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Nutzungsrechte erwerbenDer Preis des zweiten Wahlgangs
Donnerstag, 8. Mai 2025Guten Morgen. Nach seinem holprigen Start hat für Friedrich Merz die Zeit der Antrittsbesuche begonnen. Heute schaut der Kanzler aber noch einmal in Deutschland vorbei – zum Gedenken an den 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung Deutschlands von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Um 12.30 Uhr findet dazu eine Gedenkstunde im Deutschen Bundestag statt.
Gestern flog Merz erst nach Paris und später weiter nach Warschau. Mein Kollege Peter Ehrlich war in der französischen Hauptstadt dabei und hat sich angeschaut, wie sich der Kanzler auf seiner ersten Auslandsreise geschlagen hat. Mehr dazu lesen Sie im Tiefgang.
Morgen stellt sich Merz als Kanzler in Brüssel vor: Erst trifft er den Präsidenten des Europäischen Rates, António Costa, danach Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auch im Nato-Hauptquartier wird Merz zu Besuch sein und den Generalsekretär Mark Rutte treffen.
All die Begegnungen auf internationalem Parkett werden dem Kanzler sicherlich dabei helfen, über die dramatischen Stunden vor seiner Wahl am Dienstag hinwegzukommen. Wir schauen heute trotzdem noch einmal auf die Konsequenzen dieses Stotterstarts.
Herzlich willkommen am Platz der Republik.
Was wichtig wird
Am Tag nach Merz‘ Kanzler-Wahl bleibt die Frage, wie hoch der politische Preis war, den vor allem die Union dafür zahlen musste. Schließlich war der zweite Wahlgang am selben Tag nur durch die Hilfe von Grünen und Linken möglich. Das bringt eine alte Debatte zurück auf die Tagesordnung.
Der sogenannte Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU regelt, dass „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ sowohl mit der Linken als auch mit der AfD ausgeschlossen sind. Die Frage ist nun, was dieser Beschluss noch wert ist. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann saß am Dienstagabend in der Talkshow von Markus Lanz im ZDF und sagte: „Der Unvereinbarkeitsbeschluss gilt.“ Linnemann beschwichtigte: Auch in der Vergangenheit hätten sich die Parlamentarischen Geschäftsführer schon über Verfahrensfragen ausgetauscht.
Neue Realitäten, neue Töne: Kanzleramtsminister Thorsten Frei klang bei RTL und ntv anders: „Mit Sicherheit sind wir in einer Situation, in der wir die ein oder andere Frage neu bewerten müssen.“ Man habe jetzt ein weiteres Mal sehen können, was es für ein Problem ist, wenn man nicht absehbar eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag organisieren könne, sagte Frei. Am Ende gehe es um pragmatische Lösungen für das Land.
Das hört sich sehr danach an, als hätte der Unvereinbarkeitsbeschluss nicht mehr die allerhöchste Priorität. Frei sagte allerdings auch, man könne Parteitagsbeschlüsse nicht mit einem Federstrich außer Kraft setzen. Mehrere Unionsabgeordnete wollten sich auf Anfrage nicht äußern.
Worauf es den Linken ankommt: Für die Linken sei in den Gesprächen am Dienstag klar gewesen, dass sie nicht nur Stimmenbeschaffer sein, sondern auch in Zukunft eingebunden werden wollen, heißt es aus Parteikreisen. In der Partei weiß man, dass die eigenen Stimmen wieder gebraucht werden – etwa wenn es zu einer Grundgesetzänderung in Sachen Schuldenbremse kommen sollte. Da will die Linke mitmischen. „Wir werden keinem Gesetz zustimmen, an dem wir nicht beteiligt sind“, heißt es aus Parteikreisen.
Die symbolische Wirkung: Darüber hinaus sei Bedingung gewesen, dass es keine Parallelabsprachen mit der AfD gibt. Auch die politische und symbolische Wirkung sei der Linken wichtig gewesen, dass also Union, SPD und Grüne den Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung gemeinsam mit der Linken stellen.
