„Deutschland ist im Fadenkreuz hybrider und terroristischer Angriffe Russlands“, sagte CDU-Politiker Roderich Kiesewetter SZ Dossier. Als stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages ist er vertraut mit den Erkenntnissen deutscher Geheimdienste. Moskau nutze zunehmend auch sogenannte Wegwerf-Agenten, die sich häufig völlig frei in Deutschland und Europa bewegen, führte Kiesewetter aus.
Russische Sabotage in Europa: Nach Recherchen von SZ, NDR und WDR soll der russische Militärgeheimdienst GRU hinter den Paketen stecken, die im vergangenen Sommer an europäischen Flughäfen in Flammen aufgegangen sind. Laut den Recherchen wäre der Schaden in der Luft wesentlich höher gewesen. Wie Kiesewetter betonte, sei festzustellen, dass die Angriffe intensiver und häufiger stattfinden und insbesondere militärisch relevante und kritische Infrastruktur betreffen. „Europa und Deutschland sind Kriegsziel Russlands“, sagte er.
Vorbereitung des Krieges: Der hybride Krieg diene laut Kiesewetter der Vorbereitung und Begleitung eines konventionellen Krieges, indem beispielsweise mittels Sabotage und Spionage das Gefechtsfeld vorbereitet werde. Für die Sabotageaktionen sollen laut der Recherchen zehn Personen an der Planung und Umsetzung beteiligt gewesen sein, darunter besagte Wegwerf-Agenten. Die kassieren je nach Tätigkeit zwischen ein paar Hundert und 10 000 Euro pro Auftrag – bezahlt werden sie oft über Kryptowährungen, um den Auftraggeber zu verschleiern. „Die wir da beobachtet haben, sind keine Einzelfälle“, sagte BND-Präsident Bruno Kahl.
Befugnisse anpassen: Wie Kahl sagte, habe man „relativ frühzeitig“ die Bundesregierung über das Spektrum solcher Maßnahmen informiert. Kiesewetter betonte, Deutschland habe verpasst, die Gesetze an die Realität anzupassen. Es wäre längst nötig gewesen, die rechtlichen Befugnisse der Bundeswehr, Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden anzupassen – etwa im Rahmen des Spannungsfalls. „Dazu muss die neue Bundesregierung anerkennen, dass wir nicht mehr in Friedenszeiten sind, sondern Russland uns seit Jahren angreift und wir Kriegsziel sind“, sagte Kiesewetter. Konkret forderte der Abgeordnete Befugnisse zur Auswertung von Messengerdiensten, zur Finanzaufklärung und zur Weitergabe von Erkenntnissen.
Strategisches Wegschauen: Im Koalitionsvertrag stünden viele sinnvolle Maßnahmen, die aber noch nicht konkretisiert seien – und darüber hinaus unter Finanzierungsvorbehalt stünden. Kiesewetter sprach sich etwa dafür aus, das Kritis-Dachgesetz „rasch“ zu finalisieren. Zudem gebe es noch viele Widersprüche: „Beispielsweise bleibt die Gefahr durch chinesische Komponenten im digitalen Netz komplett ignoriert – man ging sogar so weit, die Regelung nachträglich im bereits veröffentlichten Koalitionsvertrag komplett widersinnig abzuändern“, sagte Kiesewetter. Alles werde noch sehr herausfordernd werden, weil Deutschland in „strategischem Wegschauen“ verharre.