Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Meldung

Wer noch ins neue Kabinett wechselt

Diese Meldung stammt aus dem folgenden Briefing des Dossiers Platz der Republik:

Auch in den kleineren Ressorts gab es Überraschungen. Karsten Wildberger wird Digital- und Staatsmodernisierungsminister. Derzeit ist er noch Chef von Mediamarkt und Saturn, wo er neue Online-Bestellmöglichkeiten auch mal selbst testet. Die Zahlen des Unternehmens sind unter seiner Führung besser geworden. Wildberger ist Physiker und hat über Simulationen der physikalischen Realität promoviert. Seine ersten Schritte in der Wirtschaft hat er bei der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) gemacht, beim Energieversorger E.on hat er als Vorstand die digitale Transformation vorangetrieben. Mehr zu seinem neuen Haus (und weitere digitalpolitische Ableitungen zu den Personalien) hat heute unser Dossier Digitalwende. Philipp Amthor und Thomas Jarzombek (CDU) werden Parlamentarische Staatssekretäre.

Auch Nina Warken (CDU) ist eine der Überraschungen im neuen Kabinett. Die 45-jährige Juristin aus Baden-Württemberg hatte mit Gesundheitspolitik bisher nicht allzu viel zu tun. Sie war zwar Mitglied im parlamentarischen Begleitgremium zur Covid-19-Pandemie, in den Koalitionsverhandlungen aber Teil der AG Innen. Die beiden Gesundheitspolitiker Tino Sorge und Georg Kippels (CDU) folgen Warken als Parlamentarische Staatsekretäre ins Gesundheitsministerium. Im Ländle werden sie sich indes wohl nach einem Ersatz umschauen müssen. Bislang ist Warken Generalsekretärin ihres Landesverbandes. Nächstes Jahr wird im Südwesten gewählt. Schwer vorstellbar, dass sie als frisch gebackene Ministerin den Wahlkampf organisiert.

Die künftige Bildungs-, Familien- und Frauenministerin Karin Prien (CDU) ist zwar schon Jahrzehnte in der CDU, wurde aber erst 2011 Bürgerschaftsabgeordnete in Hamburg und dann 2017 Kultusministerin in Schleswig-Holstein. Schon der gescheiterte Kanzlerkandidat Armin Laschet hatte sie im Team, danach wurde sie stellvertretende Parteichefin und schnell zur einflussreichsten Bildungspolitikerin der Union. Die in Amsterdam geborene Politikerin aus jüdischer Familie – sie wird die erste jüdische Bundesministerin in der Bundesrepublik – gehört zum liberalen Flügel der CDU und gilt in der AfD und deren Umfeld als linksradikal. Unter anderem, weil sie den Einsatz der Amadeo-Antonio-Stiftung unterstützte und an ihrem Ministerium die Aufschrift „Kein Ort für Neonazis“ anbringen ließ.

Die stellvertretende CSU-Vorsitzende Dorothee Bär (CSU) übernimmt das neue Ministerium für Technologie und Raumfahrt, das die CSU als strategisches Zukunftsministerium ansieht. Bär sitzt seit 2002 im Bundestag, war bei der Bundestagswahl im Februar die bundesweite Erststimmenkönigin und hat bereits Regierungserfahrung als für Digitalisierung zuständige Staatsministerin im Kanzleramt in der letzten Regierungszeit von Angela Merkel. Wie damals wird sie wieder für die Games-Industrie zuständig sein, in erster Linie aber für Raumfahrt, die Förderung von Quantencomputern und künstlicher Intelligenz – und das Unions-Lieblingsprojekt eines Fusionsreaktors, der freilich in Bayern entstehen soll. Matthias Hauer (CDU) und Silke Launert (CSU) sollen Parlamentarische Staatssekretäre werden.

Der neue Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hat viele Milliarden Euro aus dem Haushalt und dem künftigen Infrastruktur-Sondervermögen zu verteilen. Dafür werden aber auch sichtbare Fortschritte bei der maroden Bahn und den Straßen erwartet. Der Rechtsanwalt aus der Eifel kam 2009 in den Bundestag und war vorher zehn Jahre lang Bürgermeister der Eifel-Gemeinde Arzfeld nahe der Grenze zu Belgien und Luxemburg, die ohne Auto nur alle ein bis zwei Stunden per Bus zu erreichen ist. Im Kabinett wird er mit einer Körpergröße von 2,02 Meter selbst den Kanzler überragen. Seinen Podcast nennt er denn auch „Eifelturm Talk“. Christian Hirte (CDU) und Ulrich Lange (CSU) werden Parlamentarische Staatssekretäre.

Der künftige Landwirtschaftsminister und gelernte Metzgermeister aus Niederbayern Alois Rainer (CSU) war zuletzt Vorsitzender des Bundestags-Finanzausschusses. Außer für Bauern, Ernährung und Wälder wird er auch Heimatminister und übernimmt dafür Zuständigkeiten aus dem Innenministerium. CSU-Chef Markus Söder bezeichnete ihn als zuständig für „Bauern, Bürgermeister, Handwerker und Gastronomen.“ Silvia Breher (CDU) und Martina Englhardt-Kopf (CSU) werden Parlamentarische Staatssekretärinnen.

Der künftige Kulturstaatsminister im Kanzleramt Wolfram Weimer ist ein erfahrener Chefredakteur und Medienmanager, in der Kulturszene aber bisher weniger aufgefallen. Der Ex-Chefredakteur von Welt und Focus und Gründer des Magazins Cicero geriet sofort in den Fokus der Parteien links der großen Koalition, weil er sich in seinem Buch „Das konservative Manifest“ von 2018 und anderen Beiträgen als Vordenker im Streit gegen den angeblich „woken“ Zeitgeist profilierte. Die schärfste Kritik noch am Sonntagabend kam vom FAZ-Mitherausgeber Jürgen Kaube, der bei Weimer weder Interesse an Kultur noch an Geist sehen will und ihn daher für eine Fehlbesetzung hält.