Neues Selbstverständnis: Das Ergebnis der Bundestagswahl (8,8 Prozent) gibt der Partei Auftrieb: „Wir sind jetzt so stark in den Bundestag eingezogen, dass die anderen nicht mehr an uns vorbeikommen“, hieß es aus Parteikreisen. Jetzt sieht die Linke ihre Chance, sich weiter zu etablieren, es dürfe von Seiten der Union keine Gleichbehandlung der Linken mehr mit der AfD geben, stattdessen brauche es eine Kultur des Miteinanders. Über den Unvereinbarkeitsbeschluss mit seiner Partei sagte Christian Görke, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, gestern: „Diese Lebenslüge hat mich nie interessiert, denn sie war und ist politisch realitätsfern und mit den gestrigen Entscheidungen der Union mausetot!“
Die Leitung steht: Die Geschichte, dass in der Union nur Alexander Dobrindt einen Kontakt zur Linken hatte (die Nummer von Ex-Parteichefin Janine Wissler), stimme aber, heißt es von führenden Linken. Auch das zeige, wie unvorbereitet die Union gewesen sei. Für den nächsten Fall dürfte die Leitung aber stehen.
Die erste Kabinettssitzung hat Bundeskanzler Friedrich Merz genutzt, um die Aufgabenverteilung innerhalb der Regierung zu regeln. Dafür gibt es den sogenannten Organisationserlass, der Kompetenzen und Zuständigkeiten festlegt – und damit die Macht im Kabinett verteilt. In der Hierarchie folgen auf Kanzler und Vizekanzler Innenminister Alexander Dobrindt, Außenminister Johann Wadephul und Verteidigungsminister Boris Pistorius.
Das neue Digitalministerium erhält Abteilungen oder Zuständigkeiten aus sechs Ressorts – und liegt in der neuen Reihenfolge der Häuser noch vor dem Verkehrs- oder Gesundheitsministerium. Da das Haus von Digitalminister Karsten Wildberger neu aufgebaut werden muss, war lange nicht klar, welche Bereiche in die Englische Straße 30 wandern.
IT-Ausgaben: Aus dem Erlass geht nun hervor, dass Wildberger mit einem „Zustimmungsvorbehalt für alle wesentlichen IT-Ausgaben der unmittelbaren Bundesverwaltung“ ausgestattet wird. Ausnahmen bilden lediglich der Geschäftsbereich des Verteidigungsressorts, Sicherheits- und Polizeiaufgaben im Geschäftsbereich des Innenressorts, die Bundesnachrichtendienste sowie die Steuerverwaltung. Gestern berichtete Matthias Punz darüber bereits in unserem Dossier Digitalwende.
Digitale Verwaltung: Aus dem Innenministerium wechselt die Abteilung Digitale Verwaltung zu Wildberger, allerdings ohne Pass- und Ausweiswesen sowie Identitätsmanagement. Zudem kommt die Abteilung Digitale Gesellschaft einschließlich Informationstechnik, aber ohne die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung. Das neue Haus soll auch für die Steuerung der IT des Bundes einschließlich der zugehörigen Infrastruktur, die Netze des Bundes und die Cybersicherheit in der Bundesverwaltung verantwortlich sein. Darüber hinaus: Netzinfrastrukturen, der Informationsverbund der öffentlichen Verwaltung, das Recht der digitalen Verwaltung.
Bürokratieabbau: Aus dem Justizressort kommen unter anderem die Geschäftsstelle für Bürokratieabbau sowie der Nationale Normenkontrollrat, aus dem Kanzleramt die Zuständigkeiten für strategische Vorausschau, Verhaltenswissenschaften und bürgerzentrierte Politik und Grundsatzfragen der Digitalpolitik. Aus dem Verkehrsressort übernimmt das neue Haus die Abteilungen für Digital- und Datenpolitik und digitale Infrastrukturen. Das Wirtschaftsressort gibt die Zuständigkeiten für Digitalpolitik, das Recht der Datennutzung, digitale Wirtschaft, Datenverfügbarkeit, digitale Souveränität und Investitionsprüfungen an Wildberger ab.
