu bauen – zumal Wolodymyr Selenskyj vor Ort sein wird. Die Frage der Luftverteidigung dürfte so oder so eine besondere Rolle spielen, Militärhilfezusagen ebenfalls.
Bereits laufende militärische Unterstützung wie etwa Training von Soldatinnen und Soldaten soll künftig von der Nato koordiniert werden; in Wiesbaden entsteht dafür ein neues Nato-Hauptquartier. „Wir vereinheitlichen damit die Strukturen. Es bleibt allerdings dabei, dass die Nato keine aktive Rolle in der Ukraine übernimmt oder sich gar an Kampfhandlungen beteiligt“, hieß es aus Regierungskreisen.
Konkret wird damit auch das Ramstein-Format künftig von der Nato gesteuert. Dadurch ist man zumindest auf dem Papier weniger abhängig von den außenpolitischen Launen einer potenziellen Trump-Regierung. „Ab sofort werden alle militärischen Gespräche zur weiteren Unterstützung der Ukraine über die Nato erfolgen“, sagte FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte SZ Dossier „Dennoch müssen wir uns ernsthaft Gedanken darüber machen, was wir als Nato der Ukraine langfristig zur Verfügung stellen können, falls sich die USA unter Trump merklich zurückhalten sollten.“ Gabriel Rinaldi