Aus Deutschland kein Staatsgeld mehr für die AfD?
Hausdurchsuchungen bei AfD-Politiker Bystron, die Verharmlosung von SS-Verbrechern durch Krah, die darauffolgende Trennung vom Rassemblement National: Gründe, ein AfD-Verbotsverfahren zu diskutieren, gibt es genug. Der frühere Ostbeauftragte Marco Wanderwitz (CDU) fordert es lauter, seitdem das Oberverwaltungsgericht in Münster am vergangenen Wochenende sein Urteil gesprochen hatte. Er will einen Antrag in den Bundestag einbringen, „noch vor der parlamentarischen Sommerpause“, sagte er Zeit Online. Wie weit ist er mit seinem Vorhaben?
36 Mitstreiter braucht er. Ein Parteiverbot ist juristisch ein scharfes Schwert – und politisch gefährlich, bietet es doch der AfD die Möglichkeit, sich über Jahre vor Gericht als Opfer zu stilisieren. Und sollte das Verbot scheitern, wäre das für die AfD ein unglaublicher Erfolg. Die Fallhöhe könnte also kaum größer sein.
Eng im Austausch mit Wanderwitz ist der Grünen-Politiker Till Steffen. Die zentrale Frage sei, wie man zu einer geeigneten Materialsammlung komme, um den Verbotsantrag mit Belegen zu unterfüttern, die die Verfassungsfeindlichkeit der AfD nachweisen. Steffen spricht sich dafür aus, eineTask-Force aus den Innenministerien von Bund und Ländern zu gründen, die das Material zusammenführt. Der Vorschlag ist Teil eines Beschlusses, den die Grünen am vergangenen Wochenende veröffentlichten, demnach soll die Task-Force im Rahmen der Innenministerkonferenz eingerichtet werden, und sowohl Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden als auch „zivilgesellschaftliche Expertise“ einbeziehen. „Der Ball liegt jetzt bei den Innenministern“, sagt Steffen SZ Dossier. „Die rühren sich aber noch nicht so richtig.“
Es gebe eine Option, der AfD mit juristischen Mitteln beizukommen, ohne sie direkt zu verbieten – man könnte versuchen, ihr die Finanzierung zu entziehen. Diskutiert wurde das vor allem, nachdem das Bundesverfassungsgericht die NPD, die sich inzwischen „Die Heimat“ nennt, im Januar für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausschloss. Staatliche Mittel sind die größte Geldquelle der AfD, sie machten 2022 knapp 45 Prozent ihrer Einnahmen aus, das zeigt der Rechenschaftsbericht der Partei.
Wäre es da nicht naheliegend, der AfD dieses Geld zu entziehen? Aus rechtlicher Sicht ist das schwierig, die Voraussetzungen seien im Wesentlichen identisch mit denen eines Parteiverbotsverfahrens, sagt Sophie Schönberger, Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Der AfD muss also nachgewiesen werden, dass sie verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und ihr Handeln planvoll darauf ausgerichtet ist, diese Ziele in die Tat umzusetzen, der alleinige Unterschied zum Verbotsverfahren liegt in dem, was Juristen Potenzialität nennen: So muss eine Partei nicht „nicht objektiv gefährlich sein“, um ihr die Finanzierung abzuschneiden, sagt Sophie Schönberger, „sondern es reicht, wenn sie klein und mickrig ist“ – wie die NPD.
Bei der AfD ist das nicht der Fall, die juristischen Anforderungen blieben also mehr oder weniger gleich hoch wie bei einem Parteiverbot. Martina Renner (Linke), die sich für ein solches Verfahren ausspricht, plädiert daher dafür, in Karlsruhe „Nägel mit Köpfen“ zu machen „und sich nicht auf einen möglichen Ausschluss von der Parteienfinanzierung“ zu beschränken. CDU-Politiker Marco Wanderwitz findet, es würde die AfD weit weniger schwächen, ginge man ihr nur an die Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Schließlich seien Abgeordnete im Bundestag, in den Landtagen und im Europaparlament sowie ihre Mitarbeiter damit nicht von den finanziellen Ressourcen abgeschnitten.
Einen neuen Unterstützerstand wollte Wanderwitz übrigens nicht verraten – der käme erst, wenn die Urteilsbegründung aus Münster vorliege, sagte er SZ Dossier. Tim Frehler