Mehr Zuständigkeiten für Dorothee Bär: Die Forschungsministerin bekommt die Kompetenzen für Raumfahrt, Grundsatzfragen der nationalen und internationalen Innovations- und Technologiepolitik, der Entwicklung digitaler Technologien, für die Hightech-Agenda sowie für Gigafactories und die Sprungagentur für besonders innovative Entwicklungen (Sprind) und Games aus dem Wirtschaftsministerium. Aus dem Verkehrsministerium wandert unter anderem die Zuständigkeit für das Management von Lufträumen von Drohnen, Erdbeobachtung, Satellitennavigation und -kommunikation in Bärs Haus.
BMI verliert weitere Abteilungen: Die Zuständigkeiten für Sportpolitik und Ehrenamt wechseln aus Dobrindts Innenministerium ins Kanzleramt. Das wertet die Position der dortigen Staatsministerin deutlich auf. Die Zuständigkeiten für gleichwertige Lebensverhältnisse sowie regionale Kultur gehen in das Bundeslandwirtschaftsministerium.
Relativ geschmeidig hat die SPD-Fraktion gestern ihren neuen Fraktionsvorstand gewählt. Die Abgeordneten folgten Lars Klingbeils Vorschlag, dessen Amt als Fraktionschef der bisherige Generalsekretär Matthias Miersch übernimmt. Für den 56-Jährigen stimmten in der Sitzung am Mittwochmorgen 83 Prozent der Genossinnen und Genossen. Von 119 abgegebenen gültigen Stimmen erhielt Miersch 99 Ja-Stimmen. 18 Abgeordnete stimmten mit Nein, zwei enthielten sich. Ob es genau jene 18 Personen waren, die Merz die Zustimmung verweigert haben, wird kaum nachzuvollziehen sein.
Auf Grüne und Linke zugehen: „Wir wollen die sozialdemokratische Handschrift sehr deutlich erkennen lassen, auch in der Koalition mit CDU/CSU“, kündigte Miersch an. Man wolle fairer Partner sein, aber auch darauf achten, dass die Inhalte, für die man im Wahlkampf und im Koalitionsvertrag gestanden habe, auch realisiert würden. Nicht nur bei der Fristverkürzung für den zweiten Wahlgang der Kanzlerwahl, auch künftig ist die schwarz-rote Koalition auf die Kooperation von Grünen und Linken angewiesen – immer dann etwa, wenn sie eine Zweidrittelmehrheit braucht.
Wer war’s und warum? Er werde auf beide Fraktionen zugehen, sagte Miersch, damit die Koalition etwa die Schuldenbremse reformieren könne. In Bezug auf die turbulente Kanzlerwahl sagte der neue Fraktionschef, man habe gesehen, „dass zwölf Stimmen Mehrheit nicht viel sind.“ Man müsse deshalb „sehr sorgfältig miteinander umgehen.“ Am Rande des Pressetermins wurde in Gesprächen mit Fraktionsinsidern deutlich, dass man in der SPD wohl nicht mit einer so großen Anzahl an Abweichlern gerechnet hatte. Wer Merz aber warum die Gefolgschaft verweigert habe, dazu wollte sich niemand äußern.
Komplett neues Team: Ins Amt kamen gestern ebenfalls der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Dirk Wiese, dessen Stellvertreterinnen Derya Türk-Nachbaur, Marja-Liisa Völlers und Johannes Fechner sowie die Vizefraktionschefinnen und -chefs: Siemtje Möller, Armand Zorn, Wiebke Esdar, Sonja Eichwede, Dagmar Schmidt und Esra Limbacher (SZ Dossier berichtete). Ein neuer Generalsekretär soll auf dem SPD-Parteitag Ende Juni bestimmt werden.
Alexander Dobrindt arbeitet daran, sein erstes Wahlversprechen einzulösen: Künftig sollen auch Asylsuchenden zurückgewiesen werden können. Mit strengeren Regeln und mehr Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei will der neue Innenminister einen Rückgang der irregulären Migration bewirken: Eine mündliche Weisung aus dem Jahr 2015, Asylsuchende nicht abzuweisen, hat Dobrindt gestern in einem Brief an Bundespolizeipräsident Dieter Romann schriftlich zurückgenommen.
