Ex-Gesundheitsminister und Unions-Fraktionschef Jens Spahn (CDU) hat sich für eine Veröffentlichung des umstrittenen Sudhof-Berichts zur Corona-Maskenaffäre ausgesprochen. „Für mich wäre es aktuell sicher leichter, der Bericht wäre öffentlich“, sagte Spahn gestern Abend im Bericht aus Berlin. Der bislang unter Verschluss gehaltene Bericht der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof befasst sich mit dem Vorwurf zu teurer Maskenkäufe in der Anfangszeit der Coronapandemie.
Rolle vorwärts: Noch am Donnerstag kursierte in der Unionsfraktion eine Sprachregelung zu dieser Angelegenheit, die SZ Dossier vorliegt. Die Vorwürfe mutwilliger Überbeschaffung seien „haltlos“. Wörtlich heißt es in dem vierseitigen Papier: „Der ‚Bericht‘ von Frau Sudhof ist parteipolitisch motiviert: Er wurde zu Ampel-Zeiten von einem Ampel-Minister an die politische Beamtin und ehemalige SPD-Staatssekretärin Frau Sudhof vergeben mit dem klaren Ziel, der Union und Jens Spahn im Wahlkampf zu schaden.“ Es liege zudem kein neuer Sachstand vor. Die Union betont, es finde „keine Geheimhaltung“ statt.
Spahn kennt den Text nicht: Das Gesundheitsministerium wolle das Ergebnis vor einer Herausgabe bewerten, heißt es in dem Papier, um aktuell laufende Rechtsstreite nicht zu gefährden. Er habe den Text bisher nicht lesen können, sagte Spahn: „Ich bin dazu auch nie befragt worden in irgendeiner Art und Weise.“ Er forderte eine Aufarbeitung der Pandemie weit über das Thema Masken hinaus – durch eine Enquete-Kommission im Bundestag. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will dem Bundestag nicht den kompletten Bericht übermitteln, sondern dem Haushaltsausschuss über Erkenntnisse zu den Maskenkäufen berichten und die Ergebnisse des Berichts dabei heranziehen.
Neue Vorwürfe: Wie SZ, NDR und WDR in einer neuen Recherche berichten, hat Spahn dem Bericht zufolge während der Pandemie in vielerlei Hinsicht eigenmächtig und „nachweislich gegen den Rat seiner Fachabteilungen“ gehandelt. Diese hätten sich dafür ausgesprochen, die Maskenbeschaffung vom Innenministerium koordinieren zu lassen – so wie es auch der Corona-Krisenstab am 5. März 2020 beschlossen hatte. Spahn habe den dortigen Beschaffungsbehörden „ungeachtet der dort vorgehaltenen Fachkompetenz“ nicht vertraut.
Ich statt Staat: Stattdessen habe der damalige Gesundheitsminister beschlossen, „die Beschaffung allein meistern zu wollen“ – und entschieden, mit dem von ihm geführten BMG selbst in die Maskenbeschaffung einzusteigen. „Fehlendes ökonomisches Verständnis“ und „politischer Ehrgeiz“ hätten am Ende dazu geführt, dass nicht als Team „Staat“, sondern als Team „Ich“ gehandelt worden sei, konstatiert Sudhof demzufolge. „So begann das Drama in Milliarden-Höhe“, heißt es weiter, an dessen Ende Spahn Masken im Wert von knapp sechs Milliarden Euro kaufen ließ, von denen rund zwei Drittel nie gebraucht wurden. Das ziehe bis heute „erhebliche Kosten und Risiken nach sich“.
Schwierige Aktenführung: Zudem hätten sich die Unterlagen nicht in einem „der Aktenführung einer Obersten Bundesbehörde entsprechenden Zustand“ befunden. So seien Mails des Ministeriums bei der Beratungsfirma EY ausgelagert sowie viel „per sms und messenger (im Wesentlichen wohl whatsapp)“ kommuniziert und nicht archiviert worden. Zudem „intervenierte [Spahn] immer wieder persönlich“. „Dies geschah, soweit dokumentiert, häufig von dem MdB-Account beim Deutschen Bundestag aus“, heißt es. Spahn betonte im Bericht aus Berlin, es sei eine Entscheidung des Kabinetts gewesen, dass das Gesundheitsministerium beschaffe: „Es wäre ja auch komisch, wenn in der Jahrhundert-Gesundheitskrise der Gesundheitsminister und das Gesundheitsministerium dann nicht aktiv werden würden.“