Vertreter der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute blicken mit Skepsis auf die Wahlprogramme der Parteien. „Die Parteien möchten positive Botschaften verbreiten, dabei fällt unter den Tisch, dass die Wähler all diese Wohltaten ja selbst finanzieren müssen“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest SZ Dossier. Weiteres Problem: „Eine große Schwäche aller Wahlprogramme besteht darin, dass die Notwendigkeit, mehr für die Verteidigung zu tun, nicht genug berücksichtigt wird.“
Die dicksten Brocken sind Steuererleichterungen. Tobias Henze und Martin Beznoska vom IW in Köln haben errechnet, dass die geplanten Entlastungen für private Haushalte allein bei der Einkommensteuer im Unionsprogramm 41 Milliarden Euro an Mindereinnahmen bedeuten, plus 13 Milliarden für die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Bescheidener sind die Grünen mit rund 20 und die SPD mit netto acht Milliarden. Zwar will die SPD nach eigenen Angaben 95 Prozent der Steuerzahler entlasten, dafür aber sieben Milliarden durch einen höheren Spitzensteuersatz erwirtschaften.
Viele Versprechen: Die FDP will den sogenannten Mittelstandsbauch bei der Einkommensteuer stufenweise abschaffen, was in der Endstufe ein Loch von 95 Milliarden Euro reißen würde. Stefan Bach vom IW hat errechnet, dass alle FDP-Vorschläge zusammen Einnahmeausfälle des Staates in Höhe von 188 Milliarden bedeuten würden oder mehr als vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes, von denen laut Bach knapp zur Hälfte die oberen Einkommensgruppen profitieren würden. Mehr Investitionen versprechen alle – bei Grünen und SPD über einen zumindest teilweise kreditfinanzierten „Deutschlandfonds“. Änderungen an der Schuldenbremse werden explizit gefordert oder zumindest offengehalten.
Einsparungen beim Bürgergeld: Einen Teil der Entlastungen wollen Union und FDP zum Beispiel durch Einsparungen beim Bürgergeld finanzieren, das allein 50 Milliarden Euro pro Jahr kostet. Aber: „Wahrscheinlich ist da nicht wahnsinnig viel zu holen“, sagte Holger Schäfer vom IW. Zwar könne man den Regelsatz senken, aber das Verfassungsgericht hat entschieden, dass der Gesetzgeber genau begründen muss, wie er die unverzichtbaren Mindestleistungen berechnet hat. Viel kostet auch die Weiterbildung, aber die Union setzt ja gerade darauf, dass mehr Bürgergeld-Empfänger arbeiten.
Gestreckte Maßnahmen: Bleibt das Argument der Parteien, dass ihre Konzepte das Wachstum ankurbeln und sich Steuererleichterungen selbst finanzieren. „Eine Selbstfinanzierung kann man nur in Ausnahmefällen erwarten“, sagte Fuest und vor allem kurzfristig könnten Wachstumseffekte nur einen kleinen Teil finanzieren. Deshalb könne man davon ausgehen, „dass viele der genannten Maßnahmen zumindest über einige Jahre gestreckt werden müssen“.