Abstimmungsfragen: Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD angekündigt, in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vorzunehmen. Dobrindt sagte gestern, Deutschland halte die Nachbarn in „enger Abstimmung“. Er selbst und der Bundeskanzler hätten dazu bereits Gespräche geführt. Zudem sollen für die Umsetzung die Grenzkontrollen verstärkt werden, unter anderem mit mehr Bundespolizisten. Seit September 2024 gibt es bereits Kontrollen an allen Landgrenzen.
Ausnahmen: Dobrindt betonte, dass es bei den Zurückweisungen Ausnahmen geben soll. „Es geht nicht darum, dass wir morgen anfangen, alle im vollen Umfang zurückzuweisen“, sagte er. Kinder, Schwangere und andere vulnerable Gruppen würden demnach nicht zurückgewiesen. Im Schreiben an Romann bezieht sich Dobrindt auf „erkennbar vulnerable Personen“, die „weiterhin an die zuständigen Stellen oder Erstaufnahmeeinrichtungen weitergeleitet werden“ können. Dobrindt wolle mit den Maßnahmen auch das Signal setzen, dass sich die Politik in Deutschland geändert habe, sagte er.
Aufwuchs: Wie der Spiegel berichtet, soll das Kontingent der Bundesbereitschaftspolizei an der Grenze auf zwölf Hundertschaften verdoppelt werden. Hinzukommen sollen mobile Kontroll- und Überwachungseinheiten. Außerdem sollen die Beamtinnen und Beamten in den Grenzinspektionen künftig Zwölf-Stunden-Schichten leisten. Nach Informationen der SZ sollen die derzeit 11 000 Beamtinnen und Beamten um bis zu 3000 Kräfte der Bundespolizei aufgestockt werden. Nach mündlicher Anweisung durch den neuen Innenminister sei der „Aufwuchs von Kräften an der Grenze angelaufen“, hieß es im Innenministerium.
Tiefgang
Dass die Rednerpulte im Wintergarten des Élysée-Palastes immer in relativ großem Abstand aufgebaut sind, hat für das Verhältnis zwischen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz einen entscheidenden Vorteil: Es fällt kaum auf, dass Macron zu Merz immer ein wenig aufschauen muss. Denn beim ersten Auslandsbesuch des Kanzlers geht es vor allem darum, Gemeinsamkeit, Freundschaft und Aufbruch zu demonstrieren.
„Gemeinsam handeln“, „zusammen aufbrechen“, „Hand in Hand“ – vor allem Macron spart nicht mit großen Worten für den lieben „Friedrich“. Merz antwortet immerhin, dass in den letzten Jahren zwischen ihm und Macron neben der politischen auch eine tiefe persönliche Vertrautheit entstanden sei. Schon beim Empfang am Eingang des Präsidentenpalastes legt Macron mehrfach seinen Arm auf den Rücken des Kanzlers. Eigentlich würde er den Arm am liebsten auf die Schulter von Merz legen, aber das ist bei dessen 1,98 doch etwas schwierig.
Im Verhältnis zwischen französischen Präsidenten und deutschen Kanzlern hat es meist am Anfang gehakt, bevor es dann meist recht gut lief. Man denke an Kohl und Mitterrand, Chirac und Schröder, selbst Angela Merkel und Nicolas Sarkozy wurden irgendwann zu „Merkozy“. Nur zwischen Emmanuel und Olaf fehlte bis zum Schluss die Vertrautheit, die es braucht, um in Europa zu führen.
Macron und Merz starten anders, dass die erste Reise eines neuen Kanzlers immer nach Paris führt, ist für Merz alles andere als eine Pflichtübung. Denn was beide wirklich eint, ist der Wille, Europa zu reformieren und stärker zu machen. Ob in der Pressekonferenz oder einem parallel erschienen Gastbeitrag in europäischen Zeitungen: Mehr Sicherheit und mehr Wettbewerbsfähigkeit soll die Souveränität Europas sichern. Merz spricht in Paris von einem „deutsch-französischen Neustart für Europa“.
