Es war eine Hängepartie – und noch ist sie auch nicht ganz zu Ende. Doch CDU, BSW und SPD haben einen Koalitionsvertrag vorgelegt und auf 126 Seiten die Leitplanken ihrer Politik abgesteckt. Ein Überblick über die wichtigsten Vorhaben und Visionen.
Bildung: Die Brombeer-Koalition will Kinder im fünften Lebensjahr auf ihre Deutschkenntnisse und ihre Sprachkompetenz testen. Kinder, bei denen anhand dieser verpflichtenden Deutschtests sprachliche Defizite festgestellt werden, sollen noch im Kindergarten ein einjähriges Förderprogramm absolvieren. Die SPD freut sich darüber, dass die angehende Koalition die Abschaffung der Hortgebühren ab dem 1. August 2026 in den Vertrag geschrieben hat, außerdem sollen Ganztagsangebote ausgebaut werden.
CDU, BSW und SPD wollen darüber hinaus, dass Schüler und Kinder in Kindergärten ein kostenloses, warmes Mittagessen erhalten. Ein Landeszuschuss ab dem 1. August 2027 soll der Einstieg dazu sein. Im Wahlkampf hatte das BSW in Sachen Bildung vor allem mit dem Verbot von Handys und Tablets an Grundschulen geworben. Im Koalitionsvertrag einigten sich die Verhandler nun darauf, „analogem Lernen in der Grundschule“ den Vorrang zu geben. Auch die Nutzung von Handys in der Kernschulzeit soll eingeschränkt werden. Ab der 7. Klasse sollen Schüler dann ein Tablet erhalten.
Wirtschaft: Zentraler Bestandteil der Wirtschaftspolitik wird die Einrichtung eines Transformations-, Technologie- und Innovationsfonds. Der soll Mittelstand und Industrie zukunftssicher machen. Wie viel Geld er enthalten soll, steht aber nicht im Koalitionsvertrag. Die drei Parteien adressieren in ihrem Papier auch die Probleme auf dem Arbeitsmarkt durch fehlende Fachkräfte: Durch ein „Thüringen-Stipendium“ sollen Studentinnen und Studenten in Mangelberufen zum Bleiben animiert werden.
Gleichzeitig will der Freistaat im Ausland Fachkräfte und Auszubildende anwerben. Migrantinnen und Migranten mit Bleibeperspektive sollen schnell und einfach Zugang zu Sprachkursen und Nachqualifizierungsprogrammen erhalten. Ganz freiwillig soll es im Bereich Integration aber nicht zugehen: Enthalten im Koalitionsvertrag ist auch eine „Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit“.
Migration: Eine zentrale Ausländerbehörde soll in Zukunft Aufnahme, Anerkennung von Berufsabschlüssen, Integration und Rückführung bündeln. Personen mit geringer Bleibeperspektive, etwa aus sicheren Herkunftsländern oder Folgeantragsteller, sollen nicht mehr auf die Kommunen verteilt werden. Außerdem will die Brombeer-Koalition die Bezahlkarte für Geflüchtete in ganz Thüringen rasch umsetzen.
Gesundheit: Geht es nach dem Willen der Koalitionäre in spe soll Thüringen zu einem sogenannten 20-Minuten-Land werden. Innerhalb dieser Zeitspanne sollen die Menschen Haus- und Kinderärzte, Frauen- und Zahnärzte sowie Apotheken erreichen können. Dafür planen die drei Parteien etwa die Studienkapazitäten an der Universität Jena auszubauen, die Landarztquote zu erhöhen und eine Landapothekerquote einzuführen.
Darüber hinaus soll es einen „Anwerbungs- und Anerkennungsturbo“ für ausländische Fachkräfte geben. Gemeinsam wollen die drei Parteien einen „Schlussstrich unter die juristischen Folgen der Corona-Pandemie ziehen“, noch laufende Bußgeldverfahren sollen nicht weiterverfolgt oder eingestellt werden. Die Verhandler wollen prüfen, ob dazu ein Amnestie-Gesetz notwendig ist. Einen Corona-Untersuchungsausschuss im Landtag haben sowohl AfD als auch BSW bereits beantragt.
Krieg und Frieden: Besonders dem BSW und dessen Parteichefin war das Thema Krieg und Frieden ein wichtiges Anliegen. Aussagen dazu finden sich nun an sämtlichen Stellen des Koalitionsvertrags. Im Abschnitt zum Thema Bildung heißt es etwa, Schulen seien ein „Lernort für Freiheit, Toleranz, Völkerverständigung und Frieden“. Der Unterricht dürfe keine Werbeplattform für eine berufliche Zukunft bei der Bundeswehr sein.
Auf Seite 107 gehen die drei Parteien auch noch einmal auf die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ein und schreiben, viele Menschen begriffen diese als fundamentale Veränderung der strategischen und militärischen Lage in Deutschland und Europa. „Eine Stationierung und deren Verwendung ohne deutsche Mitsprache sehen wir kritisch.“ Die Koalition will nun dafür sorgen, dass die Meinung der Menschen in Form von Bürgerräten gehört wird.
Die Ressorts: Laut dem Koalitionsvertrag wird die CDU den Ministerpräsidenten stellen und vier Ressorts übernehmen, wobei der Chef der Staatskanzlei auch zu den Ministern gezählt wird. Das BSW wiederum erhält drei Ressorts und einen Stellvertreter des Ministerpräsidenten, der SPD stehen zwei Ministerposten zu und ebenfalls ein Stellvertreter des Regierungschefs.
Nach den Verhandlungsführern sind nun die Parteien an der Reihe. Die SPD beginnt heute Mittag um 12 Uhr damit, ihre Mitglieder zu befragen. Zeit ist bis zum 9. Dezember. Bei der CDU entscheidet ein kleiner Parteitag am 30. November, beim BSW ist eine Woche später, am 7. Dezember, der Parteitag gefragt. Tim Frehler