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Tiefgang

Das schwedische Modell

Johannes Vogel, FDP-Vizevorsitzender und Erster Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion, schrieb schon 2021 in einem Papier, es brauche eine „gesetzliche Aktienrente nach schwedischem Vorbild“. Schweden und Norwegen haben kapitalmarktgedeckte Renten eingeführt. Die FDP findet, Deutschland brauche das auch. Doch was plant die Ampel (laut Vogel eine „historische Weichenstellung“), und warum ist das laut FDP trotzdem nicht genug, um dem „schwedischen Vorbild“ gerecht zu werden?

Das Generationenkapital, Teil des Rentenpakets II der Ampel, ist die neue kapitalgedeckte Säule für das deutsche Rentensystem. Dabei soll der Staat zunächst Kredite aufnehmen, um sie dann am Kapitalmarkt anzulegen. Das geliehene Geld wird nicht ausgegeben, daher wird die Schuldenbremse eingehalten. Am Ende sollen rund 200 Milliarden Euro zusammenkommen, die Erträge sollen in erster Linie die Steigerung des Beitragssatzes abschwächen. Einsteigen will die Regierung mit 12 Milliarden Euro.

In Schweden gibt es kein Generationenkapital, sondern eine echte(re) Aktienrente. Dort wird ein Teil der Rentenversicherungsbeiträge jedes Beitragszahlers in Aktienfonds investiert. Arbeitnehmer zahlen 16 Prozent – in Deutschland sind es derzeit 18,6 Prozent – ihres Bruttoeinkommens in die umlagefinanzierte Rente des ersten Pfeilers ein. 2,5 Prozent müssen dann noch in individuelle Vorsorgefonds, die Prämienrente, investiert werden, um einen individuellen Kapitalstock aufzubauen, der Arbeitnehmern ab dem Renteneintritt zur Verfügung steht.

Man kann sich zwischen 800 Fonds auf dem Markt oder dem staatlich betriebenen Fonds AP7 entscheiden. Die Aktienrente macht trotzdem nur einen kleinen Anteil der staatlichen Rente aus, zuletzt etwa acht Prozent. In Deutschland betrugen die Gesamtausgaben der Rente etwa 359,55 Milliarden Euro im Jahr. Acht Prozent wären immerhin rund 28,8 Milliarden Euro.

„Enkelfit“ nennt die FDP den Einstieg in die Aktienrente. Die zentrale Forderung aus dem Vogel-Papier von 2021: Jeder Versicherte sollte zwei Prozent des eigenen Bruttoeinkommens in eine gesetzliche Aktienrente einzahlen, der Beitragssatz zur Rentenversicherung würde entsprechend reduziert.

Die Deutschen blicken seit jeher skeptisch auf Investitionen in Aktien. Die Linke im Land ist naturgemäß besonders misstrauisch, in einem Artikel für die taz schrieb Ulrike Herrmann jüngst, von der Aktienrente profitierten vor allem Reiche, weil die Papiere teurer würden, wenn der Staat in den Aktienmarkt dränge. Als sei es eine Unmöglichkeit, als Mitglied der Mittelschicht in Aktien zu investieren.

Erwartbar dagegen ist zwar auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, doch mitunter mit interessanten Begründungen. „Sehr skeptisch“ seien sie, sagte DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi vor einem Jahr. Einen Generationenvertrag könne man nicht auf volatilen Finanzmärkten aufbauen. Trotzdem kritisierte sie jüngst vor allem das Volumen des Vorhabens. „Der FDP-Chef weiß selbst: Die Aktienerträge des Generationenkapitals mindern die Beiträge nur um höchstens 0,3 Prozent und das frühestens ab 2035“, sagte sie.

Zu wenig, zu spät also? Das findet die FDP auch. „Die Wahrheit ist, dass sich Aktien langfristig besser entwickeln als alle anderen Anlagen“, sagte Johannes Vogel der FAZ. „Und dass ein ausreichend großer Kapitalstock mit breiter Streuung und langem Anlagehorizont das Verlustrisiko auf null drücken kann.“ Der schwedische Fonds erzielte seit dem Start im Jahr 2000 eine durchschnittliche Rendite von rund elf Prozent pro Jahr. Weil die FDP, insbesondere Vogel, das Generationenkapital ebenfalls zu niedrig findet, will sie nun die echte(re) Aktienrente in den Mittelpunkt rücken.

Wie wir hören, wünscht man sich im Hans-Dietrich-Genscher-Haus schnelle Schritte Richtung Skandinavien, etwa in einem Rentenpaket III. Das Ziel hört sich in der Tat sehr schwedisch an: individuelle Konten für die Beitragszahler, Anspruch auf eine kapitalgedeckte Zusatzrente.

Kleiner Nebenaspekt: Dass ausgerechnet Vogel versucht, den Pflock einzurammen, ist ein Vorgang an sich. Nur der Sache wegen? Politische Gegner glauben zu beobachten, wie Vogel versucht, zum Macher der Sache der FDP zu werden. Weniger links beim angeblich Linksliberalen. Denn spätestens nach der nächsten Wahl, allerspätestens im September 2025, haben die Liberalen wohl Posten neu zu besetzen. Gabriel Rinaldi