Das heißt aber noch nicht, dass beide Länder nun stets an einem Strang ziehen werden. Die Prinzipien sind klar, aber wie bei Koalitionsverhandlungen sind viele Details genauso umstritten wie vorher. Der deutsch-französische Verteidigungsrat soll gestärkt werden und regelmäßig auch über konkrete Beschaffungsprojekte für das Militär beraten. Aber wird das etwas daran ändern, dass die Franzosen grundsätzlich ihre Waffensysteme für die besten halten und vor Einkäufen in den USA warnen?
Seit US-Präsident Donald Trump die Nato immer mal wieder in Frage stellt, sind beide Länder für eine Stärkung des europäischen Pfeilers des Militärbündnisses. Aber wo französische Strategen schon spekulieren, dass sich Deutschland unter Frankreichs nuklearen Schutzschild begeben könnte, setzt Merz vorerst doch lieber auf die USA. Immerhin kündigt er an, mit Frankreich und Großbritannien als den beiden europäischen Mächten mit Atomwaffen über deren Rolle zu sprechen – aber nicht als Ersatz für die USA.
Beide wollen auch neue EU-Handelsabkommen mit anderen Regionen. Macron gibt sich sogar optimistisch, dass ein Kompromiss zum Mercosur-Abkommen mit südamerikanischen Staaten gefunden werden kann. Aber natürlich nur, wenn Frankreichs Erzeuger – sprich die Bauern – ausreichend geschützt werden. Nach dem von deutscher Seite erhofften Signal, dass Frankreich etwa durch Enthaltung die Mehrheit für Mercosur im EU-Ministerrat nicht weiter blockiert, klingt das nicht.
Merz wiederum begrüßt zwar die Ausnahmen des europäischen Stabilitätspaktes für Verteidigung, aber eine generelle Öffnung hin zu höheren Schulden sei schon wegen der Finanzstabilität nicht möglich. Nach Eurobonds – also gemeinsamen EU-Anleihen – wird von den Journalisten nicht einmal gefragt.
Trotzdem soll Schluss sein damit, dass beide Länder sich in wichtigen europäischen Fragen nicht abstimmen. Eine gemeinsame Kabinettssitzung ist noch für den Sommer geplant, einzelne Minister, aber auch Unternehmensverbände, Gewerkschaften und Experten sollen regelmäßig gemeinsame deutsch-französische Positionen entwickeln. Bei der gemeinsamen Führung der EU wollen Merz und Macron aber einen Dritten fest einbinden: den Polen Donald Tusk.
Das sogenannte „Weimarer Dreieck“ findet diese Woche in Etappen statt. Merz reiste direkt von Paris zum Abendessen mit Tusk nach Warschau. Morgen dann wird Macron Tusk in Nancy empfangen und einen runderneuerten Freundschaftsvertrag mit Polen unterschreiben. In Warschau sprach auch Tusk von einem „neuen Anfang“ – und machte bei der Pressebegegnung mit Merz dann deutlich, dass der durch die gestern von Deutschland verschärften einseitigen Grenzkontrollen nicht gerade erleichtert wird. Jeder derartige Versuch sei mit großen Problemen, etwa für Pendler, verbunden. Peter Ehrlich
Fast übersehen
AfD hochgestuft: Der Verfassungsschutz in Brandenburg hat den Landesverband der AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft. Das teilte Landesinnenministerin Katrin Lange (SPD) gestern mit. Damit ist jetzt neben dem Bundesverband der vierte Landesverband der AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft worden.
Ein Politikum in Potsdam: Laut einem Bericht der dpa stufte der Landesverfassungsschutz die AfD schon im April hoch, also noch vor der Entscheidung des Bundesamtes. Die Ministerin wurde nach eigener Aussage aber erst Wochen später, am Montag, darüber informiert. Am Dienstag entließ sie den Leiter des Verfassungsschutzes, Jörg Müller.
Auch Woidke wusste nichts: In Brandenburg ist der Verfassungsschutz keine eigene Behörde, sondern eine Abteilung des Innenministeriums. Die CDU, die in Brandenburg in der Opposition sitzt, hält die Darstellung der Ministerin für wenig glaubwürdig. Kritik erhält Lange auch, weil sie eine Dienstanweisung außer Kraft setzte und nun selbst über besonders wichtige Beobachtungsobjekte entscheiden will. Ministerpräsident Woidke stellte sich gestern hinter seine Ministerin: „Ich habe es auch nicht gewusst, woher sollte ich es wissen, wenn die Innenministerin nicht mal informiert war. Ich finde das schon bemerkenswert“, sagte Woidke der dpa.
