von Fabian Löhe
Diese Meldung stammt aus dem folgenden Briefing des Dossiers Platz der Republik:
Der Internationale Gerichtshof (IGH) urteilt am Mittwoch zur Klimarechtspflicht – und könnte damit Deutschlands fossile Genehmigungspraxis ins Wanken bringen. „Sollte der IGH in seinem Gutachten zu dem Schluss kommen, dass neue fossile Projekte mit dem Völkerrecht unvereinbar sind, könnte das ihre Genehmigungsfähigkeit in Frage stellen“, sagte Francesca Mascha Klein von Germanwatch SZ Dossier. „Das würde dann Entscheidungen wie kürzlich zur Ermöglichung von neuen Gasbohrungen vor Borkum betreffen.“ Die Einschätzungen des IGH seien entscheidend für die Auslegung des Bundes-Klimaschutzgesetzes. Insbesondere Paragraf 13 verpflichte Träger öffentlicher Aufgaben dazu, den Klimaschutz bei allen Entscheidungen zu berücksichtigen.
Bühne frei für das Völkerrecht: Im Auftrag der UN-Vollversammlung soll der IGH klären, welche völkerrechtlichen Verpflichtungen Staaten beim Schutz des Klimasystems haben – auch mit Blick auf zukünftige Generationen. Zudem geht es um die Frage, welche Konsequenzen für Staaten folgen, die entscheidend zum Klimawandel beigetragen haben. Grundlage sind internationale Verträge wie das Pariser Klimaabkommen sowie menschenrechtliche Normen. Die rechtliche Einschätzung könnte sich indirekt auf laufende oder künftige Verfahren weltweit auswirken – etwa vor dem EGMR oder bei Klimaklagen gegen Konzerne wie TotalEnergies oder RWE.
Die Stunde der Prinzipien: Die Entscheidung des IGH reiht sich ein in eine wachsende Zahl internationaler und nationaler Urteile, die Klimaschutz als rechtlich einklagbare Pflicht definieren – vom Bundesverfassungsgericht 2021 über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bis zum Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof. „Die Einschätzung des IGH wird weltweit Wellen schlagen“, sagte Klein. „Denn es geht bei dem anstehenden Gutachten um das Verständnis von gemeinsamen Regeln, denen sich die internationale Staatengemeinschaft verpflichtet hat.“ Sie fügte hinzu: „Wir hoffen deshalb auf eine progressive Entscheidung mit klaren Worten“ – und rechtlichen Rückenwind für etwaige weitere Klagen.
Nicht nur eine Frage des Geldes: „Wer heute noch neue Öl-, Gas- oder Kohlevorhaben plant, genehmigt oder finanziert, gefährdet nicht nur die Klimaziele, sondern nimmt irreversible Schäden bewusst in Kauf“, sagte Klein. Klimaziele müssten mit dem Pariser Abkommen in Einklang stehen. Deutschland habe seinen fairen Anteil am globalen CO₂-Budget bereits überschritten – und müsse deshalb mehr tun, nicht irgendwann, sondern jetzt. Klein erinnerte an das Bundesverfassungsgericht: „Der Staat ist verfassungsrechtlich verpflichtet, auch international ausgerichtet zu handeln und seinen Beitrag zum globalen Klimaschutz zu leisten.“