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Tiefgang

Söder und die K-Frage

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Roman Deininger

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Zu meinen härtesten, aber auch kurzweiligsten Pflichten bei der SZ gehört seit vielen Jahren die Begleitung von Markus Söder. In letzter Zeit stellen mir Kollegen und Freunde wieder häufiger eine Frage, die man seit 2021 für abschließend beantwortet halten könnte: Hat Söder eine Chance, Kanzlerkandidat der Union zu werden? Bei einigen höre ich da einen bangen Unterton heraus. Ich erkläre dann immer möglichst schonend, dass es für Entwarnung keinen Anlass gibt.

Klar, inzwischen spricht vieles für Friedrich Merz. Die guten Umfragezahlen der Union, seine verbesserten persönlichen Zustimmungswerte, seine schnittigen Auftritte als Oppositionsführer im Bundestag, die Neuaufstellung der CDU-Parteizentrale. Und natürlich eine Art Erstzugriffsrecht als Chef der größeren Unionsschwester. Die Kanzlerkandidatur ist his to lose, würden die Amerikaner sagen: Merz muss schon selbst etwas falsch machen, um das Ding zu verlieren. Dazu gleich mehr.

Jetzt bitte nicht lachen: Söder meint den Satz „Mein Platz ist in Bayern“ wahrscheinlich sogar ernst. In dem Sinn, dass er auf die Kanzlerschaft nie hingearbeitet hat, so wie einst auf das Ministerpräsidentenamt. Er besitzt, so nehme ich das zumindest wahr, keinen Masterplan in der K-Frage – er besaß auch 2021 keinen (was ihn womöglich seinen Platz in Berlin gekostet hat). Seitdem hat er erschütternd wenig Energie darauf verwandt, seine strapazierten Beziehungen in die CDU zu pflegen. Trotzdem hält er die Tür für sich einen winzigen Spalt breit offen. Weil das sein Gewicht in der Union maximiert, und weil ihm die Kandidatur ja doch noch zufallen könnte.

Ich habe Söder als Politiker kennengelernt, der von allzu gewissen Prognosen nichts hält. Es gab ja Leute, die vergangenen Sommer meinten, Merz sei nach seiner spektakulären Serie an Fehltritten nicht mehr vermittelbar. Längst überholt. Oder die Wüst-Dynamik im Herbst: längst verflogen. Söder begreift das politische Leben als stete Folge von Momentaufnahmen – und nur der Moment der Entscheidung zählt. Bis zum Spätsommer kann Merz noch über mindestens drei Hürden stolpern: die Sachsen-Wahl, die Thüringen-Wahl und, nicht zu vergessen, die eigenen Füße.

Wahrscheinlich ist das nicht, zumal Merz ja zu erstaunlicher Resilienz gefunden hat. Merz und Hendrik Wüst müssten sich gegenseitig blockieren, damit die CDU die bayerische Verwandtschaft zur Rettung ruft. Doch Söders Erfahrung ist nun mal, dass schon verrücktere Dinge passiert sind. Und dass sich am Ende meistens Stärke durchsetzt. Aktuell sind seine persönlichen Zustimmungswerte im Schnitt etwas besser als die von Wüst und Merz.

Was wäre, wenn die Umfragen ihn im Sommer klar als aussichtsreichsten Kandidaten auswiesen? Dann würden vielleicht sogar CDU-Leute, die ihm die hingebungsvolle Sabotage des K-Aspiranten Laschet nachtragen, ganz pragmatisch auf seine Stärke wetten. In diesem Fall würde man gern Mäuschen spielen, wenn Söder und Merz sich zum entscheidenden Vier-Augen-Gespräch treffen.

Aber will Söder überhaupt Kanzler werden? Okay, von großen inhaltlichen Visionen war der Mann noch nie geplagt. Aber bevor es ein anderer macht... Dazu kommt: Viele politische Beobachter in München haben den Eindruck, dass ihm das schöne Bayern auf Dauer vielleicht doch zu klein werden könnte. An diesem Freitag reist der Ministerpräsident nach Belgrad, um den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić zu treffen – sicher ein Termin nach seinem Geschmack (und keiner, um den er betteln musste). Söder war in seiner Karriere immer in Bewegung, immer auf dem Sprung. Einer mit seinem Selbstbewusstsein misst sich eigentlich nicht an Hubert Aiwanger. Sondern eher an Olaf Scholz.

2021 habe ich mal geschrieben, dass es sich mit Söder und der Macht so verhält wie mit dem Hund und der Wurst: Sobald die Wurst in Reichweite liegt, ist es keine freie Entscheidung mehr für den Hund. Ich glaube nicht, dass sich das geändert hat.