Funkstille: Der Digitalfunk der Behörden war am Montagnachmittag bundesweit gestört. Betroffen waren unter anderem Bremen, Brandenburg, Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, das Saarland und Thüringen. Auch die Bundespolizei meldete erhebliche Beeinträchtigungen. Als Ursache des Ausfalls nannte die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) gestern Abend kryptisch „Netzwerkprobleme“. Die Störung habe rund zwei Stunden gedauert. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) teilte zuvor mit, dass keine Hinweise auf einen Cyberangriff vorlägen, berichtete unser Dossier Digitalwende gestern.
Interne Kommunikation gestört: Der sogenannte BOS-Digitalfunk – das zentrale Kommunikationsmittel für Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste – war in weiten Teilen des Landes nur eingeschränkt nutzbar. Die Notrufnummern 110 und 112 liefen jedoch über separate Systeme und waren nicht betroffen. Während es aus der Kölner Leitstelle der Polizei etwa hieß, dass die Störung nur eine Viertelstunde anhielt, konnte in Berlin laut Polizei erst ab 18 Uhr wieder störungsfrei kommuniziert werden. In vielen Behörden wurden alternative Kommunikationsmittel genutzt, um die Einsatzfähigkeit aufrechtzuerhalten.
Wohl kein neuer Queer-Beauftragter: Mit der Amtsübernahme des neuen Kabinetts endete am Dienstag die Amtszeit des bislang ersten Queer-Beauftragten der Bundesregierung, des Parlamentarischen Staatssekretärs Sven Lehmann (Grüne).
Unklar bleibt bislang, ob das Amt auch unter der Regierung Merz weitergeführt wird. Auf Nachfrage von SZ Dossier antwortete eine Sprecherin des Bundesministeriums für Bildung, Familien, Senioren, Frauen und Jugend, dass im Koalitionsvertrag festgelegt sei, „dass es für alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, selbstverständlich sein muss, gleichberechtigt, diskriminierungs- und gewaltfrei leben zu können.“
Noch kein konkreter Plan: Um dieses Ziel zu erreichen, würden Maßnahmen ergriffen, um das Bewusstsein zu schaffen, zu sensibilisieren und den Zusammenhalt sowie das Miteinander zu stärken, heißt es aus dem BFSFJ weiter. Die konkrete Umsetzung werde in den kommenden Wochen festgelegt. In der Liste der Regierung, die Kürzungen von 25 Posten unter den Beauftragten, Sonderbeauftragten und Koordinatoren aufführt, ist die Stelle des Queer-Beauftragten nicht zu finden.
Unter eins
Katherina Reiche (CDU), neue Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, fand bei der Amtsübergabe lobende Worte für ihren Vorgänger Robert Habeck (Grüne) und sein Handeln nach Russlands Überfall auf die Ukraine
Zu guter Letzt
Außenministerin a.D. Annalena Baerbock (Grüne) hatte den Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt – beziehungsweise die Tasse. In einem Abschiedsvideo auf Social Media zeigte sie ein Exemplar mit der Aufschrift „Moin“, das sie ihrem Nachfolger Johann Wadephul (CDU) auf den Schreibtisch gestellt hatte. Henkel und das Innere der Tasse waren grün, Wadephul soll schließlich nicht vergessen, wer das Haus vor ihm geführt hat.
„Lieber Johann, damit du dich in diesem wunderbaren Amt so richtig heimisch fühlst“, sagte Baerbock in dem Video. Ebendiese Tasse tauchte nun in einem Video auf Wadephuls neuen Accounts auf: Man sieht sie zu Beginn seines Vorstellungsclips, bevor die Kamera auf den neuen Außenminister schwenkt. Er kündigt Außenpolitik aus einem Guss an, die es fortan auf seinem Account geben werde. Am Ende des kurzen Videos hebt Wadephul dann noch eine Tasse hoch. Sie sieht fast so aus wie die aus Baerbocks Video, hat allerdings einen schwarzen Henkel.