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Tiefgang

Beobachtungen zur EU-Verteidigungspolitik

Die Dienste der Europäischen Kommission und ihre aktuelle Präsidentin eint feines Gespür für ein Machtvakuum: Während Macron und Scholz sich mit Vorwürfen in Sachen Rüstung und Ukrainehilfe überziehen, die sie dann nicht so gemeint haben, bereitete von der Leyen diese Woche eine bemerkenswerte Ausweitung ihrer Kompetenzen vor und legte die Grundlage für den Schwerpunkt einer möglichen nächsten Amtszeit.

Vier Beobachtungen.

Es lebe der Binnenmarkt. Die Kommission ist sich bewusst, Diplomaten haben es auch oft genug gesagt, dass sich Regierungen eine Einmischung in den Kern hoheitlicher Aufgaben verbitten. Und so wurde im Augenblick der Not, als eine gemeinsame verteidigungspolitische Anstrengung der EU als nötig empfunden und konkret wird, die Idee einer europäischen Armee beerdigt. Stattdessen stürzt die Kommission sich auf einen Bereich, für den sie tatsächlich zuständig ist: den Binnenmarkt.

Die Blaupause: Die Europäische Kommission hat sich in von der Leyens laufender Amtszeit schon einmal neue Kompetenzen erobert. In einer Lage, in der die Vorteile eines gemeinsamen Einkaufs knapper und teurer Güter allen einleuchteten, trotz eigentlicher Unzuständigkeit der europäischen Ebene. Die Rede ist vom Impfstoff-Einkauf durch die Kommission. Nebenbei sind mit dem Präzedenzfall auch Gefahren schon bekannt: Es kann in der öffentlichen Wahrnehmung ziemlich schiefgehen. Und einen Teil des Geschäfts über 1,1 Milliarden Dosen Covid-Impfstoff machte von der Leyen in bis heute nicht öffentlichen Textnachrichten mit Pfizer-Chef Albert Bourla aus. Regierungen werden bei Rüstungsgeschäften genau hinsehen wollen.

Buy less American: Die neue Kommissions-Strategie sieht vor, dass bis 2030 die Hälfte, bis 2035 60 Prozent der Beschaffungsbudgets der EU-Staaten an heimische Unternehmen gehen; derzeit sind es nach Kommissionsangaben 20 Prozent. Es werden also noch Aufträge übrig sein für US-Unternehmen, an die heute 60 Prozent der Beschaffungsbudgets gehen, aber der Plan des Binnenmarktkommissars Thierry Breton sieht vor: „In vielen Bereichen müssen wir die Arbeit selbst erledigen. Das ist es, was man Verteidigungsbereitschaft und strategische Autonomie nennt.“

Eurobonds sind wieder da: 1,5 Milliarden Euro bis 2027 für das neue Verteidigungsinvestitionsprogramm EDIP sind „nicht viel Geld“, wie Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager sagte – aber erst der Anfang. Ideen und Vorschläge gibt es viele, wie die Investitionen wachsen könnten. EU-Länder könnten Kohäsionsmittel nutzen; die Europäische Investitionsbank soll auch Rüstungsprojekte fördern; Breton wünscht sich einen Fonds von 100 Milliarden Euro. Und Eurobonds sind wieder in der Diskussion, diesmal eben für Verteidigungsausgaben: Das Thema wird einer weiteren Generation von Brüssel-Korrespondenten erhalten bleiben.